Zentrale Entwicklungstendenzen sozialer Milieus in Deutschland
Eine netzwerkanalytische Perspektive
DOI:
https://doi.org/10.17879/zts-2014-4860Abstract
Der Milieubegriff hat sich in den Sozialwissenschaften zur Beschreibung von Grundstrukturen der Bevölkerung und damit auch zu zeitdiagnostischen Zwecken etabliert (Schulze 1992; Vester et al. 2001). In dieser Forschung werden häufig Thesen über die Veränderung von sozialen Milieus im Zeitverlauf formuliert. Nicht selten wird dabei die klassische Arbeit von Lepsius (1990) über sozialmoralische Milieus im deutschen Kaiserreich und der Weimarer Republik als Referenz herangezogen, die paradigmatisch die Struktur der sozialen Milieus in dieser historischen Phase beschrieben hat, wobei er auf der Grundlage der Merkmale Klassenzugehörigkeit, Konfession und Nationalität vier sozialmoralische Milieus unterschieden hat: das mehrheitlich protestantische sozialdemokratische Arbeitermilieu, das Milieu der protestantischen und agrarischen Konservativen sowie das ebenfalls protestantische liberal-bürgerliche Milieu. Davon abgegrenzt waren das klassenübergreifend konstituierte katholische Milieu sowie die Milieus der nationalen Minderheiten in Deutschland, die Lepsius allerdings nur kursorisch berührt hat. Für die Geschichte der Bundesrepublik können vor allem das katholische Milieu und das sozialdemokratische Arbeitermilieu als prägend betrachtet werden, die auch die Kernwählergruppen der beiden Volksparteien gestellt haben (Rohe 1992).