Alltag oder Alltage?
Eine historisch-soziologische Rückfrage an die Sozialphänomenologie
DOI:
https://doi.org/10.17879/zts-2023-5713Schlagworte:
Sozialphänomenologie, Alfred Schütz, Phänomenologische Netzwerktheorie, Historische Soziologie, Kognitive Archäologie, AlltagAbstract
Der Begriff des ›Alltages‹ ist aus der Soziologie nicht mehr weg zu denken. Insbesondere die Sozialphänomenologie hat ihn in Anschluss an Alfred Schütz zum zentralen Grundbegriff soziologischen Denkens erhoben. Im weiten historisch-soziologischen Rückblick auf vergangene Gesellschaften tauchen allerdings nicht unerhebliche Schwierigkeiten auf, wenn man von ›dem einen Alltag‹ als ausgezeichnetem Sinnbereich ausgeht. Überlegungen aus der kognitiven Archäologie verweisen eher auf eine Pluralität von verschiedenen praktischen Sinnbereichen, die in der Lebenswelt früher Gesellschaften deutlich getrennt voneinander zu liegen scheinen. Mit Hilfe der phänomenologischen Netzwerktheorie kann schließlich eine genetische Theorie der Konstitution ›des einen Alltages‹ als gesellschaftliche Abstraktionsleistung über verschiedene Alltage hinweg skizziert werden.
The concept of ›everyday life‹ has become an integral part of sociology. Especially social phenomenology, following Alfred Schütz, has made it the fundamental concept of sociological thinking. In the broad historical-sociological view on past societies, however, considerable difficulties arise if one assumes ›the one everyday life‹ as the distinguished province of meaning. Considerations from cognitive archaeology rather point to a plurality of different practical provinces of meaning, which seem to be clearly separated from each other in the lifeworld of early societies. Finally, with the help of phenomenological network theory, a genetic theory of the constitution of ›the one everyday life‹ as a social abstraction across different everyday lives can be sketched.