Gekaufte Zeit, geborgte Theorie

Anmerkungen zur »Landnahme durch den Markt«

Autor/innen

  • Klaus Dörre Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Soziologie

DOI:

https://doi.org/10.17879/zts-2014-4022

Abstract

»Europa befindet sich in seiner wohl schwersten Krise seit 1945«, schreibt Claus Offe (2013: 67) und sieht Ähnlichkeiten zur Lage vor 1933. Wie konnte es zu dieser Krise kommen? Mit seinem Antwortversuch ist Wolfgang Streeck ein großer Wurf gelungen. In »Gekaufte Zeit« beschreibt er eine »Landnahme durch den Markt« (16), die Wiederkehr eines Polanyi’schen Szenarios. Die Europäische Union ist in dieser marktöffnenden Bewegung das zentrale Kettenglied. Mit ihrer Hilfe gelingt es Regierungen, auf suprastaatlicher Ebene Handlungszwänge zu installieren, die dann in Gestalt kommodifizierender Arbeitsmarkt-, Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitiken national als vermeintliche Sachzwänge exekutiert werden. Währungsunion und Euro sind die Vollendung dieses Projekts. Weil sie den schwächeren Ökonomien die Möglichkeit nehmen, Wettbewerbsdefizite mittels Abwertung ihrer nationalen Währung wenigstens auf Zeit auszugleichen, bleibt ihnen als letztes Instrument nur noch die innere Abwertung, der ständige Druck auf Löhne, kollektive Sicherungssysteme und soziale Standards – eine Entwicklung, in deren Folge der Zwangsehe von Kapitalismus und Demokratie die Scheidung droht.

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Veröffentlicht

2014-08-01

Zitationsvorschlag

Dörre, K. (2014). Gekaufte Zeit, geborgte Theorie: Anmerkungen zur »Landnahme durch den Markt«. Zeitschrift für Theoretische Soziologie, 3(1), 78–87. https://doi.org/10.17879/zts-2014-4022