Mystagogische Zeichenpredigt zu Feuer und Wasser - Unser Ursprung
Osternacht B
I.
Der erste Wochentag nach dem Karfreitag ist schuld, dass wir in dieser Nacht versammelt sind. Er ist schuld, dass wir alle sieben Tage einen Sonntag halten. Er ist schuld, dass wir uns Christen und Christinnen nennen. Er ist schuld, dass es Kirchen gibt. Er ist schuld, dass auch heute noch Menschen ihr Leben ganz unter das Wort Jesu von Nazaret stellen; dass sie leben, wie er gelebt hat, dass sie das Gottvertrauen riskieren, in dem er Stand gefasst hatte, dass sie die Liebenswürdigkeit und Güte aufbringen, die er ausstrahlte.
II.
Was ist es um diese Nacht und den anbrechenden Morgen, die wir Ostern nennen? Eigentlich ganz einfach: Ostern ist die gottgeschenkte Wiederentdeckung und Besiegelung einer uralten Wahrheit, die schon am Schöpfungsmorgen galt: der Wahrheit, dass Gott der unbedingt Verlässliche, der Treue ist. Unbedingt meint: Niemanden gibt es und nichts, – Leid nicht, Versagen nicht, Schmerz nicht, und nicht einmal den Tod –, nichts gibt es, was die Zuneigung zerstören könnte, die er uns schenkt. Ostern heißt: Ich darf – wie Jesus – sogar dann noch, wenn ich einmal sterbe, absolut gewiss sein, dass Gott mich gerade in der Stunde, da ich an meine letzte Grenze komme, da ich nichts mehr machen kann, – dass er mich da – und gerade da – festhalten wird. Diese Gewissheit lässt uns gelassen sein in allem, was unsere Lebtage bringen mögen: Wir verlieren Menschen und Dinge, die uns am Herzen liegen; wir erleiden Rückschläge auf dem Weg, den wir uns vorgenommen haben; wir kommen mit uns nicht so zurecht, wie eigentlich geplant; ja: Wir bleiben hinter all dem zurück, was wir uns selber zugedacht, was wir uns erträumt haben. Und doch ist alles, was wir tun und leiden, nicht umsonst. Gott weiß es zu schätzen. Weil er für uns ist und zu uns steht. Immer. Und am allermeisten dort, wo wir selber nicht mehr weiter können – und das anerkennen.
Ostern heißt: Ich kann mich buchstäblich loslassen – und doch falle ich nicht. Das gibt mir aufrechten Gang auch dort noch, wo ich mir erbärmlich vorkomme – und erbärmlich bin. In Gott gibt es ein Aufstehen sogar dort noch, wo Schuld mein Leben niederdrückt, denn: Wenn ich vertraue, dass menschliches Leben und Sterben von Gottes Hand umfangen sind, dann darf ich mich – im reuigen und hoffenden Wissen um eben dies – auch dort noch Gott angetraut wissen, wo ich für Leben und Sterben verantwortlich zeichne, das eigene sowieso und möglicherweise auch das anderer. So stellt er mich frei von allem, was über mein Vermögen geht. Deshalb beginnt des Glaubenden Auferweckung – ganz wie Paulus das sagt – zu Lebzeiten schon. Und darum singen wir heute: Halleluja – gepriesen sei Gott.
III.
Eben dies drücken auch die zwei großen Sinnbilder der Osternacht aus: Das eine ist das Licht der Osterkerze. Früher hat man das Feuer, mit dem man dieses Licht entzündet hat, aus Stein geschlagen. So ist deutlich geworden: Gerade aus dem, was kalt und hart und tot scheint, geht eine lebendige Macht hervor – eine Kraft, die reinigt und Untaugliches ausbrennt und umschmilzt und hell und warm macht. Zugleich erinnert das Feuer, das die Nacht erhellt, an die Flamme der Sehnsucht nach dem unvergänglichen Licht in des Menschen Seele, jenem Licht, das nie mehr erlischt. Nicht umsonst haben wir unmittelbar vor dem Entzünden der Osterkerze die Zahlzeichen des gegenwärtigen Jahres in den Wachs zwischen ein Alpha und ein Omega geritzt, das Zeitjahr gleichsam der Ewigkeit eingeschrieben – eine gestische Bitte, dass unsere kleine Lebensspanne unverlierbar eingeborgen sei in den, der Zeit und Ewigkeit in seinen Händen hält. Und die fünf Wundmale, die die Kerze im Sinnbild der Wachsnägel trägt, erinnern daran, dass auch alles im Leben Ertragende und Erlittene Platz hat bei dem, der selbst noch ein Sterben ins Lichtzeichen seiner Herrlichkeit zu wandeln vermag.
Und dann das zweite große Zeichen, das Wasser: So wie Lebendiges hervorgeht, wenn Wasser auf dürren Erdboden fällt, genauso entfaltet sich unser Leben, wenn Gottes Kraft in uns eindringt durch unser Vertrauen in ihn. Das Segensgebet gleich hernach wird uns erinnern, wie schon für Vorfahren im Glauben durch ihre Geschichte hindurch das Wasser ein Segenszeichen war: bei der Sintflut, die das Böse vernichtet und einen Neuanfang schenkt, beim Durchzug durch das Rote Meer, bei Jesu Taufe am Jordan, da er hinabtaucht in den Abgrund, um allem aufzuhelfen, was gefallen ist, und am Kreuz, wo Blut und Wasser aus der geöffneten Seitenwunde fließen – Vorausbild der heiligen Zeichen der Taufe und der Eucharistie, die uns in Christus mit Gott und untereinander zur Gemeinschaft der Kirche verbinden.
Wenn wir gleich hernach unser Taufbekenntnis erneuern und ich sie mit dem Osterwasser besprenge, dann denken Sie daran: Gottes Kraft, das Leben selbst durchdringt mich. Das macht mich stark zu leben, also: ich zu sein, wo immer ich bin und was immer ich tue. Wenn ich der Botschaft vom Auferstandenen traue, kann ich selbst aufrecht gehen auch dort, wo ich schuldig geworden bin. Denn Gott steht zu mir unbedingt und schenkt mir darum ein neues Beginnen inmitten des Weglosen, in das ich mich – menschlich gesehen – manchmal verrenne. Gerade so, wie Gott auch noch das Sterben Jesu zum Sinnbild und Siegel eines neuen Anfangs mit ihm – und mit uns selbst – gemacht hat. Wenn wir beim Segensgebet über das Wasser gegen Ende die Osterkerze ins Wasser tauchen, da wird die Flamme über dem Wasser geradezu ein Inbild des Geistes, der am Schöpfungsmorgen über den Wassern der Urflut schwebte. Das erinnert uns an die ersten Verse der Bibel und meint: Gott wird es nie müde, neu anzufangen mit uns, wie wenn wir gerade die Augen aufgeschlagen hätten.
IV.
Wer Ostern begeht, feiert jedes Mal seinen geistlichen Geburtstag, von dem sie oder er gewiss sein darf, dass er nicht der letzte gewesen sein wird. Denn jedes irdische Ostern ist Vorschein dessen, was Gott für uns bereithält seit Anbeginn und ohne es je zu widerrufen. Huub Osterhuis, der große geistliche Dichter, hat in einem seiner Lieder das Ganze dieser Gottestreue von Anfang zu Anfang in einen einzigen Wurf gefasst:
Der Chaos schuf zu Menschenland,
Der Menschen hier zusammenband,
Er schrieb sein Wort, gegeben
zum Schutz für unser Leben.
Er schrieb uns frei mit eigner Hand.
…
Das Buch, das jeden Namen nennt,
Gesichter, Seelen, Menschen kennt,
die Liebe so lebendig,
die Liebe, so vergänglich,
die Wehn, die nie zu Ende gehen.
…
Sein unvergänglich Testament:
dass er uns auch im Tod noch kennt –
die Tage, die wir leben,
zum Tode aufgeschrieben,
zum ewig Leben umgewendt’.
…
Was für eine Verheißung! Gott blättert die letzte Seite unseres Lebensbuches um – und auf der Kehrseite des Vergangenen steht wie auf Goldgrund geschrieben: Ewiges Leben. So ist er, der da ist und bleibt. Der Ostermorgen jetzt ist sein Unterpfand dafür.
Der erste Wochentag nach dem Karfreitag ist schuld, dass wir in dieser Nacht versammelt sind. Er ist schuld, dass wir alle sieben Tage einen Sonntag halten. Er ist schuld, dass wir uns Christen und Christinnen nennen. Er ist schuld, dass es Kirchen gibt. Er ist schuld, dass auch heute noch Menschen ihr Leben ganz unter das Wort Jesu von Nazaret stellen; dass sie leben, wie er gelebt hat, dass sie das Gottvertrauen riskieren, in dem er Stand gefasst hatte, dass sie die Liebenswürdigkeit und Güte aufbringen, die er ausstrahlte.
II.
Was ist es um diese Nacht und den anbrechenden Morgen, die wir Ostern nennen? Eigentlich ganz einfach: Ostern ist die gottgeschenkte Wiederentdeckung und Besiegelung einer uralten Wahrheit, die schon am Schöpfungsmorgen galt: der Wahrheit, dass Gott der unbedingt Verlässliche, der Treue ist. Unbedingt meint: Niemanden gibt es und nichts, – Leid nicht, Versagen nicht, Schmerz nicht, und nicht einmal den Tod –, nichts gibt es, was die Zuneigung zerstören könnte, die er uns schenkt. Ostern heißt: Ich darf – wie Jesus – sogar dann noch, wenn ich einmal sterbe, absolut gewiss sein, dass Gott mich gerade in der Stunde, da ich an meine letzte Grenze komme, da ich nichts mehr machen kann, – dass er mich da – und gerade da – festhalten wird. Diese Gewissheit lässt uns gelassen sein in allem, was unsere Lebtage bringen mögen: Wir verlieren Menschen und Dinge, die uns am Herzen liegen; wir erleiden Rückschläge auf dem Weg, den wir uns vorgenommen haben; wir kommen mit uns nicht so zurecht, wie eigentlich geplant; ja: Wir bleiben hinter all dem zurück, was wir uns selber zugedacht, was wir uns erträumt haben. Und doch ist alles, was wir tun und leiden, nicht umsonst. Gott weiß es zu schätzen. Weil er für uns ist und zu uns steht. Immer. Und am allermeisten dort, wo wir selber nicht mehr weiter können – und das anerkennen.
Ostern heißt: Ich kann mich buchstäblich loslassen – und doch falle ich nicht. Das gibt mir aufrechten Gang auch dort noch, wo ich mir erbärmlich vorkomme – und erbärmlich bin. In Gott gibt es ein Aufstehen sogar dort noch, wo Schuld mein Leben niederdrückt, denn: Wenn ich vertraue, dass menschliches Leben und Sterben von Gottes Hand umfangen sind, dann darf ich mich – im reuigen und hoffenden Wissen um eben dies – auch dort noch Gott angetraut wissen, wo ich für Leben und Sterben verantwortlich zeichne, das eigene sowieso und möglicherweise auch das anderer. So stellt er mich frei von allem, was über mein Vermögen geht. Deshalb beginnt des Glaubenden Auferweckung – ganz wie Paulus das sagt – zu Lebzeiten schon. Und darum singen wir heute: Halleluja – gepriesen sei Gott.
III.
Eben dies drücken auch die zwei großen Sinnbilder der Osternacht aus: Das eine ist das Licht der Osterkerze. Früher hat man das Feuer, mit dem man dieses Licht entzündet hat, aus Stein geschlagen. So ist deutlich geworden: Gerade aus dem, was kalt und hart und tot scheint, geht eine lebendige Macht hervor – eine Kraft, die reinigt und Untaugliches ausbrennt und umschmilzt und hell und warm macht. Zugleich erinnert das Feuer, das die Nacht erhellt, an die Flamme der Sehnsucht nach dem unvergänglichen Licht in des Menschen Seele, jenem Licht, das nie mehr erlischt. Nicht umsonst haben wir unmittelbar vor dem Entzünden der Osterkerze die Zahlzeichen des gegenwärtigen Jahres in den Wachs zwischen ein Alpha und ein Omega geritzt, das Zeitjahr gleichsam der Ewigkeit eingeschrieben – eine gestische Bitte, dass unsere kleine Lebensspanne unverlierbar eingeborgen sei in den, der Zeit und Ewigkeit in seinen Händen hält. Und die fünf Wundmale, die die Kerze im Sinnbild der Wachsnägel trägt, erinnern daran, dass auch alles im Leben Ertragende und Erlittene Platz hat bei dem, der selbst noch ein Sterben ins Lichtzeichen seiner Herrlichkeit zu wandeln vermag.
Und dann das zweite große Zeichen, das Wasser: So wie Lebendiges hervorgeht, wenn Wasser auf dürren Erdboden fällt, genauso entfaltet sich unser Leben, wenn Gottes Kraft in uns eindringt durch unser Vertrauen in ihn. Das Segensgebet gleich hernach wird uns erinnern, wie schon für Vorfahren im Glauben durch ihre Geschichte hindurch das Wasser ein Segenszeichen war: bei der Sintflut, die das Böse vernichtet und einen Neuanfang schenkt, beim Durchzug durch das Rote Meer, bei Jesu Taufe am Jordan, da er hinabtaucht in den Abgrund, um allem aufzuhelfen, was gefallen ist, und am Kreuz, wo Blut und Wasser aus der geöffneten Seitenwunde fließen – Vorausbild der heiligen Zeichen der Taufe und der Eucharistie, die uns in Christus mit Gott und untereinander zur Gemeinschaft der Kirche verbinden.
Wenn wir gleich hernach unser Taufbekenntnis erneuern und ich sie mit dem Osterwasser besprenge, dann denken Sie daran: Gottes Kraft, das Leben selbst durchdringt mich. Das macht mich stark zu leben, also: ich zu sein, wo immer ich bin und was immer ich tue. Wenn ich der Botschaft vom Auferstandenen traue, kann ich selbst aufrecht gehen auch dort, wo ich schuldig geworden bin. Denn Gott steht zu mir unbedingt und schenkt mir darum ein neues Beginnen inmitten des Weglosen, in das ich mich – menschlich gesehen – manchmal verrenne. Gerade so, wie Gott auch noch das Sterben Jesu zum Sinnbild und Siegel eines neuen Anfangs mit ihm – und mit uns selbst – gemacht hat. Wenn wir beim Segensgebet über das Wasser gegen Ende die Osterkerze ins Wasser tauchen, da wird die Flamme über dem Wasser geradezu ein Inbild des Geistes, der am Schöpfungsmorgen über den Wassern der Urflut schwebte. Das erinnert uns an die ersten Verse der Bibel und meint: Gott wird es nie müde, neu anzufangen mit uns, wie wenn wir gerade die Augen aufgeschlagen hätten.
IV.
Wer Ostern begeht, feiert jedes Mal seinen geistlichen Geburtstag, von dem sie oder er gewiss sein darf, dass er nicht der letzte gewesen sein wird. Denn jedes irdische Ostern ist Vorschein dessen, was Gott für uns bereithält seit Anbeginn und ohne es je zu widerrufen. Huub Osterhuis, der große geistliche Dichter, hat in einem seiner Lieder das Ganze dieser Gottestreue von Anfang zu Anfang in einen einzigen Wurf gefasst:
Der Chaos schuf zu Menschenland,
Der Menschen hier zusammenband,
Er schrieb sein Wort, gegeben
zum Schutz für unser Leben.
Er schrieb uns frei mit eigner Hand.
…
Das Buch, das jeden Namen nennt,
Gesichter, Seelen, Menschen kennt,
die Liebe so lebendig,
die Liebe, so vergänglich,
die Wehn, die nie zu Ende gehen.
…
Sein unvergänglich Testament:
dass er uns auch im Tod noch kennt –
die Tage, die wir leben,
zum Tode aufgeschrieben,
zum ewig Leben umgewendt’.
…
Was für eine Verheißung! Gott blättert die letzte Seite unseres Lebensbuches um – und auf der Kehrseite des Vergangenen steht wie auf Goldgrund geschrieben: Ewiges Leben. So ist er, der da ist und bleibt. Der Ostermorgen jetzt ist sein Unterpfand dafür.