Begriff und Wert der Autonomie in Wissenschaft, Kunst und Politik
Eine Einleitung
DOI:
https://doi.org/10.17879/zts-2014-524Abstract
Von Autonomie ist in Forschung wie Öffentlichkeit häufig dann die Rede, wenn Grenzziehungen legitimiert oder problematisiert werden sollen. Neben dieser normativen Begriffsverwendung wird der Autonomiebegriff aber auch deskriptiv und analytisch verwendet: Zum einen um die Ordnung der Gesellschaft und ihrer Teilbereiche zu beschreiben, zum anderen um die Verschiebung innergesellschaftlicher Grenzen im Zuge gesellschaftlichen Wandels zu thematisieren. Mit der Diagnose eines Autonomieverlusts oder eines Autonomiegewinns werden beispielsweise Veränderungen im Verhältnis zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen, Institutionen, Akteuren und Akteurkonstellationen charakterisiert. Besonders deutlich ist dies in Feldern wie der Wissenschaft, der Kunst und der Politik. Aus einer differenzierungstheoretischen Perspektive liegt jedoch die Vermutung auf der Hand, dass sich auch in anderen Bereichen, etwa im Recht, in der Wirtschaft, in der Medizin oder im Erziehungssystem Autonomiefragen
verschiedenster Art stellen. Im Blick auf solche gesellschaftlichen Strukturen zeigt sich die genuin soziologische Dimension des Autonomiebegriffs: Es geht hier nicht um philosophische und anthropologische Fragen der Willensfreiheit oder der individuellen Selbstbestimmung, auch nicht um die pädagogische Frage nach dem Zusammenhang von Autonomie, Emanzipation, Identität und Subjektivität im Rahmen der Erziehung von Personen, sondern um vielfältige Formen der Autonomie sozialer Entitäten, um die für die soziale Realität konstitutive Verschränkung von Autonomie und Heteronomie sowie um komplexe Interdependenzen zwischen gesellschaftlichen Teilbereichen.