Was der Geist tut
Pfingstsonntag B: Gal 5, 16-25(26)
I.
Heute ist der 50. Tag nach dem Ostermorgen. Mit ihm vollenden wir das Osterfest. So wie die Juden 50 Tage nach Pesach ein Erntefest feierten und feiern, so feiern die Christen 50 Tage nach Tod und Auferstehung sozusagen was ihnen Ostern an Früchten einbringt: Eine neue Welt und ein neues Leben, beseelt und durchwirkt von Gottes eigenem Geist. Eine Welt und ein Leben also, die nicht mehr gegen Gott stehen, sondern in denen Gott selber gegenwärtig wird.
II.
Dieses Neue ist nicht bloß etwas Innerliches. Es hat eine Außenseite. Und die heißt Kirche. Pfingsten ist darum auch so etwas wie der Geburtstag der Kirche. Kirche entsteht dadurch, dass Menschen die Einladung Gottes zu einem neuen Leben annehmen. Darum ist Kirche etwas Besonderes: Sie ist von Gott geschenkt und zugleich von Menschen verwirklicht. Kirche ist etwas Einmaliges. Und wir sind dabei.
III.
Und doch ist es mit der Kirche manchmal ein Kreuz. Eigentlich muss ich sagen: Mit den Kirchen ist es ein Kreuz, aber das ist ja schon das Erste und Schlimmste an diesem Kreuz, dass es mehrere Kirchen gibt, die sich voneinander abgespalten haben. Ein Kreuz mit der Kirche entsteht immer dann, wenn sich jene menschliche Seite an ihr irgendwie selbständig macht. Wenn Ursprung, Sinn und Ziel verdunkelt werden oder verloren gehen. Ist das passiert, tut Besinnung not. Wie wenn man in einen Spiegel schaut und sich kritisch prüft.
IV.
Solche Spiegel haben wir Christen eine ganze Reihe. Duzende von Seiten des Neuen, viele auch des Alten Testaments sind nichts anderes: Spiegel, die sichtbar machen, wie Gott die Kirche gemeint hat – und wie sie ist. Auf besondere Weise gilt das von dem Stück aus dem Galaterbrief, das wir eben gehört haben. Auf besondere Weise deshalb, weil Paulus in diesen Zeilen zwar vom Tun und lassen des einzelnen Christen spricht, aber das so tut, dass daraus für die Kirchen ein Spiegel, ein kritischer Spiegel wird.
V.
Die ganze Kritik des Apostels steckt dabei im ersten Wort, das er über den Geist sagt: Die Frucht des Geistes ... – Frucht des Geistes: Einzahl. Unmittelbar davor hatte er den Galatern die Werke des Fleisches, des gottfremden, darum in ein Vielerlei zersplitterten und Menschen untereinander in die Zersplitterung treibenden Daseins – ja – um die Ohren gehauen: Feindschaft, Streit, Eifersucht, Eigennutz, Spaltungen, Parteiungen, um nur ein paar der paulinischen Beispiele zu nennen. Diese Vielzahl, deren jede aus sich nichts anderes vermag, als Trennung, Chaos, Durcheinander zu erzeugen – Durcheinanderwerfer heißt auf griechisch diabolos, Teufel –, diesem Vielerlei stellt Paulus die Frucht des Geistes entgegen. Nur eine gibt es. Gewiss beschreibt sie der Apostel als in sich mehrfältig. Aber – spiegelverkehrt zu den Werken des Fleisches sozusagen – jede ihrer Faltungen, ihrer Weisen wirkt auf Einheit hin:
Am meisten tut das, was Paulus an erster Stelle Frucht des Geistes nennt: Die Liebe. „Ich will, dass du bist“, heiße Liebe, sagte der Hl. Augustinus einmal. Wenn „ich“ will, dass „du“ bist, dann soll es außer mir noch eine, einen anderen geben, den oder die ich als andere anerkenne, gelten lasse. Oder anders gesagt: Im Wollen, dass der, die andere sie selbst seien, nehme ich mich zurück, dass sich mein Gegenüber entfalten kann. Und dann stehen das „ich“ und das „du“ nebeneinander, aber einander zugewandt. Das ist eine Weise eins zu sein.
Nach der Liebe nennt der Apostel die Freude. Wenn der Geist Menschen erfüllt, können sie nicht anders, als sich zu freuen. Wer sich freut, mag andern Anteil geben an seiner Freude. Fehlt die Freude, schaut jeder nur noch auf das Seine. Immer so fängt Spaltung an. Alle Kirchenspaltungen der Geschichte haben mit freudloser Verbiesterung angefangen. Und genauso ist es unter Partnern, Kollegen oder Freunden.
Statt Freude Fanatismus. An Friede ist dann nicht mehr zu denken, das ist des Apostels dritter Name für die Frucht des Geistes. In Verlängerung des alttestamentlichen Inbegriffs dafür, dass alles recht ist zwischen Gott und Welt und mit dem Leben – shalom – nennt Paulus den Frieden in seinem Tugendkatalog, weil Gemeinde als Gemeinde Christi nichts anders sein kann als Quelle und Stätte von Frieden – oder sie wäre nicht Gemeinde Christi, wenn er doch in Person der Friede ist. Wo der Geist sie bestimmt, wird Gemeinde, wird Kirche sein, was sie sein kann. Alles Zerwürfnis – horizontal unter Gemeindegliedern genauso wie vertikal zwischen Trägern von Leitungsdiensten, griechisch Episkopoi, also Bischöfen, und ihren Bistümern, was es ja auch geben soll – kann seine Wurzel immer nur im Fehlen des Geistes haben. Dann wird es geistlos und Ungeist macht sich breit. Immer im Innersten, dort wo der Geist wohnt oder eben nicht wohnt, nimmt alles seinen Anfang.
VI.
Bei all dieser Innerlichkeit vergaß Paulus freilich die praktische Seite des gemeindlichen Miteinanders nicht: Wenn wir aus dem Geist leben, dann wollen wir dem Geist auch folgen, sagt er, und begründet so, was Christen zu sein hätten aus dem, was sie durch den Geist schon sind. All die Tugenden, die der Apostel den Galatern nach der dreifach-einen Beschreibung der Frucht des Geistes als Liebe-Freude-Friede noch ans Herz legt, die sind dieser praktischen Seite gewidmet. Sie sagen, wie die Liebe, wie der Friede, wie die Freude, die uns kraft unserer Taufe schon bestimmen, – wie die werden, was sie sind:
Die Langmut braucht es dafür: In ihr sucht Gottes Geduld mit uns Sündern ihr Echo. Wir dürfen miteinander geduldig sein, wie er es mit uns ist. – Die Freundlichkeit und die Güte – das Einander-gut-Sein. Ohne es schenken wir einander keine Geduld. Treue gehört dazu, diese Verlässlichkeit, die zum innersten Geheimnis unseres Gottes gehört. Ohne sie stünde jedes der großen Worte des Glaubens – auch das von der Frucht des Geistes – in Gefahr, zur Illusion zu verkommen. Und auch die Sanftmut und die Selbstbeherrschung fügt der Apostel hinzu: Sie sind das Gegenteil von Überheblichkeit, von Ungestüm und Zorn. Sie alle zusammen helfen uns, dem Geist auch zu folgen, aus dem wir schon leben.
VII.
Den praktischen Anfang zu solchem Leben im Geist macht, wer beherzigt, womit Paulus seine Predigt über die Tugenden beschließt: Wir wollen nicht prahlen, keine Gottes-Protze sein, wie das Max Frisch einmal formulierte, also jemand, der sich über das Heilige und Geistliche buchstäblich hermacht; und wir wollen nicht miteinander streiten und einander nichts nachtragen. So tragen wir dazu bei, dass Pfingsten wahr bleibt und wahr wird. Und dann sind wir, egal wo wir sind, Gottes Kirche.
Heute ist der 50. Tag nach dem Ostermorgen. Mit ihm vollenden wir das Osterfest. So wie die Juden 50 Tage nach Pesach ein Erntefest feierten und feiern, so feiern die Christen 50 Tage nach Tod und Auferstehung sozusagen was ihnen Ostern an Früchten einbringt: Eine neue Welt und ein neues Leben, beseelt und durchwirkt von Gottes eigenem Geist. Eine Welt und ein Leben also, die nicht mehr gegen Gott stehen, sondern in denen Gott selber gegenwärtig wird.
II.
Dieses Neue ist nicht bloß etwas Innerliches. Es hat eine Außenseite. Und die heißt Kirche. Pfingsten ist darum auch so etwas wie der Geburtstag der Kirche. Kirche entsteht dadurch, dass Menschen die Einladung Gottes zu einem neuen Leben annehmen. Darum ist Kirche etwas Besonderes: Sie ist von Gott geschenkt und zugleich von Menschen verwirklicht. Kirche ist etwas Einmaliges. Und wir sind dabei.
III.
Und doch ist es mit der Kirche manchmal ein Kreuz. Eigentlich muss ich sagen: Mit den Kirchen ist es ein Kreuz, aber das ist ja schon das Erste und Schlimmste an diesem Kreuz, dass es mehrere Kirchen gibt, die sich voneinander abgespalten haben. Ein Kreuz mit der Kirche entsteht immer dann, wenn sich jene menschliche Seite an ihr irgendwie selbständig macht. Wenn Ursprung, Sinn und Ziel verdunkelt werden oder verloren gehen. Ist das passiert, tut Besinnung not. Wie wenn man in einen Spiegel schaut und sich kritisch prüft.
IV.
Solche Spiegel haben wir Christen eine ganze Reihe. Duzende von Seiten des Neuen, viele auch des Alten Testaments sind nichts anderes: Spiegel, die sichtbar machen, wie Gott die Kirche gemeint hat – und wie sie ist. Auf besondere Weise gilt das von dem Stück aus dem Galaterbrief, das wir eben gehört haben. Auf besondere Weise deshalb, weil Paulus in diesen Zeilen zwar vom Tun und lassen des einzelnen Christen spricht, aber das so tut, dass daraus für die Kirchen ein Spiegel, ein kritischer Spiegel wird.
V.
Die ganze Kritik des Apostels steckt dabei im ersten Wort, das er über den Geist sagt: Die Frucht des Geistes ... – Frucht des Geistes: Einzahl. Unmittelbar davor hatte er den Galatern die Werke des Fleisches, des gottfremden, darum in ein Vielerlei zersplitterten und Menschen untereinander in die Zersplitterung treibenden Daseins – ja – um die Ohren gehauen: Feindschaft, Streit, Eifersucht, Eigennutz, Spaltungen, Parteiungen, um nur ein paar der paulinischen Beispiele zu nennen. Diese Vielzahl, deren jede aus sich nichts anderes vermag, als Trennung, Chaos, Durcheinander zu erzeugen – Durcheinanderwerfer heißt auf griechisch diabolos, Teufel –, diesem Vielerlei stellt Paulus die Frucht des Geistes entgegen. Nur eine gibt es. Gewiss beschreibt sie der Apostel als in sich mehrfältig. Aber – spiegelverkehrt zu den Werken des Fleisches sozusagen – jede ihrer Faltungen, ihrer Weisen wirkt auf Einheit hin:
Am meisten tut das, was Paulus an erster Stelle Frucht des Geistes nennt: Die Liebe. „Ich will, dass du bist“, heiße Liebe, sagte der Hl. Augustinus einmal. Wenn „ich“ will, dass „du“ bist, dann soll es außer mir noch eine, einen anderen geben, den oder die ich als andere anerkenne, gelten lasse. Oder anders gesagt: Im Wollen, dass der, die andere sie selbst seien, nehme ich mich zurück, dass sich mein Gegenüber entfalten kann. Und dann stehen das „ich“ und das „du“ nebeneinander, aber einander zugewandt. Das ist eine Weise eins zu sein.
Nach der Liebe nennt der Apostel die Freude. Wenn der Geist Menschen erfüllt, können sie nicht anders, als sich zu freuen. Wer sich freut, mag andern Anteil geben an seiner Freude. Fehlt die Freude, schaut jeder nur noch auf das Seine. Immer so fängt Spaltung an. Alle Kirchenspaltungen der Geschichte haben mit freudloser Verbiesterung angefangen. Und genauso ist es unter Partnern, Kollegen oder Freunden.
Statt Freude Fanatismus. An Friede ist dann nicht mehr zu denken, das ist des Apostels dritter Name für die Frucht des Geistes. In Verlängerung des alttestamentlichen Inbegriffs dafür, dass alles recht ist zwischen Gott und Welt und mit dem Leben – shalom – nennt Paulus den Frieden in seinem Tugendkatalog, weil Gemeinde als Gemeinde Christi nichts anders sein kann als Quelle und Stätte von Frieden – oder sie wäre nicht Gemeinde Christi, wenn er doch in Person der Friede ist. Wo der Geist sie bestimmt, wird Gemeinde, wird Kirche sein, was sie sein kann. Alles Zerwürfnis – horizontal unter Gemeindegliedern genauso wie vertikal zwischen Trägern von Leitungsdiensten, griechisch Episkopoi, also Bischöfen, und ihren Bistümern, was es ja auch geben soll – kann seine Wurzel immer nur im Fehlen des Geistes haben. Dann wird es geistlos und Ungeist macht sich breit. Immer im Innersten, dort wo der Geist wohnt oder eben nicht wohnt, nimmt alles seinen Anfang.
VI.
Bei all dieser Innerlichkeit vergaß Paulus freilich die praktische Seite des gemeindlichen Miteinanders nicht: Wenn wir aus dem Geist leben, dann wollen wir dem Geist auch folgen, sagt er, und begründet so, was Christen zu sein hätten aus dem, was sie durch den Geist schon sind. All die Tugenden, die der Apostel den Galatern nach der dreifach-einen Beschreibung der Frucht des Geistes als Liebe-Freude-Friede noch ans Herz legt, die sind dieser praktischen Seite gewidmet. Sie sagen, wie die Liebe, wie der Friede, wie die Freude, die uns kraft unserer Taufe schon bestimmen, – wie die werden, was sie sind:
Die Langmut braucht es dafür: In ihr sucht Gottes Geduld mit uns Sündern ihr Echo. Wir dürfen miteinander geduldig sein, wie er es mit uns ist. – Die Freundlichkeit und die Güte – das Einander-gut-Sein. Ohne es schenken wir einander keine Geduld. Treue gehört dazu, diese Verlässlichkeit, die zum innersten Geheimnis unseres Gottes gehört. Ohne sie stünde jedes der großen Worte des Glaubens – auch das von der Frucht des Geistes – in Gefahr, zur Illusion zu verkommen. Und auch die Sanftmut und die Selbstbeherrschung fügt der Apostel hinzu: Sie sind das Gegenteil von Überheblichkeit, von Ungestüm und Zorn. Sie alle zusammen helfen uns, dem Geist auch zu folgen, aus dem wir schon leben.
VII.
Den praktischen Anfang zu solchem Leben im Geist macht, wer beherzigt, womit Paulus seine Predigt über die Tugenden beschließt: Wir wollen nicht prahlen, keine Gottes-Protze sein, wie das Max Frisch einmal formulierte, also jemand, der sich über das Heilige und Geistliche buchstäblich hermacht; und wir wollen nicht miteinander streiten und einander nichts nachtragen. So tragen wir dazu bei, dass Pfingsten wahr bleibt und wahr wird. Und dann sind wir, egal wo wir sind, Gottes Kirche.