Gottes Treue-Urkunde
4. Adv B: 2 Sam 7, 1-5. 8b-12. 14a. 16 + Lk 1, 26-38
I
Der Schriftsteller Peter Bichsel hat ein Buch mit Kindergeschichten geschrieben. In einer der Geschichten kommt ein alter Mann vor, der sagt: Die Erde ist rund. Das weiß ich. Aber ich glaube es nicht. Und deshalb muss ich es ausprobieren.
II
Dieser Unterschied, den der Alte da macht, dürfte kaum jemandem von uns fremd sein. Es gibt Vieles, was wir wissen, weil wir es gesagt oder gelehrt bekommen. Aber das Wissen bleibt trocken, folgenlos, weil wir nicht glauben, was wir wissen. Das gilt gerade von Dingen, die uns sehr berühren: z. B., wenn es um Liebe oder Eifersucht geht. Der Partner versichert dem andern, dass alles in Ordnung ist, dass kein Grund zur Aufregung besteht. Aber ist je ein Eifersüchtiger davon beruhigt worden? Er muss erfahren, dass wahr ist, was er weiß, weil es ihm gesagt wurde.
III
Mit den wichtigen Dingen des Glaubens verhält es sich nicht anders. Es reicht nicht, von ihnen zu wissen. Man muss etwas von ihnen erfahren haben, um glauben zu können. Für Weihnachten, das wir in ein paar Tagen feiern, gilt das besonders. Sonst hörten wir nur die alte Geschichte vom Krippenkind und dem Drumherum, ohne dass sie uns auch nur von fern beträfe. Interessanterweise kann uns die Lesung aus dem Samuelbuch helfen, die unmittelbare Vorgeschichte von Weihnachten, die uns im heutigen Evangelium erzählt wurde, auf andere Weise zu hören, so dass sie mit unserer Erfahrung zu tun bekommt und wir auch zu glauben wagen dürfen, was verkündet wird.
IV
Dieses alttestamentliche Buch Samuel erzählt uns vom König David. Genauer: Es zeigt ihn uns auf dem Höhepunkt seines Lebens. Er hat seine Feinde niedergeworfen, seine Herrschaft gefestigt und sich einen Palast gebaut. Und jetzt möchte er – wie alle anderen Könige seiner Zeit auch – einen Tempel für Gott errichten, sozusagen als Garantie, dass alles, was er erreicht hat, nun bestehen bleibe. Aber seltsamerweise kommt es dazu nicht. Gott kommt dem David sozusagen zuvor. Dem Propheten Natan wird aufgetragen, David zu verkünden, dass Gott ihm ein Haus bauen, d. h. seiner Familie Bestand geben werde. Für ein Familienoberhaupt damals, erst recht für einen König, konnte es Wunderbareres, Kostbareres nicht geben. Sein eigener Sohn werde ihm nachfolgen, wenn sein Leben einmal zu Ende geht, darf David hören, noch dazu einer, der mit Gott so auf Du und Du stehen wird, dass Gott für ihn Vater und er für ihn wie ein Sohn sein wird. Und auf ewig werde sein Haus bestand haben.
Das war ein Versprechen so groß wie einst dasjenige an Abraham, dass seine Nachkommen so zahlreich sein würden wie die Sterne am Himmel. Durfte David das glauben, was ihm da durch den Propheten zu wissen gegeben war? Gott nimmt auf diese unsere menschliche Not mit den großen, wichtigen Dingen regelrecht Rücksicht. Darum erinnert er durch den Propheten den David anlässlich dieses großen Versprechens daran, was er schon alles an Wunderbarem für ihn getan hat: Ihn, den Hirtenbuben, den jüngsten, also geringsten von sieben Söhnen, von der Weide weggeholt und zum König erwählt; ihn überall begleitet, wohin er ging; ihn stark gemacht gegen alle Gefährdungen – etwa die des eifersüchtigen Königs Saul – und gegen alle Feinde, selbst wenn sie so riesig waren wie ein Goliat. Auf diese erfahrene Treue und Zuneigung darf – ja soll – David sich stützen, wenn er sich fragt, ob er glauben darf, was ihm versprochen wird. Sein eigenes Leben hat ihn schon gelehrt, dass auf Gott Verlass ist. Warum sollte es in Zukunft anders sein – auch wenn das Versprechen alles überbietet, was David bisher erlebt hat mit seinem Gott?
V
Wenn Gott Gott ist und darum auch dieses Versprechen hält, dann wird es nicht einmal dann widerrufen sein, wenn menschlich gesehen alles dagegen spricht, dass es noch erfüllt werden könnte. Aus dieser Überzeugung blieb den gläubigen Juden die Verheißung an David auch dann noch lebendig, als der Davididen-Clan schon längst vergangene Geschichte war. Wenn und weil Gott Gott ist, weiß er zu verwirklichen und wird er verwirklichen, was er zugesagt hatte.
Als eines Tages einer auftrat, aus dessen Reden und Tun manche seiner Zeitgenossen mehr spürten als verstanden, dass er mit Gott verbunden war auf eine Weise, wie sie nicht enger sein konnte und sie sie noch nie erlebt hatten, da fiel ihnen unwillkürlich jenes alte Versprechen ein, dass David einen Nachkommen haben werde, von dem Gott selber durch den Propheten gesagt hatte, er wolle ihm Vater und dieser werde ihm Sohn sein. Und darum erzählen sie später von diesem einen, dass ein Engel – also Gottes Stimme – seine Geburt als die des Thronfolgers Davids verkündete, in dem sich die unbedingte Treue Gottes bestätigte – obwohl er aus Nazaret stammte und mit der Königsfamilie der Davididen so viel zu tun hatte, wie Sie oder ich mit dem heutigen Kaiser von Japan.
Sowenig Gott das Haus braucht, das David ihm bauen wollte, um da zu sein in der Welt, so wenig braucht er die Geschlechterreihe einer Dynastie, um jene Nähe zu schenken, die mit dem biblischen Vater-Sohn-Verhältnis gemeint ist. Natürlich versinnbildete der später von Davids Sohn Salomo tatsächlich gebaute Tempel etwas von der Gegenwart Gottes und vergegenwärtigte auch die Reihe der David-Nachkommen, angefangen von diesem Salomo, etwas von Gottes Treue – selbst dann noch, wenn sie, diese Repräsentanten durch ihre eigene Schuldgeschichte ihre geistliche Rolle verdunkelten und verrieten, wie das bereits bei diesem Traumkönig Salomo selber geschah.
Aber das Versinnbildete reichte allemal unendlich weit über seine Sinnbilder hinaus. Darum erzählten die ersten Christen den Anfang des Lebens dessen, in dem sie die Gottestreue der Davidsverheißung gemäß buchstäblich bestätigt erfuhren, als wunderbar. Jesus: von einem Engel angekündigt, von einer Jungfrau geboren, als Zimmererskind ein Davidssohn. Kein Unfug, all das. Gesagt will sein: Gott ist uns treu über alles hinweg, was dagegen stehen mag. Wir werden nicht untergehen. Jesus ist das Kronsiegel darauf.
VI
Dürfen wir als denkende, aufgeklärte Zeitgenossen so etwas glauben? Der amerikanische Philosoph William James hat einmal daran erinnert, dass es für uns Menschen nicht bloß Wahrheiten gibt, die man messen, wiegen, berechnen und herleiten kann, sondern auch solche Wahrheiten, denen man auf halbem Weg entgegen gehen muss, um sie zu finden. Charles Taylor, ein kanadischer Philosoph unserer Tage, kommentiert diesen Gedanken von James mit Beispielen, so etwa im Blick auf die Frage von jemandem an seinen Partner, seine Partnerin: Magst du mich oder nicht? Wenn ich – so Taylor – darauf festgelegt bin, dies herauszufinden, indem ich eine Haltung einnehme, die ein Maximum an Distanz und Argwohn beinhaltet, besteht die Gefahr, dass ich die Möglichkeit einer bejahenden Antwort verwirke. Ein entsprechendes Phänomen auf der Ebene der Gesamtgesellschaft ist das soziale Vertrauen; wird man es von vornherein in Frage stellen, dann wird man es zerstören. Und genauso, scheint mir, verhält es sich auf vielfältige Weise mit dem Glauben. Er kann sich nur im bergenden Medium eines Vertrauensvorschusses bewahrheiten, wobei der Glaubende für diesen Vertrauenskredit durchaus gute Gründe haben darf und soll. So auch im Fall unserer Schriftlesungen von heute:
Natan hat David an das erinnert, was Gott in seinem Leben schon getan hatte, um ihn begreifen zu lassen, dass er das Versprochene für wahr halten darf. Für uns gilt das Gleiche. Gott hat mich gewollt. Hat mich ins Herz geschlossen, selbst dann, wenn ich davon gar nichts weiß oder wissen will. Das ist wunderbar. Darum dürfen wir auch glauben, wenn uns gesagt wird: Du wirst nie verloren sein. Das ist der Schlüssel zu dem Fest, das wir in wenigen Tagen begehen.
VII
Doch dieses Auf-halbem-Weg-Entgegen-Gehen fällt uns nicht leicht. Gar nicht. Untrügliches Zeichen dafür ist, dass so Viele gerade an diesen letzten Tagen vor Weihnachten ungeheuer geschäftig werden und Lärm machen. Das ist wie das berühmte Pfeifen im Wald nichts anderes als ein Indiz dafür, dass sie eine Beklemmung erfasst. Aber warum? Weil sie in dem für diese Tage so typischen Gemenge aus Emotionen, Erinnerung, Jahresendgedanken und der abrupten Unterbrechung des Alltags untrüglich spüren, wie wenig von all dem trägt, wofür sie sich tagein tagaus krumm gelegt haben: die kleinen Triumphe über die Konkurrenten, die so gut tun – nichts wert. Das Geleistete, das unsere Ansprüche zu verbürgen hat – unterm Strich nichts wert. Die gute Meinung, die wir von uns selber haben, weil wir doch dies und das getan und jenes gelassen haben – nichts wert. Alles Schall und Rauch. Und wer gäbe dann gern zu, dass er, dass sie nichts vorzuweisen hat und also arm ist?
Genau das aber ist die Hürde, über die wir hinweg müssen in diesem der Weihnachtswahrheit Entgegengehen auf halbem Weg. Denn die sagt doch nichts anderes als: Du brauchst gar nichts, worauf du dir etwas einbilden könntest. Du darfst arm sein. Denn Gott selbst war sich nicht zu gut dafür, auf schlichtweg alles von sich zu verzichten. Er hat gar nicht mehr Gott sein wollen. Darum ist er Mensch geworden, um dir zu sagen, worauf allein es ankommt: auf die Wahrhaftigkeit, dass wir arm sind – und arm sein dürfen: Zwei Hände voll Staub, der Erde vermählt, Gott anvertraut, wie Christine Busta es einmal gesagt hat. Und nur mit dieser Wahrheit in der Seele vermag ein Mensch menschlich zu werden, mit seiner Menschwerdung einverstanden zu sein. Dass wir in diesen letzten Tagen des Advent manchmal an das denken, was einmal für uns wichtig sein wird, indem wir uns erinnern an das, was Jesus wichtig war – das ist es, was ich Ihnen zu Weihnachten wünsche.
Der Schriftsteller Peter Bichsel hat ein Buch mit Kindergeschichten geschrieben. In einer der Geschichten kommt ein alter Mann vor, der sagt: Die Erde ist rund. Das weiß ich. Aber ich glaube es nicht. Und deshalb muss ich es ausprobieren.
II
Dieser Unterschied, den der Alte da macht, dürfte kaum jemandem von uns fremd sein. Es gibt Vieles, was wir wissen, weil wir es gesagt oder gelehrt bekommen. Aber das Wissen bleibt trocken, folgenlos, weil wir nicht glauben, was wir wissen. Das gilt gerade von Dingen, die uns sehr berühren: z. B., wenn es um Liebe oder Eifersucht geht. Der Partner versichert dem andern, dass alles in Ordnung ist, dass kein Grund zur Aufregung besteht. Aber ist je ein Eifersüchtiger davon beruhigt worden? Er muss erfahren, dass wahr ist, was er weiß, weil es ihm gesagt wurde.
III
Mit den wichtigen Dingen des Glaubens verhält es sich nicht anders. Es reicht nicht, von ihnen zu wissen. Man muss etwas von ihnen erfahren haben, um glauben zu können. Für Weihnachten, das wir in ein paar Tagen feiern, gilt das besonders. Sonst hörten wir nur die alte Geschichte vom Krippenkind und dem Drumherum, ohne dass sie uns auch nur von fern beträfe. Interessanterweise kann uns die Lesung aus dem Samuelbuch helfen, die unmittelbare Vorgeschichte von Weihnachten, die uns im heutigen Evangelium erzählt wurde, auf andere Weise zu hören, so dass sie mit unserer Erfahrung zu tun bekommt und wir auch zu glauben wagen dürfen, was verkündet wird.
IV
Dieses alttestamentliche Buch Samuel erzählt uns vom König David. Genauer: Es zeigt ihn uns auf dem Höhepunkt seines Lebens. Er hat seine Feinde niedergeworfen, seine Herrschaft gefestigt und sich einen Palast gebaut. Und jetzt möchte er – wie alle anderen Könige seiner Zeit auch – einen Tempel für Gott errichten, sozusagen als Garantie, dass alles, was er erreicht hat, nun bestehen bleibe. Aber seltsamerweise kommt es dazu nicht. Gott kommt dem David sozusagen zuvor. Dem Propheten Natan wird aufgetragen, David zu verkünden, dass Gott ihm ein Haus bauen, d. h. seiner Familie Bestand geben werde. Für ein Familienoberhaupt damals, erst recht für einen König, konnte es Wunderbareres, Kostbareres nicht geben. Sein eigener Sohn werde ihm nachfolgen, wenn sein Leben einmal zu Ende geht, darf David hören, noch dazu einer, der mit Gott so auf Du und Du stehen wird, dass Gott für ihn Vater und er für ihn wie ein Sohn sein wird. Und auf ewig werde sein Haus bestand haben.
Das war ein Versprechen so groß wie einst dasjenige an Abraham, dass seine Nachkommen so zahlreich sein würden wie die Sterne am Himmel. Durfte David das glauben, was ihm da durch den Propheten zu wissen gegeben war? Gott nimmt auf diese unsere menschliche Not mit den großen, wichtigen Dingen regelrecht Rücksicht. Darum erinnert er durch den Propheten den David anlässlich dieses großen Versprechens daran, was er schon alles an Wunderbarem für ihn getan hat: Ihn, den Hirtenbuben, den jüngsten, also geringsten von sieben Söhnen, von der Weide weggeholt und zum König erwählt; ihn überall begleitet, wohin er ging; ihn stark gemacht gegen alle Gefährdungen – etwa die des eifersüchtigen Königs Saul – und gegen alle Feinde, selbst wenn sie so riesig waren wie ein Goliat. Auf diese erfahrene Treue und Zuneigung darf – ja soll – David sich stützen, wenn er sich fragt, ob er glauben darf, was ihm versprochen wird. Sein eigenes Leben hat ihn schon gelehrt, dass auf Gott Verlass ist. Warum sollte es in Zukunft anders sein – auch wenn das Versprechen alles überbietet, was David bisher erlebt hat mit seinem Gott?
V
Wenn Gott Gott ist und darum auch dieses Versprechen hält, dann wird es nicht einmal dann widerrufen sein, wenn menschlich gesehen alles dagegen spricht, dass es noch erfüllt werden könnte. Aus dieser Überzeugung blieb den gläubigen Juden die Verheißung an David auch dann noch lebendig, als der Davididen-Clan schon längst vergangene Geschichte war. Wenn und weil Gott Gott ist, weiß er zu verwirklichen und wird er verwirklichen, was er zugesagt hatte.
Als eines Tages einer auftrat, aus dessen Reden und Tun manche seiner Zeitgenossen mehr spürten als verstanden, dass er mit Gott verbunden war auf eine Weise, wie sie nicht enger sein konnte und sie sie noch nie erlebt hatten, da fiel ihnen unwillkürlich jenes alte Versprechen ein, dass David einen Nachkommen haben werde, von dem Gott selber durch den Propheten gesagt hatte, er wolle ihm Vater und dieser werde ihm Sohn sein. Und darum erzählen sie später von diesem einen, dass ein Engel – also Gottes Stimme – seine Geburt als die des Thronfolgers Davids verkündete, in dem sich die unbedingte Treue Gottes bestätigte – obwohl er aus Nazaret stammte und mit der Königsfamilie der Davididen so viel zu tun hatte, wie Sie oder ich mit dem heutigen Kaiser von Japan.
Sowenig Gott das Haus braucht, das David ihm bauen wollte, um da zu sein in der Welt, so wenig braucht er die Geschlechterreihe einer Dynastie, um jene Nähe zu schenken, die mit dem biblischen Vater-Sohn-Verhältnis gemeint ist. Natürlich versinnbildete der später von Davids Sohn Salomo tatsächlich gebaute Tempel etwas von der Gegenwart Gottes und vergegenwärtigte auch die Reihe der David-Nachkommen, angefangen von diesem Salomo, etwas von Gottes Treue – selbst dann noch, wenn sie, diese Repräsentanten durch ihre eigene Schuldgeschichte ihre geistliche Rolle verdunkelten und verrieten, wie das bereits bei diesem Traumkönig Salomo selber geschah.
Aber das Versinnbildete reichte allemal unendlich weit über seine Sinnbilder hinaus. Darum erzählten die ersten Christen den Anfang des Lebens dessen, in dem sie die Gottestreue der Davidsverheißung gemäß buchstäblich bestätigt erfuhren, als wunderbar. Jesus: von einem Engel angekündigt, von einer Jungfrau geboren, als Zimmererskind ein Davidssohn. Kein Unfug, all das. Gesagt will sein: Gott ist uns treu über alles hinweg, was dagegen stehen mag. Wir werden nicht untergehen. Jesus ist das Kronsiegel darauf.
VI
Dürfen wir als denkende, aufgeklärte Zeitgenossen so etwas glauben? Der amerikanische Philosoph William James hat einmal daran erinnert, dass es für uns Menschen nicht bloß Wahrheiten gibt, die man messen, wiegen, berechnen und herleiten kann, sondern auch solche Wahrheiten, denen man auf halbem Weg entgegen gehen muss, um sie zu finden. Charles Taylor, ein kanadischer Philosoph unserer Tage, kommentiert diesen Gedanken von James mit Beispielen, so etwa im Blick auf die Frage von jemandem an seinen Partner, seine Partnerin: Magst du mich oder nicht? Wenn ich – so Taylor – darauf festgelegt bin, dies herauszufinden, indem ich eine Haltung einnehme, die ein Maximum an Distanz und Argwohn beinhaltet, besteht die Gefahr, dass ich die Möglichkeit einer bejahenden Antwort verwirke. Ein entsprechendes Phänomen auf der Ebene der Gesamtgesellschaft ist das soziale Vertrauen; wird man es von vornherein in Frage stellen, dann wird man es zerstören. Und genauso, scheint mir, verhält es sich auf vielfältige Weise mit dem Glauben. Er kann sich nur im bergenden Medium eines Vertrauensvorschusses bewahrheiten, wobei der Glaubende für diesen Vertrauenskredit durchaus gute Gründe haben darf und soll. So auch im Fall unserer Schriftlesungen von heute:
Natan hat David an das erinnert, was Gott in seinem Leben schon getan hatte, um ihn begreifen zu lassen, dass er das Versprochene für wahr halten darf. Für uns gilt das Gleiche. Gott hat mich gewollt. Hat mich ins Herz geschlossen, selbst dann, wenn ich davon gar nichts weiß oder wissen will. Das ist wunderbar. Darum dürfen wir auch glauben, wenn uns gesagt wird: Du wirst nie verloren sein. Das ist der Schlüssel zu dem Fest, das wir in wenigen Tagen begehen.
VII
Doch dieses Auf-halbem-Weg-Entgegen-Gehen fällt uns nicht leicht. Gar nicht. Untrügliches Zeichen dafür ist, dass so Viele gerade an diesen letzten Tagen vor Weihnachten ungeheuer geschäftig werden und Lärm machen. Das ist wie das berühmte Pfeifen im Wald nichts anderes als ein Indiz dafür, dass sie eine Beklemmung erfasst. Aber warum? Weil sie in dem für diese Tage so typischen Gemenge aus Emotionen, Erinnerung, Jahresendgedanken und der abrupten Unterbrechung des Alltags untrüglich spüren, wie wenig von all dem trägt, wofür sie sich tagein tagaus krumm gelegt haben: die kleinen Triumphe über die Konkurrenten, die so gut tun – nichts wert. Das Geleistete, das unsere Ansprüche zu verbürgen hat – unterm Strich nichts wert. Die gute Meinung, die wir von uns selber haben, weil wir doch dies und das getan und jenes gelassen haben – nichts wert. Alles Schall und Rauch. Und wer gäbe dann gern zu, dass er, dass sie nichts vorzuweisen hat und also arm ist?
Genau das aber ist die Hürde, über die wir hinweg müssen in diesem der Weihnachtswahrheit Entgegengehen auf halbem Weg. Denn die sagt doch nichts anderes als: Du brauchst gar nichts, worauf du dir etwas einbilden könntest. Du darfst arm sein. Denn Gott selbst war sich nicht zu gut dafür, auf schlichtweg alles von sich zu verzichten. Er hat gar nicht mehr Gott sein wollen. Darum ist er Mensch geworden, um dir zu sagen, worauf allein es ankommt: auf die Wahrhaftigkeit, dass wir arm sind – und arm sein dürfen: Zwei Hände voll Staub, der Erde vermählt, Gott anvertraut, wie Christine Busta es einmal gesagt hat. Und nur mit dieser Wahrheit in der Seele vermag ein Mensch menschlich zu werden, mit seiner Menschwerdung einverstanden zu sein. Dass wir in diesen letzten Tagen des Advent manchmal an das denken, was einmal für uns wichtig sein wird, indem wir uns erinnern an das, was Jesus wichtig war – das ist es, was ich Ihnen zu Weihnachten wünsche.