Osterübersetzung Emmaus
3. Ostersonntag: Lk 24, 13-35
I.
50 Tage lang feiern wir Ostern, den Ursprung und die Mitte unseres Glaubens. Gleich zweimal lesen wir in dieser Zeit die berühmte Emmausgeschichte, am Ostermontag gleich und heute wieder. Sie ist unter Glaubenden geradezu populär geworden – bis dahin, dass sie in manchen Gemeinden am Ostermontag mit dem Emmausgang sozusagen nachgespielt wird. Das ist kein willkürlicher Einfall und kein Zufall. Im Gegenteil: Es ist – wenn es recht geschieht – die eigentliche Absicht des Evangelisten. Denn Lukas tut nichts anderes, als das Ostergeheimnis in die Sprache gelebten Lebens zu übersetzen. Das heißt im Klartext: Wer selbst tut, was er erzählt, wird erleben, wovon er spricht, also erfahren, dass Ostern wahr ist. Daher kommt, dass in der Geschichte statt von Kleopas und dem anderen gerade so gut von Ihnen oder mit die Rede sein könnte.
II.
Am deutlichsten wird das an der Art und Weise, wie es
den beiden mit dem Ende Jesu am Kreuz geht und mit dem, was sie über
den Ostermorgen gehört hatten. Wir hatten auf ihn, diesen Jesus
gesetzt, erzählen sie, hatten gehofft, dass er der Not im Leben ein
Ende machen würde. Stattdessen hat man ihm ein Ende gemacht, also
handgreiflich widerlegt, dass er recht hatte mit seiner Art zu glauben
und zu leben. Alles bleibt, wie es ist, die Welt geht ihren Gang, wie
sie ihn immer ging. Und wir müssen mit. Darum gehen die beiden wieder
heim, zurück nach Emmaus. Die Sache mit Jesus – nur ein schöner Traum.
III.
So tun und reden die beiden, wohlgemerkt, nach dem
Ostermorgen! Nichts, was ihnen darüber erzählt wurde, konnte sie
beeindrucken, gar umstimmen: Dass Frauen vom leeren Grab erzählten, hat
sie nur verwirrt. Dass ein Engel ihnen mitgeteilt habe, Jesus lebe,
kommt auch nicht an, lässt sie jedenfalls kalt. Dass sich dann auch
noch einige Jünger des Erzählten vergewissern, also gleichsam amtlich
bestätigen, ändert nichts.
Leere Gräber, Engelsbotschaften und amtliche Erklärungen besagen überhaupt nichts darüber, ob Ostern wahr ist oder nicht. Das steht im Evangelium. Es könnte geradeso gut von einem Christen heute niedergeschrieben sein. Oder glauben Sie an Ostern, weil da ein leeres Grab ins Spiel kommt? Ich nicht. Schon zur Zeit der Evangelisten setzten Gegner der jungen Christengemeinde das Gerücht im Umlauf, die Jünger hätten die Grabwächter bestochen, den Leichnam gestohlen und dann behauptet, Jesus lebe. Das war bösartig, aber es machte auch klar, dass ein leeres Grab kein Beweis für die Auferstehung ist. Oder glauben Sie an Ostern, weil da Engel gesprochen haben? Ich nicht. Ich bestreite damit nicht, dass den Frauen damals Engel begegnet sein können – ich glaube an Engel, weil die so etwas wie für Menschenseelen sichtbar oder hörbar gewordene Gedanken sind, die Gott von uns hat. Aber wenn es so war, dann hatten die Engel diesen Frauen etwas zu sagen, nicht mir. Oder glauben Sie an Ostern, weil ein paar Jünger mit ihrer Autorität bestätigten, was die Frauen erzählten? Ich nicht. Ich glaube auch nicht deswegen an Ostern, weil der Papst beim Segen Urbi et Orbi von der Loggia des Petersdomes verkündet, dass Christus auferstanden sei – oder weil es vielleicht in einem Hirtenbrief steht.
IV.
Wenn wir – wie die Emmausjünger – das alles abziehen,
was bleibt dann als Fundament für Ostern? Das, was im heutigen
Evangelium steht. Wir dürfen davon nichts auslassen und müssen darum
mit dem Anfang beginnen. Und dieser Anfang heißt: Die zwei sind
unterwegs. Nur, wer nicht stehen- oder sitzen bleibt, wer aufbricht und
weitergeht, kann hinauskommen über das, was man schon kennt und weiß.
Auf ihrem Gang sprechen die beiden miteinander und tauschen ihre
Gedanken aus. Das tun Menschen, die nachdenken, die suchen und sich
Rechenschaft geben darüber, wie es steht. Schon dabei ging verborgen
der Auferstandene mit ihnen, sagt Lukas. Trauer und Ratlosigkeit sind
kein Widersprich dagegen, dass Jesus und das, wofür er stand, auch
durch den Karfreitag nicht widerlegt wurden. Allein schon, dass
Menschen über ihn und sein Geschick miteinander sprechen, ist etwas
Österliches – auch wenn die, die das tun, gar nichts davon merken.
Dazu, dass sie es merken, ergreift der Auferstandene selbst die Initiative. Aber wie! Nicht dadurch, dass er sich ihnen durch ein Wunder beweist, und auch nicht dadurch, dass er ihnen ins Gewissen redet, doch endlich an das leere Grab, die Botschaft des Engels und das Zeugnis der anderen Jünger zu glauben. Stattdessen verweist der Auferstandene die beiden auf die Schrift, genauer: auf das Alte Testament. Wer liest, was dort von Gott erzählt wird – davon, dass er seine Geschöpfe liebt und auch die Sünder nicht aufgibt und dass er um ihretwillen Einzelne immer tiefer in seine Absichten hineingenommen hat -, wer das wahrnimmt, lernt verstehen, dass das Schicksal Jesu – Gott ungeheuer nahe sein und trotzdem oder gerade deshalb wegen Gott sterben – kein Widerspruch zu Gott und Jesu Botschaft von ihm ist. Und auch, dass der, dem dies widerfährt, weil Gott ist, wie er ist, sogar in diesem Ende nicht verloren sein wird, gerade dann nicht. Wer ernstnimmt, was die Schrift von Gott erzählt, kann gar nicht anders, als an die Auferstehung zu glauben – und auf rechte Weise an sie zu glauben.
V.
So geglaubt heißt Auferstehung: Ich darf gewiss sein:
Kein Staubkorn Gottvertrauen und kein Funken Liebe wird vergeblich
sein, wenn sie nur gewagt und getan gewesen sind. Der, der aus
Gottvertrauen die Liebe ganz gewagt und getan hat, wird das im
Augenblick seines irdischen Endes auch ganz erfahren. Darum bekennen
wir Jesus als den ganz und gar auferstandenen. Aber auch auf allem
anderen an Liebe, an Güte, das geschieht, liegt trotz aller
Unvollkommenheit schon ein Widerschein der Vollendung, ein österlicher
Glanz. Lukas hat das dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er erzählt,
wie die beiden Jünger den immer noch Unerkannten einladen, dass er mit
ihnen esse und bei ihnen bleibe. Mahl halten und Aufnahme schenken ist
über alle Kulturen und Zeiten hinweg so etwas wie ein Urzeichen dafür,
dass Menschen einander zugetan und gut sind. Dieses menschliche
Miteinandersein ist der Raum, in denen den beiden endlich die Augen
aufgehen. Nur wer gütig ist, ahnt im Gutsein etwas davon, dass die
Liebe, die Güte nie vergeblich, unwiderruflich, unzerstörbar ist. Und
dass darum der auch durch den Tod nicht vernichtet ist, sondern lebt,
der die Liebe selbst, die Gott ist, mit Leib und Leben versinnbildet
hat. Indem sie zu dem Fremden gut sind, beginnen sie zu verstehen, dass
Jesus, der Gute, das Gleichnis des guten Gottes, wirklich und für immer
lebt bei Gott.
VI.
Weil das An-Ostern-Glauben-Können so gänzlich am
menschlichen Gutsein, an der Liebe hängt, hat Lukas mit ein paar Worten
gleichsam in seine Geschichte hineingespiegelt, was Christen mehr als
alles andere an die Liebe erinnert: Als er mit ihnen bei Tisch war,
nahm er das Brot, sprach den Lobpreis und gab es ihnen – die
Eucharistie. Wer ernsthaft Eucharistie feiert bekennt damit: Ich glaube
an die unzerstörbare Macht der Güte. In der Kommunion lasse ich mich
mit der Liebe beschenken. Und so beschenkt, verspreche ich, sie auch
selbst zu tun. Dann erfahre ich, was ich glaube. Darum stellt uns Lukas
das Brotbrechen, das Inbild getaner Liebe, als die Weise vor Augen, in
der man seit dem Ostermorgen und für immer dem Auferstandenen begegnen
kann: So nah auf Du und Du und so wenig in Worten oder Dingen
festzuhalten wie in Emmaus. Wie wir eben alles nah und unverfügbar
zugleich erleben, was mit Liebe zu tun hat. Wenn sie ist, ist sie genug
und ist sie sich genug.
Der Dichter Erich Fried hat es so beschrieben:
Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe