Michael Tomasello – Protagonist der Philosophischen Anthropologie des 21. Jahrhunderts?
DOI:
https://doi.org/10.17879/zts-2016-4903Abstract
Mit seinen Werken über Primate Cognition (Tomasello 1997), The Cultural Origins of Human Cognition (Tomasello 1999), Origins of Human Communication (Tomasello 2008), How we cooperate (Tomasello 2009) bewegt sich der amerikanische Entwicklungspsychologe und Kognitionsforscher Michael Tomasello seit den 90er Jahren faktisch im Feld philosophisch-anthropologischer Fragestellungen, seit 2000 mit wachsender Resonanz auch im deutschsprachigen Raum – ohne allerdings, dass der Autor bzw. das Publikum in diesen theoriegeschichtlichen Zusammenhang eingeweiht wären. Es liegt gleichsam eine doppelte Blockade vor: Tomasello, obwohl seit 1998 Kodirektor des Max Planck Instituts für Evolutionäre Anthropologie (gleichzeitig Kodirektor des Wolfgang Köhler Primaten Zentrums) in Leipzig, liest als englischsprachiger Forscher keine deutschen Texte und kann deshalb die moderne theoriegeschichtliche Denktradition von Scheler, Plessner, Gehlen nicht identifizieren, mit der er im deutschsprachigen Raum durchaus die Theorietechnik teilt – von ihm selbst kann also der Anschluss nicht hergestellt werden. Umgekehrt gilt: Auch von den gegenwärtigen bundesrepublikanischen Philosophen und Soziologen kann Tomasello – mit Ausnahmen (Krüger 2007) – bisher nicht angemessen in eine bereits entwickelte Theoriekultur eingeordnet und in ihr gewichtet werden, weil sie die moderne Philosophische Anthropologie nicht gut genug kennen, um die Tomasello-Arbeiten in diesem Kontext zu erkennen.