Verstehende Kooperation: Für eine Soziologie der Evolution im Anthropozän!

Autor/innen

  • Prof. Dr. Ludger Pries

DOI:

https://doi.org/10.17879/zts-2023-5750

Schlagworte:

Evolutionswissenschaften, Evolutionssoziologie, Anthropozän, Natur-Technik-Kultur

Abstract

Die Soziologie hat eine lange Tradition in der Diagnose von Gegenwartsgesellschaften, aber wenig theoretische und empirische Instrumente zur Analyse der langfristigen Entwicklung des menschlichen Zusammenlebens. Dies geht Hand in Hand mit einer gewissen Skepsis gegenüber der (lange Zeit von der Biologie dominierten) Evolutionstheorie und -forschung. Das Hauptargument dieses Artikels ist, dass besonders in der Ära des Anthropozän eine Soziologie der Evolution Kernbestandteil der Soziologie sein sollte. Angesichts des Ausmaßes der menschenbedingten Veränderungen auf dem Planeten sollte die Soziologie ihre zeitliche und inhaltliche Perspektive erweitern. In tiefengeschichtlicher Perspektive ist über das Verhältnis von Natur, Kultur und Technik sowie die Formen menschlichen Zusammenlebens zu reflektieren. Diese Argumente werden in drei Schritten vertieft. Erstens fragen wir, warum sich die Soziologie nicht mit der Koevolution anderer Lebewesen befasst, sondern sich fast ausschließlich auf die Entwicklung und den sozialen Wandel des Menschen in dem kurzen Zeitraum der letzten Jahrhunderte konzentriert. Zweitens argumentieren wir, dass die Soziologie in Bezug auf das Natur-Kultur-Verhältnis im Wesentlichen einer fragwürdigen wissenschaftlichen Arbeitsteilung gefolgt ist, wonach sich die Naturwissenschaften mit Naturphänomenen und die Soziologie mit soziokulturellen Phänomenen beschäftigen sollten. Schließlich gehen wir auf die Debatte über das Anthropozän ein und unterscheiden zwischen zwei Möglichkeiten, auf die damit verbundenen Herausforderungen zu reagieren, nämlich mit mehr Technik oder mit mehr Kultur.

Sociology has a long tradition of diagnosing contemporary societies, but few theoretical and empirical tools for analyzing the long-term evolution of human coexistence. This goes hand in hand with a certain skepticism toward evolutionary theory and research (long dominated by biology). The main argument of this article is that, especially in the Anthropocene era, a sociology of evolution should be a core component of sociology. Given the extent of human intervention in the planet, sociology should broaden its perspective in time and content. In a depth-historical perspective, the relationship between nature, culture and technology as well as the forms of human coexistence should be reflected upon. These arguments are explored in depth in three steps. First, we ask why sociology is not concerned with the coevolution of other living beings, but focuses almost exclusively on human development and social change over the short period of the last few centuries. Second, we argue that sociology has essentially followed a questionable scientific division of labor with respect to the nature-culture relationship, according to which the natural sciences should deal with natural phenomena and sociology with sociocultural phenomena. Finally, we address the debate on the Anthropocene and distinguish between two ways of responding to the challenges it poses, namely with more technology or with more culture.

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Veröffentlicht

2024-07-22

Zitationsvorschlag

Pries, L. (2024). Verstehende Kooperation: Für eine Soziologie der Evolution im Anthropozän!. Zeitschrift für Theoretische Soziologie, 12(1), 152–173. https://doi.org/10.17879/zts-2023-5750
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