Die Öffentlichkeit der Daten
Zum Verhältnis von Medienwandel und post-digitaler Gesellschaftsdifferenzierung
DOI:
https://doi.org/10.17879/zts-2021-4767Abstract
»Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen«, so formuliert Niklas Luhmann an exponierter Stelle, »wissen wir durch die Massenmedien« (Luhmann 1996: 9). Mit der Erfindung der Druckerpresse werden die infrastrukturellen Voraussetzungen für Massenkommunikation bereitet und damit die Bedingungen der Möglichkeit für die funktionale Ausdifferenzierung eines eigenständigen sozialen Systems der Medien gelegt. Entscheidend ist hierbei eine spezifische Technologie, die eine Interaktion unter Anwesenden im asymmetrischen Verhältnis von Autor- und Leserschaft oder Sender und Empfängern nicht nur überflüssig macht, sondern für die eigenständigen Kommunikationen der Massenmedien wirksam ausschließt. Der dadurch hervorgebrachte Überfluss an Kommunikationsmöglichkeiten, zwingt zur Selbstorganisation, der wiederum nur noch systemintern und das heißt hier durch den spezifischen Code Information/Nichtinformation strukturiert und kontrolliert werden kann. Die Erfindung der Schrift in vormoderner Zeit konnte diesen Struktureffekt noch nicht realisieren. Erst die Durchsetzung des Buchdrucks und des Zeitungswesens seit etwa der Mitte des 18. Jahrhunderts, die zur Herausbildung der bürgerlichen Gesellschaft führte und später zu der Entwicklung elektronischer Medien (Rundfunk, TV), vervielfältigt das Reservoir an Information in Text-, Ton- und Bildform auf eine zivilisationsgeschichtlich nie dagewesene Art und Weise, die die Herausbildung neuartiger sozialer Orientierungsund Korrekturregime geradezu erzwingt.