Analytische oder analytisch-empirische Soziologie?
Über kritischen Rationalismus und Rational-Choice
DOI:
https://doi.org/10.17879/zts-2021-4754Abstract
Dieser Beitrag widmet sich dem Vorwurf Christian Etzrodts, die analytisch-empirische Soziologie scheitere an ihrem Anspruch, dezidiert empirisch zu sein. Dieses Urteil beruht auf seiner Wahrnehmung der methodologischen Position der analytisch-empirischen Soziologie sowie dem Umgang mit empirisch zweifelhaften Rational-Choice-Erklärungen. Als Erwiderung wird zum einen das wissenschaftstheoretische Selbstverständnis der analytisch-empirischen Soziologie untersucht, zum anderen ihr Umgang mit der Rational-Choice-Theorie. Es wird betont, dass es sich nicht um ein monolithisches »Paradigma« handelt. Selbst das Forschungsprogramm der Rational-Choice-Theorie, das nur eine Teilmenge der analytisch-empirischen Soziologie darstellt, ist binnendifferenziert. Es zeigt sich, dass der Vorwurf, die analytisch-empirische Soziologie halte durch Ad-hoc-Modifikationen an falsifizierten Theorieprogrammen fest, vermutlich durch das Missverständnis verursacht ist, verschiedene, durchaus gegeneinander konkurrierende Theorievarianten dienten allesamt der Rettung »der« Rational-Choice-Theorie. Eine solche Generalkritik ist jedoch verfehlt, denn es existiert nicht eine Theorie, sondern verschiedene RC-Ansätze. Zudem wäre eine gänzliche Überwindung der RCT durch eine bessere, vereinheitlichte Handlungstheorie selbstverständlich im Interesse der analytisch-empirischen Soziologie, sofern sich eine solche Theorie als tragbar erweist.