Politische und andere Deutungsmöglichkeiten von Gorgoneia auf Münzen
DOI:
https://doi.org/10.17879/ozean-2022-3799Abstract
Die diachrone Untersuchung des Gorgoneion-Motivs und verwandter Objekte bringt eine Reihe von neuen Erkenntnissen. Um die Gefährlichkeit des Blicks zu inszenieren, bedienten sich die Stempelschneider verschiedenster Mittel. Neben der besonderen Betonung der Augenpartie sind dies die Verdoppelung des Gorgoneions, die Hervorhebung einer Stirnfalte zur Verdeutlichung der Anstrengung, der ›schräge‹ Blick, die Verzierung mit Schlangen und die demonstrative Abwendung des Perseus vom Gorgoneion. Die Bildidee des Gorgoneions auf Münzen scheint die Inszenierung der Angst vor dem Blick zu sein. Was die visuelle Botschaft betrifft, so gibt es keinen Hinweis darauf, dass ein ›apotropäischer‹ Effekt, wie auch immer dieser genau zu verstehen sein mag, bei Münzen mit Gorgoneion eine Rolle gespielt haben könnte. Diese Funktion scheint hauptsächlich auf den architektonischen Kontext und vergleichbare Objekte beschränkt gewesen zu sein. Auch für einen solar-astralen Aspekt des Gorgoneions, wie er gelegentlich diskutiert wurde, gibt es keine Belege im Medium Münze.
Auf der anderen Seite ergibt sich aus der diachron vergleichenden Perspektive ein überraschend starker politischer Aspekt des Gorgoneions. Neben der Hervorhebung städtischer Traditionen, die die Identität der Polis prägen, ist das Gorgoneion seit Beginn des 5. Jahrhunderts gelegentlich ein Bekenntnis zur Herrschaft der Achaimeniden. Seit der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts verwenden mit Athen konkurrierende Städte und Herrscher gelegentlich das Gorgoneion und beanspruchen damit, von Athena besonders begünstigt zu sein. Eine Verbindung zwischen der mit einem Gorgoneion geschmückten Ägis und Alexander dem Großen entstand dagegen in hellenistischer Zeit. Dieser Aspekt, der von Nero wieder aufgegriffen wurde, mag auch bei der Verwendung der Ägis durch römische Kaiser eine Rolle gespielt haben. Das Gorgoneion selbst spielte in der römischen Kaiserzeit kaum eine Rolle in der Münzprägung. Seine Verwendung beschränkte sich auf einen Bestandteil des kaiserlichen Brustpanzers, auf dem es am ehesten die ›apotropäische‹ Wirkung entfalten konnte, die ihm auch sonst oftmals zugeschrieben wurde und wird.
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