Enttäuschte Hoffnungen
Wolfgang Streecks Gekaufte Zeit und die Probleme einer soziologischen Kapitalismusanalyse
DOI:
https://doi.org/10.17879/zts-2014-4020Abstract
Wolfgang Streeck hat mit Gekaufte Zeit. Die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus eine viel beachtete Studie vorgelegt. Der an die Arbeiten von Colin Crouch (2004, 2009) und Greta Krippner (2011) anschließende Versuch, die neuere sozialwissenschaftliche Debatte zur »Finanzialisierung« von Ökonomie und Gesellschaft vor dem Hintergrund der Abfolge von Krisen und Krisenbewältigungsstrategien des »demokratischen Kapitalismus« in einen historisch übergreifenden Prozess gesellschaftlicher Transformationen einzuordnen, ist in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert. Die Finanz-, Wirtschaftsund Fiskalkrise der Jahre nach 2008 deutet Streeck als »vorläufigen Endpunkt« eines langen neoliberalen Wandels des Nachkriegskapitalismus in Nordamerika und Westeuropa. Die inflationäre Geldpolitik der 1970er Jahre, die Staatsverschuldung der 1980er Jahre und die Privatverschuldung der 1990er Jahre werden als Notbehelfe der demokratischen Politik interpretiert, um »den Anschein« von wirtschaftlichem Wachstum für alle zu erzeugen und sogar »Umverteilung von Markt- und Lebenschancen von oben nach unten« zu ermöglichen (alle Zitate 225). Jede dieser drei Strategien sei darauf angelegt gewesen, soziale Verteilungskonflikte zu pazifizieren und politische Legitimation in Zeiten zu erhalten, in denen die alten Versprechungen des Kapitalismus der Nachkriegszeit, Wohlstand für alle zu schaffen, unerfüllbar geworden seien.