Disbalancen der Gesellschaftstheorie
DOI:
https://doi.org/10.17879/zts-2015-4095Abstract
Uwe Schimank ist einer der wenigen bedeutenden Vertreter der gegenwärtigen soziologischen Forschung, der den Impetus der älteren und jüngeren Klassiker unserer Disziplin aufnimmt und produktiv wie kumulativ an einer um ihre konzeptionellen Grundlagen besorgten gesellschaftstheoretischen Analyse und Diagnose moderner Gesellschaft arbeitet. Ausgehend von der Diagnose einer Zersplitterung der Gesellschaftstheorie und mit dem Ziel einer empirisch anschlussfähigen »integrativen Theorie der modernen Gesellschaft« entwirft Schimank in seinem »Grundriss« auf der Grundlage älterer Arbeiten (insbes. Schimank 2009, 2011a, 2011b, 2013) ein ambitioniertes Forschungsprogramm, welches sowohl Vorschläge in Bezug auf die Methodik wie auch Vorschläge für eine »Bauanleitung« künftiger gesellschaftstheoretischer Forschung enthält. Dass Schimank einen solchen Grundriss vorlegt, ist außerordentlich zu begrüßen, nicht nur angesichts der sterilen soziologischen Diskussion selbst, sondern auch angesichts der sinkenden Bedeutung und Relevanz soziologischer Analysen in der wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Öffentlichkeit. Schimank befasst sich mit einer Integration von »funktionaler Differenzierung«, »sozialer
Ungleichheit« und »Kultur«. Man kann den Entwurf von Schimank aber nicht nur im Hinblick auf eine konzeptionelle Integration gesellschaftstheoretischer Forschung lesen, sondern auch in Bezug auf die Desiderata und Probleme der system- oder eben auch handlungstheoretisch fundierten Differenzierungsforschung selbst. Dass Differenzierungsforschung und Sozialstrukturanalyse auseinandertreten, lässt sich auch in der Wirtschaftssoziologie beobachten. War die »Economic Sociology« von Arthur Stinchcombe (1983) noch mit der Frage nach den sozialstrukturellen Auswirkungen des Kapitalismus befasst, so wird in allen Fraktionen der Systemtheorie teilweise sehr unverdächtigen »New Exonomic Sociology« alleine das Problem der »Einbettung« thematisiert, also ein genuines differenzierungstheoretisches Phänomen.