„Mit der Online-Edition ermöglichen wir es auch Laien, sich in dem Material zurechtzufinden“
Gemeinsam mit den anderen Studentischen Hilfskräften (SHK) erstellt Jakob Daranyi im Projekt „Asking the Pope for Help“ Dokumentstrukturen mit der Software Oxygen und transkribiert Bitt- und Empfehlungsschreiben, sodass diese später in der Online-Edition erscheinen können. Der Geschichts- und Latein-Student ist aber nicht nur SHK in dem Forschungsvorhaben, sondern schreibt auch seine Bachelorarbeit innerhalb des Projekts. Im Interview spricht er über seine Forschungsinteressen und wie er versucht, das Einzelschicksal des konvertierten Juden Carlo Berger zu rekonstruieren.
Was fasziniert Sie so an der Aufarbeitung der Bittschreiben jüdischer Menschen an Papst Pius XII., dass Sie sogar Ihre Bachelorarbeit zu diesem Thema schreiben?
Es ist wahnsinnig spannend einer der ersten zu sein, der mit den erst kürzlich zur Forschung freigegebenen Akten aus dem Vatikan arbeiten kann. Besonders interessiert mich die Frage, ob und wenn ja wie intensiv den verfolgten Jüdinnen und Juden im Vergleich zu anderen Personengruppen geholfen wurde. Erhielt eine Gruppe mehr oder weniger Hilfe? Sah die Hilfe möglicherweise ganz unterschiedlich aus? Außerdem möchte ich wissen, wie man die Ergebnisse unserer Arbeit am besten darstellt und vermittelt.
Die Ergebnisse Ihrer Forschung zu Carlo Berger präsentieren Sie in Ihrer Abschlussarbeit. Worum geht es dort?
Ich rekonstruiere das Schicksal des zum Katholizismus konvertierten jüdischen Flüchtlings Carlo Berger, der mithilfe des Vatikans nach Brasilien fliehen wollte. Dabei untersuche ich, ob ihm vom Vatikan geholfen wurde und welche Formen der Unterstützung er von diesem erhalten hat. Zudem versuche ich herauszufinden, welche Fluchtroute er genommen hat, welche Personen bei der Flucht beteiligt waren und ob Brasilien der letzte Ausweg für Carlo Berger war. Dazu arbeite ich unter anderem auch mit den Dokumenten der Serie „Ebrei“, die kürzlich durch das Archiv des Staatssekretariates des Vatikans digital veröffentlicht wurde.
Wie sieht diese Arbeit genau aus?
Zunächst habe ich die Serie nach dem Namen Carlo Berger durchsucht und versuche nun alle Schreiben, die es zu seinem Schicksal gibt, zu transkribieren und zu übersetzen. Das ist sehr kompliziert, da die Dokumente in verschiedenen Handschriften und Sprachen verfasst sind. Die meisten Schreiben sind Italienisch, aber ein Schreiben ist sogar auf Latein. Die so gewonnenen Informationen über Carlo Berger gleiche ich mit Informationen aus den anderen Archiven ab, um sein Schicksal so umfänglich wie möglich zu rekonstruieren. Aus den Akten der Serie „Ebrei“ alleine lässt sich diese Rekonstruktion nämlich nicht vornehmen, da dort schlicht nicht alle Dokumente zu ihm enthalten sind. Für diese Arbeit ist daher bereits erhebliches Vorwissen und ein geübter Umgang mit historischen Dokumenten notwendig, den ich im Geschichtsstudium und als SHK im Projekt erlernt habe. Mit unserer Online-Edition ermöglichen wir es auch historischen Laien, sich in dem Material zurechtzufinden und einen Gesamtüberblick über ein Schicksal zu erhalten, da die von den Forschenden aufbereiteten Dokumente dort übersichtlich und leserlich dargestellt werden.
Möchten Sie später weiter wissenschaftlich arbeiten?
Ich möchte auf jeden Fall einmal selbst etwas publizieren oder Teil einer wissenschaftlichen Publikation sein. Ich habe auch durch meine Tätigkeit als SHK gemerkt, dass ich sehr begeisterungsfähig bin und mich dieses Projekt auf jeden Fall „gepackt“ hat, und ich versuche, mit Fleiß und Genauigkeit meine Aufgaben zu erledigen. Ich wünschte nur, dass man bei einigen Aufgaben – gerade bei einer so ungeheuren Anzahl an Dokumenten – eher ein Ende absehen könnte.
Was würden Sie gerne einmal im Vatikan machen?
Ich möchte unbedingt einmal den Petersdom und die verschiedenen vatikanischen Archive besichtigen.