Virologischer Imperativ oder temporäre Destabilisierung?
Feldtheoretische Anmerkungen zur soziologischen Reflexion der Corona-Krise
DOI:
https://doi.org/10.17879/zts-2021-4753Schlagworte:
COVID-19, Corona, Pandemie, Differenzierungstheorie, Feldtheorie, Feld der Macht, PolitisierungAbstract
Der Beitrag beleuchtet die gesellschaftlichen Reaktionen auf die COVID- 19-Pandemie aus feldtheoretischer Perspektive. In kritischer Auseinandersetzung insbesondere mit einigen jüngeren, vorwiegend systemtheoretisch orientierten Deutungen wird die These einer umfassenden »Medizinisierung« der Gesellschaft, einer »Simplifikation« des Sozialen oder der Durchsetzung eines alles bestimmenden »virologischen Imperativs« im Zuge der Pandemiebekämpfung zurückgewiesen. Stattdessen wird eine Deutung vorgeschlagen, welche die prinzipiell umkämpften Machtbalancen zwischen verschiedenen sozialen Feldern in den Mittelpunkt rückt. Die Pandemie, so das zentrale Argument des Beitrags, hat allenfalls zu einer temporären Destabilisierung dieser Felderverhältnisse im Feld der Macht geführt und einen Prozess ihrer Politisierung in Gang gesetzt, der mit vorübergehenden Autonomie gewinnen und -verlusten einhergeht. In differenzierungstheoretischer Hinsicht liegt der primäre Effekt der Pandemie entsprechend nicht in einer schon jetzt eindeutig bestimmbaren Entwicklungsrichtung – etwa einer umfassenden Durchdringung gesellschaftlicher Strukturen durch medizinische und epidemiologische Kalküle –, sondern besten falls in einem ge stärkten Be wusstsein für den umkämpften und damit gestaltbaren Charakter der Verhält nisse zwischen sozialen Teilbereichen