Petition from Ludwig Baum

Dr. L. Baum

                                               La Ciotat, d. 10. August 1942
                                               Villa l’abru
                                               Traverse de l’homme rouge.

An

Seine Eminenz

den Herrn Nuntius des Apostolischen Stuhles

                                                               Vichy.

Gestatten Eure Emminenz, daß ich unter kurzer Schilderung meiner Lage, mir erlaube, Ihnen nachstehende Bitte zu unterbreiten. Ich bin jüdischer Refugié aus Deutschland und wohne seit über 1 Jahr in La Ciotat mit meiner Familie, bestehend aus meiner Schwester, meiner Frau und meiner 19jährigen Tochter.

Gleichzeitig möchte ich bemerken, daß ich im 56. Lebensjahr stehe und infolge eines angeborenen Hüftleidens weder militärdiensttauglich, noch arbeitsdienstverwendungsfähig bin.

Nach Verlust meines Notariats und schließlich [82v] der Anwaltschaft wanderte ich im Jan. 1939 nach Luxemburg aus zu meiner dort lebenden Schwester.

Nach der Besetzung verließen wir 4 zusammen Luxemburg. Wir versuchten mit allen Mitteln unsere Einwanderungspapiere für die U. S. A. zu bekommen.

Im Juni 1941 erhielten wir die Papiere in Marseille, aber infolge der Änderung der Einwanderungsbestimmungen wurde es nichts mit der Auswanderung. Im Nov. 1941 wurde uns die Möglichkeit zur Auswanderung wieder geboten, und war bereits von Washington aus das visa accordé dem amerikanischen Konsulat in Marseille zugeleitet. Infolge des Eintritts Amerikas in den Krieg kamen wieder neue Erschwerungen, und unsere Hoffnung wurde zunichte.-

[83r] Nunmehr erhielten wir letzte Woche aus Amerika die Nachricht, daß bereits das erforderliche hearing in Washington stattgefunden habe, und daß Aussicht bestehe, daß uns die Spezialautorisation erteilt würde. Jetzt aber scheinen durch die Schwierigkeit, die für die Erteilung des „visa de sortie de France“ neu bestehen, unsere Hoffnungen wieder gefährdet, selbst wenn, wie wir hoffen, in allernächster Zeit die Spezialautorisation eintrifft.

Meine Bitte geht nun dahin, uns zu helfen wenn Eure Eminenz dazu erbötig wären, uns einerseits die Genehmigung zu verschaffen, Frankreich verlassen zu dürfen und weiter andererseits behilflich zu sein, die Durchreisebewilligung durch Spanien und Portugal zu bekommen und schließlich eine Aufenthaltsbewilligung für Portugal so lange, daß wir dort in Ruhe das Eintreffen der Spezial-[83v] autorisation und die Erteilung des amerikanischen Einreisevisums abwarten dürften.

Eine solche Hilfeleistung, für die wir Ihnen ewig dankbar wären, wage ich mich Eurer Emminenz nur deswillen zu unterbreiten, da sie der befreundeten Familie eines Mannes zugutekäme, der zu den persönlichen Bekannten des Heiligen Vaters zählte z. Z. als er noch als Nuntius in Berlin weilte und in dessen Haus er persönlich verkehrte.

Es handelt sich um den früheren hessischen Gesandten August Nuss, der nach seiner Entlassung aus dem Staatsdienst 1933 Justiziar am bischöflichen Sekretariat in Berlin wurde.

August Nuss entstammt einer Bürgermeisterfamilie aus Gernsheim, einer Familie, die bereits in der 3. Generation mit der Familie meiner Frau eng befreundet war.

August Nuss stand mit mir persönlich [84r] in freundschaftlich collegialer Beziehung und war mir später ein wohlgewogener und hilfsbereiter Gönner.

Ich bin überzeugt, daß, wenn er unsere Lage hier kennen würde, er diesen meinen Schritt nicht nur billigen, sondern sogar mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen würde, falls er irgendwie dazu die Möglichkeit hätte.

Genehmigen Eure Eminenz noch den Ausdruck meiner vorzügl. Hochachtung,

                                               Ergebenst

                              Dr. jur. Ludwig Baum

Archivio Apostolico Vaticano, Nuntiatur Paris 618, fasc. 934, fol. 82r-84r