Wie gefährlich ist Eindeutigkeit?
Besitzt die Wirklichkeit einen grundlegend zweideutigen Charakter? Welche Leistungsfähigkeit besitzen Begriffe wie Ambivalenz, Ambiguität oder Amphibolie in theologischen Diskursen? Diesen Fragen, die für die Interpretation biblischer Schriften hohe Relevanz besitzen, widmete sich ein Workshop, den die Würzburger Systematikerin JProf. Dr. Katharina Wörn auf Einladung von Prof. Dr. Grünstäudl am IBET durchführte.
Wörn kartographierte in ihrem Impulsreferat zunächst die vielfältigen gegenwärtigen Verwendungsweisen des Ambiguitätskonzepts von der Psychologie über die Philosophie bis zu den Sozialwissenschaften, um anschließend einen detaillierten Blick auf das Werk des Theologen und Religionsphilosophen Paul Tillich (1886—1965) zu werfen. Ausgehend von ihrer Dissertation zeigte Wörn in ihren spannenden und kenntnisreichen Ausführungen anschaulich auf, welche Konstanten (etwa Binarität) den Tillichschen Ambiguitätsbegriff auszeichnen, welche theologischen Anliegen ihm eingeschrieben sind und wie er sich zwischen Früh- und Spätwerk Tillichs veränderte. Zwischen den Teilnehmenden entwickelten sich rasch anregende Diskussionen, die systematisch-theologische, philosophische, bibelhermeneutische und wissenschaftstheoretische Anschlussfragen in den Blick nahmen und zudem der kritischen Auseinandersetzung mit den problematischen Aspekten der Biographie Tillichs Raum gaben. Insgesamt zeigte die Veranstaltung, wie lohnend nicht zuletzt aus bibelwissenschaftlicher Perspektive die eingehende Auseinandersetzung mit grundlegenden hermeneutischen und erkenntnistheoretischen Konzepten ist.