Affektivität als Herausforderung für die soziologische Theorie. Einleitende Anmerkungen
DOI:
https://doi.org/10.17879/zts-2023-6298Schlagworte:
Affektivität, Atmosphäre, Erfahrung, VerantwortungAbstract
Im öffentlichen Diskurs lassen sich seit einigen Jahren verstärkt Dynamiken der Emotionalisierung, Politisierung und aufmerksamkeitsökonomischen Polarisierung beobachten. Im soziologischen Diskurs werden diese Dynamiken bisher vor allem vor dem Hintergrund von Fragen der öffentlichen Rolle der Soziologie und hinsichtlich ihrer ›Positionierung‹ verhandelt (siehe für eine Systematisierung aktueller Strömungen Hoppe 2023). Mit dem vorliegenden Themenschwerpunkt wollen wir daran anschließend das Spannungsverhältnis von Affektivität und soziologischer Theoriebildung in den Blick nehmen. Denn gesellschaftliche Problemlagen wie die Klimakrise, die Corona-Pandemie oder neurechte Bewegungen sowie damit einhergehende Verschiebungen des öffentlichen Diskurses stellen nicht nur Gesellschaft und Politik, sondern auch die soziologische Theorie vor neue Herausforderungen.2 Dabei schlagen wir grundsätzlich vor, den diametralen Gegensatz von abstrakter Theoriearbeit einerseits und affizierten Narrativen andererseits zu verwerfen. Stattdessen gehen wir von einer fundamentalen Verwobenheit von Affektivität und Reflexivität innerhalb der soziologischen Theoriebildung aus, die alle ihre Begriffe, Motive, Figuren, Argumente, Metaphern und Erzählungen betrifft. Jede Theoriearbeit, so unsere Annahme, von mühsam empirisch erarbeiteten Hypothesen bis hin zur abstrakten Gesellschaftstheorie, basiert immer auch auf einer Verhandlung des
Verhältnisses von Affektivität und Reflexivität. Der Themenschwerpunkt versteht sich in diesem Sinne als Beitrag zu einer soziologischen Reflexion des Verhältnisses von Theoriebildung und Affizierung. Dabei lassen sich Erkenntnisgewinn und Bedeutung einer Theorie weder an ihrer soliden Begriffsbildung und logischen Argumentationsarbeit noch an ihrer dramatischen Zuspitzung und emotionalen Wirkkraft festmachen. Vielmehr bedarf es einer dynamischen und deutungsoffenen Perspektive auf das Verhältnis von Theoriebildung und Affektivität, das weder zur einen noch zur anderen Seite hin je vollständig aufgelöst werden kann.
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