Fest der Wandlung

Eucharistiefeier in der Burse zur Vorbereitung auf Fronleichnam B: 1 Kor 11, 23-26

I.
Übermorgen feiern katholische Christen Fronleichnam. Sie sagen feierlich Dank dafür, dass der Herr nicht nur in der Erinnerung, nicht nur in den Worten des Evangeliums, sondern auch in seinem Zeichen bei ihnen bleiben wollte, das man mit Sinnen wahrnehmen kann. Nach seinem Auftrag nehmen wir bis heute Brot und Wein, sprechen im geistlichen Raum der Gemeinde das Dankgebet darüber und empfangen beides als Leib und Blut Christi wieder. Aber am Fronleichnamstag begehen viele Christen dieses Sakrament nicht nur so wie an einem Sonn- oder Feiertag sonst. Sie gehen stattdessen hinaus, feiern irgendwo in der Gemeinde unter freiem Himmel Eucharistie, und dann ziehen sie – das Zeichen des Heiligen Brotes in ihrer Mitte – über die geschmückten Straßen und Plätze zum Gotteshaus, um dort den feierlichen Segen zu empfangen. In manchen Gegenden kennt man bis heute bei der Prozession vier Altäre, von denen aus die Gegenwart des Herrn und mit ihr der Segen Gottes gleichsam über die vier Himmelsrichtungen, also über die ganze Erde ausgebreitet wird.

II.
Diese Gesten – die Prozession, das festliche In-die-Welt-Hineingehen mit Christus, der alles umfassende Segen –, all das ist nicht bloß fromme Zutat. Es versinnbildet vielmehr etwas von der Innenseite dessen, was wir Sonntag für Sonntag tun: von der Eucharistiefeier. Mehr noch als heute war früher geläufig, dass die Heilige Messe ihren Mittel- und Höhepunkt nicht in der Predigt und auch nicht in der Kommunion hat, sondern: in der Wandlung. Wenn wir im Auftrag Christi Brot und Wein nehmen und sprechen: das ist mein Leib; das ist mein Blut –, dann machen da nicht wir Menschen etwas, sondern: Gott ergreift ein kleines Stück dieser Welt und macht sich gegenwärtig darin. An diesen sichtbaren Dingen scheint vor den Augen der Glaubenden auf, wer er ist und wie er ist: lebensspendend wie Brot und Grund zu festlicher Freude wie der Wein.
Was Brot und Wein durch die Wandlung auf dem Altar werden, das wollen sie nicht für sich bleiben. Gott will nicht nur in diesen kleinen Stücken unserer Welt gegenwärtig sein, sondern alles, was es gibt, soll mehr und mehr Zeichen, Verheißung, Ort seiner Gegenwart werden. Die Wandlung von Brot und Wein auf dem Altar ist nur ein Anfang. Die Wandlung will weitergehen in der Verwandlung der Christinnen und Christen, der Kirche, der ganzen Welt, auf dass – wie die Heilige Schrift sagt – Gott alles in allem sei; dass jedes Staubkorn der Schöpfung, jeder Atemzug der Geschöpfe von Gott rede und so ihm ganz verbunden sei.
Dieser Fortschritt der Wandlung von Brot und Wein zu Verwandlung der Welt beginnt mit unserer Kommunion bei der Messe. Christus geht dabei in uns ein, um uns christusförmig zu machen, d.h. zu Menschen, die so in Gottes Gegenwart leben und sie so bezeugen, wie er in ihr gelebt und sie bezeugt hat. Und dann soll diese Verwandlung weitergehen, soll überspringen auf unseren Alltag, unsere Häuser, unsere Arbeit, auf das öffentliche Leben, auf unsere ganze Menschenwelt –, so dass alles und alle hineingezogen werden in die Gottverbundenheit Jesu: das meinen heute an Fronleichnam die geschmückten Häuser, die Prozession, der Segen in aller vier Winde. So machen wir vorwegnehmend sichtbar, wie es einmal sein wird mit der Welt und allem, was zu ihr gehört.

III.
Fronleichnam ist also ein progressives Fest. Es hat mit Fortschritt zu tun – dem der Wandlung –, es schaut nach vorn, zu dem, was sein wird. Gegen Fortschrittliches gibt es immer Widerstände. Widerstände in der Seele des Einzelnen nicht anders wie in der Kirche als ganzer. Der Dichter Lothar Zenetti hat das einmal so gesagt:

Frag’ hundert Katholiken, was das Wichtigste in der Kirche ist. Sie werden antworten: die Messe.
Frag’ hundert Katholiken, was das Wichtigste in der Messe ist. Sie werden antworten: die Wandlung.
Sag’ hundert Katholiken, dass das Wichtigste in der Kirche die Wandlung ist. Sie werden empört sein.
Nein, alles soll bleiben, wie es ist.

Dieser Widerstand ist meist zäh. Er ist nichts anders als die Sünde. Sünde kommt von „sondern“, ab-sondern. Sünde ist der Versuch, Gott auszuschließen aus der Weise, wie Menschen miteinander und auch mit den Schätzen der Erde umgehen. Das Eigenartige dabei: Nirgends, wo der Mensch versucht, Gott auszuschalten, – nirgends wehrt sich Gott dagegen. Er drängt und zwingt sich nicht auf. Der Mensch erhält seinen Willen – und mit ihm die Konsequenzen daraus. Wo einer mit sich selbst überworfen ist, wo er anderen argwöhnisch und mit Missgunst gegenübertritt, wo die Erde Spuren der Verwüstung zeichnen – immer und überall ist das Zeichen für den Versuch, Gott außen vor zu halten.
Es wird Zeiten im Leben eines jeden Menschen geben, da ihm scheinen möchte, dass die ganze Welt nur noch gottverlassen ist, weil nichts mehr zusammenpasst und zusammengeht in ihr und für ihn. Mit dem heutigen Fest bekennen wir unsere Hoffnung, dass Gott, dass die Wandlung über alle Hindernisse und Zerrissenheit hinweg doch stärker sein wird. Auch in jeder und jedem von uns. Jedes Mal, wenn wir gläubig Wandlung feiern am Altar – wie jetzt gleich –, geht unsere Verwandlung ein Stück weiter. Gott sei Dank!