Vespasian und sein Feldherr. Personalisierte Denare für das römische Britannien?
Zusammenfassung: Für eine ungewöhnliche Serie Denare Vespasians aus dem Jahr 77–78 n. Chr. bemühte man sich gezielt darum, militärische Sieghaftigkeit und landwirtschaftliche Motive zusammenzubringen. Während andere Erklärungen der historisch einzigartigen Typen unbefriedigend bleiben, gibt es einige Indizien dafür, dass die bäuerliche Motivserie als Anspielung auf den Namen des Gnaeus Iulius Agricola (= »der Landwirt«) entworfen wurde, der gerade in diesem Zeitrahmen seinen Feldzug in Britannien begann. Dabei lässt sich zeigen, dass die Anspielung auf Agricola nicht nur möglich, sondern auch politisch sinnvoll war – und wir an dieser Stelle ein Schlupfloch im strengen Monopol des Kaisers auf die Münzbilder in Betracht ziehen sollten.
Schlagwörter:
Britannien (http://d-nb.info/gnd/4069666-2), Gnaeus Iulius
Agricola (http://d-nb.info/gnd/118501054), Vespasian
(http://d-nb.info/gnd/11862671X).
Abstract: A unique series of denarii from 77–78 B.C. shows how the mint authorities made a conscious effort to combine military victory and agricultural imagery. While various other interpretations remain unsatisfactory, there are indications that the series, referring to three major parts of Roman agriculture, could have been thought-out as a play on the name of Gnaeus Iulius Agricola (= »the farmer«), who began his major campaign in Britain in the very same year. This article aims to show how the reference to Agricola on Vespasian’s coins was not only possible but also politically convenient – even if this forces us to question the emperor’s strict monopoly on coin imagery.
Key words: Roman Britain, Gnaeus Iulius Agricola, Vespasian
Innerhalb der umfassenden Münzprägung Vespasians sticht eine
Motivserie aus dem Jahr 77–78 n. Chr. als besonders ungewöhnlich
hervor. Sie zeigt eine einzigartige Reihe von profanen und nur
schwerlich mit dem Kaiser zu verbindenden, landwirtschaftlichen
Motiven (Abb. 1–3). Die Zusammengehörigkeit der Serie ist
durch die immer gleiche Gestaltung der Reverslegende gesichert,
die prominent auf die neunzehnte (für Vespasian) oder dreizehnte
(für Titus) imperatorische Akklamation verweist.
Grundsätzlich scheint jedes der drei Motive von der
Münzstätte in drei Typvarianten produziert worden zu sein: mit
dem Kaiserportrait nach rechts, mit dem Kaiserportrait nach
links und in einer dritten Version für Titus mit dessen Kopf
nach rechts. Die Systematik lässt vermuten, dass die Serie auch
quantitativ zu zwei Dritteln mit dem Portrait des amtierenden
Kaisers und zu einem Drittel mit dem seines Nachfolgers
produziert werden sollte. Das Modius-Motiv ist für Titus zwar
nicht belegt, dass es ursprünglich ebenfalls existierte, ist
jedoch wahrscheinlich[1].
Zudem wurden zu Beginn der Produktion hybride Typen mit älteren
Aversstempeln produziert (RIC
II,1² 978, 980var.), die auch auf der Vorderseite das hier
eigentlich überflüssige praenomen imperatoris Vespasians
nennen und den chronologischen Zusammenhang zu der vorherigen
Prägegruppe des Jahres bestätigen[2].
Die Aversstempel der neuen Serie verzichten auf IMP, um die
Dopplung zu vermeiden. Die ungewöhnliche Platzierung der
imperatorischen Akklamationen auf dem Revers war somit
aufmerksam umgesetzter Teil des vorgegebenen Inhalts.
RIC II,1² Vespasian |
Avers |
Revers |
---|---|---|
IMP CAESAR VESPASIANVS AVG,
Kopf des Vespasian mit Lorbeerkranz nach r. |
IMP XIX, Hirte kniend nach r.
melkt vor ihm stehendes Schaf[3]. |
|
CAESAR VESPASIANVS AVG, Kopf
des Vespasian mit Lorbeerkranz nach r. |
IMP XIX, Hirte kniend nach r.
melkt vor ihm stehendes Schaf. |
|
CAESAR VESPASIANVS AVG, Kopf
des Vespasian mit Lorbeerkranz nach l. |
IMP XIX, Hirte kniend nach r.
melkt vor ihm stehendes Schaf. |
|
T CAESAR VESPASIANVS, Kopf
des Titus mit Lorbeerkranz nach r. |
IMP XIII, Hirte kniend nach
r. melkt vor ihm stehendes Schaf. |
|
980var[4] |
IMP CAESAR VESPASIANVS AVG,
Kopf des Vespasian mit Lorbeerkranz nach r. |
IMP XIX, Modius mit Kornähren
darin. |
CAESAR VESPASIANVS AVG, Kopf
des Vespasian mit Lorbeerkranz nach r. |
IMP XIX, Modius mit Kornähren
darin. |
|
CAESAR VESPASIANVS AVG, Kopf
des Vespasian mit Lorbeerkranz nach l. |
IMP XIX, Modius mit Kornähren
darin. |
|
CAESAR VESPASIANVS AVG, Kopf
des Vespasian mit Lorbeerkranz nach r. |
IMP XIX, Sau mit drei Ferkeln
nach l. |
|
CAESAR VESPASIANVS AVG, Kopf
des Vespasian mit Lorbeerkranz nach l. |
IMP XIX, Sau mit drei Ferkeln
nach l. |
|
T CAESAR VESPASIANVS, Kopf
des Titus mit Lorbeerkranz nach r. |
IMP XIII, Sau mit drei
Ferkeln nach l. |
Das starke militärische Element schwächt die Deutung der
Reihe als Hinweis auf allgemeine landwirtschaftliche Prosperität
und damit etwa Harold Mattinglys Vermutung, der in den ansonsten
wegen ihrer Profanität nur selten besprochenen Motiven »the
outline of a programme for the restoration of agricultural
prosperity in Italy, of which our scanty authorities have left
no detailed record« sah[8].
Auch eine mythologische Deutung von Sau, Schaf und
Kornähren oder eine Interpretation der Reihe als friedliches
Tieridyll sind nicht für alle drei Motive gleichermaßen stimmig
und können zudem die militärischen Bezüge nicht befriedigend
erklären[9].
Für ein groß angelegtes landwirtschaftliches
Reformprogramm unter Vespasian haben wir, trotz unserer Kenntnis
über zahlreiche andere Tätigkeiten des ersten Flaviers,
schlichtweg nicht nur »no detailed«, sondern gar keinen
»record«. Ebenso verwunderlich wäre die Beschränkung des
Themas gerade auf Silber, während die Nahrungsmittelversorgung
in der kaiserlichen Münzprägung typischerweise auf
Buntmetallnominalen thematisiert wurde, die regional und im
Alltag bei einer breiten Masse zirkulierten[10].
Warum sollte man für Denare, die eher als Bezahlung von Soldaten
und Verwaltung in Umlauf gekommen sein dürften[11],
so profane landwirtschaftliche Motive auswählen, um kaiserliche
Leistungen zu zeigen und diese dann nicht einmal durch eine
entsprechende Legende erklären? Lediglich noch bei Nerva wurde
ein einfaches Getreidemaß zum Ausdruck einer kaiserlichen
Wohltat, hier aber auf einem Sesterz (RIC
II 89,
103),
abgebildet – die damit festgehaltene Leistung musste jedoch
durch die Umschrift PLEBEI VRBANAE FRVMENTO CONSTITVTO
verdeutlicht werden.
Die hier besprochenen Denare stechen somit auch deshalb
heraus, da ihr Bezug zum Kaiser ungewöhnlich vage bleibt.
Insbesondere auf Edelmetall wurden ab Mitte des ersten
Jahrhunderts vor allem Götterabbildungen, häufig mit dem Zusatz
AVGVSTI eingesetzt, um die positiven Effekte der
Kaiserherrschaft als göttliche Unterstützung zu kennzeichnen und
»the supernatural quality of imperial potestas« zu
kommunizieren[12].
Anders als in der Republik, in der einige Münzmeister durch die
Abbildung von Getreidegefäßen oder Ähren auf die Verdienste
ihrer Familie um die Kornverteilung hinwiesen[13],
wurde die Sorge um die Lebensmittelversorgung Roms in der
Kaiserzeit durch die Göttin Ceres oder seit Nero auch durch die
hinsichtlich der kaiserlichen Leistung spezifischere Göttin
Annona zum Ausdruck gebracht – und durch die Legende stets
zusätzlich erklärt. Auch die Flavier kannten und nutzen diese
Strategie zur Repräsentation ihrer kaiserlichen Autorität
ausgiebig und prägten in mehreren Jahren ebenfalls Münzen mit
dem Bild der Gottheiten Annona oder Ceres. Für das bäuerliche
Bildprogramm hingegen wurden einmalig konkrete Motive gewählt,
die gerade nicht auf göttlichen Segen oder persönlichen
kaiserlichen Einsatz anspielten, sondern mit einem anderen
Hintergedanken entworfen worden sein müssen.
Die Mars-Prägungen gehören einer weiteren Reihe Denare an,
die auf dem Avers IMP in der Titulatur anführen und auf dem
Revers stattdessen das Konsulat des Kaisers und seines
designierten Nachfolgers betonen (Tab. 2). Wieder lässt
sich dieselbe Prägestruktur rekonstruieren, in der ein Motiv
jeweils in drei Varianten mit rechts- und linksausgerichtetem
Kaiserportrait sowie einmal für Titus produziert wurde.
RIC II,1² Vespasian |
Avers |
Revers |
---|---|---|
IMP CAESAR VESPASIANVS AVG,
Kopf des Vespasian mit Lorbeerkranz nach r. |
COS VIII, Mars steht mit
Helm, Speer und Trophäe nach l. |
|
IMP CAESAR VESPASIANVS AVG,
Kopf des Vespasian mit Lorbeerkranz nach l. |
COS VIII, Mars steht mit
Helm, Speer und Trophäe nach l. |
|
T CAESAR IMP VESPASIANVS,
Kopf des Titus mit Lorbeerkranz nach r. |
COS VI, Mars steht mit Helm,
Speer und Trophäe nach l. |
|
IMP CAESAR VESPASIANVS AVG,
Kopf des Vespasian mit Lorbeerkranz nach r. |
COS VIII, Mars steht mit
Helm, Speer und Trophäe nach l., dahinter Kornähre. |
|
IMP CAESAR VESPASIANVS AVG,
Kopf des Vespasian mit Lorbeerkranz nach l. |
COS VIII, Mars steht mit
Helm, Speer und Trophäe nach l., dahinter Kornähre. |
|
T CAESAR IMP VESPASIANVS,
Kopf des Titus mit Lorbeerkranz nach r. |
COS VI, Mars steht mit Helm,
Speer und Trophäe nach l., dahinter Kornähre. |
|
IMP CAESAR VESPASIANVS AVG,
Kopf des Vespasian mit Lorbeerkranz nach r. |
COS VIII, Schiffsbug nach r.,
darüber Stern. |
|
IMP CAESAR VESPASIANVS AVG,
Kopf des Vespasian mit Lorbeerkranz nach l. |
COS VIII, Schiffsbug nach r.,
darüber Stern. |
|
T CAESAR IMP VESPASIANVS,
Kopf des Titus mit Lorbeerkranz nach r. |
COS VI, Schiffsbug nach r.,
darüber Stern. |
|
IMP CAESAR VESPASIANVS AVG,
Kopf des Vespasian mit Lorbeerkranz nach r. |
COS VIII, Zwei Ochsen unter
Joch nach l. |
|
IMP CAESAR VESPASIANVS AVG,
Kopf des Vespasian mit Lorbeerkranz nach l. |
COS VIII, Zwei Ochsen unter
Joch nach l. |
|
T CAESAR IMP VESPASIANVS,
Kopf des Titus mit Lorbeerkranz nach r. |
COS VI, Zwei Ochsen unter
Joch nach l. |
Kleinere Varianten und Fehler in den Titulaturen lassen
vermuten, dass dieselben Stempelschneider für die Stempel beider
Flavier in beiden der hier aufgelisteten Gruppen zuständig waren
und schlichtweg durcheinander kamen[19].
Die hybriden Typen in der oben erstgenannten Gruppe sind guter
Grund zur Annahme, dass die Reihe, in der IMP auf den Revers
gesetzt wurde, zeitlich an die hier besprochene anschloss.
Martin Ziegert deutet die Prora (RIC
II,1² 941–942,
950) im Kontext des Ochsengespann-Motivs (RIC
II,1² 943–944,
951) und der hinter Mars abgebildeten Kornähre
als Hinweis auf die Kornversorgung und ordnet auch die
agrarischen Bilder der zweiten Serie als Hinweis auf die
Kornversorgung oder allgemeiner auf »Fruchtbarkeit und
Wohlstand« ein[20].
In einer separaten, undatierten Prägegruppe wurde in Edelmetall
mit Abbildungen von Annona und Ceres explizit auf die
kaiserliche Leistung bei der Getreideversorgung hingewiesen[21].
Ich möchte vorschlagen, hinter der hier gezielt anderen und
ungewöhnlichen Gestaltung des Themas in den beiden Prägegruppen
eine entsprechend andere Kommunikationsintention zu sehen und
dabei insbesondere die auffällige Verbindung mit der
militärischen Ebene zu berücksichtigen.
Für die Interpretation der Ähre hinter Mars ist wichtig, dass
auch eine in allen drei Aversvarianten ausgeprägte Version des
Motivs in Auftrag gegeben worden war, auf der die Ähre
absichtlich weggelassen wurde. Sie war somit einerseits
bedeutungstragend, andererseits aber nicht unmittelbar mit dem
Gott verbunden, der auch sonst in der gesamten kaiserzeitlichen
Münzprägung nie in Zusammenhang mit dem Ackerbau auftrat[22].
Wäre es das Ziel gewesen, Mars einmal in seiner Funktion als
Agrargottheit und einmal als Kriegsgott abzubilden, so wäre doch
sehr verwunderlich, dass man in der flavischen Münzprägung, der
es wahrlich nicht an Kreativität und Geschick mangelte, beide
Male die exakt gleiche Pose und Ausstattung des Gottes wählte
und ihm nicht etwa die Kornähre, wie sonst für Gottheiten
üblich, attributiv in die Hand gab. Könnte die Kornähre
stattdessen einen Teil der Emissionen für einen bestimmten
Verwendungszweck gekennzeichnet haben?
Das Mars-Motiv muss aufmerksam ausgewählt worden sein,
lässt es sich doch zu einem Münztyp vom Ende des zweiten
Jahrhunderts v. Chr. zurückverfolgen. Dass die Ähre für
einen der beiden flavischen Münztypen tatsächlich weggelassen
und nicht etwa auf dem anderen hinzugefügt wurde, lässt sich
anhand dieses republikanischen Vorläufers erkennen. Der
betreffende Denar des Münzmeisters Lucius Valerius Flaccus (RRC
306/1, Abb. 6) war mit Hinblick auf die Familie des
Flaccus entworfen worden: Die vor dem Kriegsgott abgebildete
Priesterkappe verweist auf das Amt des flamen martialis,
das vor dem Münzmeister bereits dessen Vater und Großvater
innegehabt hatten, die Kornähre hingegen auf die Verdienste der
Familie um die Getreideversorgung Roms – der gleichnamige
Urgroßvater war 163 v. Chr. kurulischer Ädil[23].
Wir können nicht zuletzt aufgrund zahlreicher Münzen mit
ähnlichen Piktogrammen davon ausgehen, dass ein römisches
Publikum es gewohnt war, diesen Details
kommunikative Bedeutung zuzumessen[24].
Zur Anpassung an den neuen Kontext wurde unter den
Flaviern die Priesterkappe entfernt – die Ähre jedoch
beibehalten. Da es auch in der Münzprägung Vespasians selbst
andere Vorbilder für eine Abbildung des Mars gegeben hätte[25],
muss gerade die Kornähre ausschlaggebend für die Auswahl des
Motivs gewesen sein. Offenbar hatte man – und das nicht bloß aus
antiquarischem Interesse[26],
sondern zur Erfüllung einer inhaltlichen Vorgabe – nach
Vorbildern gesucht, die Militärisches und Agrarisches
zusammenbrachten. Die enge zeitliche Abfolge gleich mehrerer
Motive mit dieser speziellen Verbindung kann meines Erachtens
kein Zufall sein.
Ich möchte auf Grundlage dieser kumulativen Hinweise eine
neue Deutung der ungewöhnlichen Motive zur Diskussion stellen.
Da unsere literarischen Quellen Münzmotive nur in seltenen
Ausnahmefällen kommentieren, kann auch meine Interpretation
nicht über jeden Zweifel erhaben sein, versucht
jedoch mit ihrer Einfachheit zu überzeugen: Sie bietet für das
Herausstechen der Motive aus der üblichen Kommunikation
kaiserlicher Autorität auf Münzen, die ›Kennzeichnung‹ mit
bäuerlichen Motiven und das ungewöhnliche, aber absichtliche
Nebeneinander von Feldherrenautorität und Landwirtschaft eine
einzige, sparsame Erklärung. Ich schlage vor, die Motive nicht
primär als Hinweise auf landwirtschaftliche Prosperität[27],
sondern in ihrem historischen Kontext als Anspielung auf das
Cognomen des Gnaeus Iulius Agricola (»der Landwirt«) zu
betrachten. Gerade im Jahr der Produktion dieser Münzreihe war
Agricola zum Feldzug nach Britannien aufgebrochen. Dass die drei
historisch einzigartigen Münzmotive mit Milch-, Fleisch- und
Getreidewirtschaft auf drei Hauptbestandteile der römischen
Landwirtschaft anspielen[28]
und damit wie ein sprechendes Wappen auf den Namen des neuen
Statthalters zugeschnitten scheinen, ist mehr als erstaunlich.
Selbst wenn dies nicht ursprünglich beabsichtigt gewesen sein
sollte, wären die nicht weiter erläuterten bäuerlichen Szenen
von möglichen Erstempfängern der Zahlung in Agricolas Heer und
Provinzverwaltung zweifelsohne mit dem Feldherrn verbunden
worden[29].
Bezog sich die hier so prominent platzierte neue
imperatorische Akklamation also auf die militärischen Erfolge
Agricolas in Britannien? Leider ist der Anlass für die
neunzehnte Akklamation Vespasians nicht eindeutig überliefert.
Genannt ist sie auf Militärdiplomen für die Truppen
Moesiens, die auf Konstitutionen Vespasians vom 7. Februar 78
zurückgehen[30].
Meilensteine aus dem fernen Bithynien wiederum führen noch im
Frühjahr 78 (COS IIX DESIG VIIII) die achtzehnte imperatorische
Akklamation, trotz des langen Kommunikationsweges in den Osten –
und der Tatsache, dass die Meilensteine möglicherweise schon
früh in Auftrag gegeben wurden – dürfte die neunzehnte deshalb
Anfang 78 oder, rechnen wir ein paar Wochen
Übermittlungsverzögerung der Nachricht ein, wahrscheinlicher
noch im Spätjahr 77 erfolgt sein[31].
Dass die neue Akklamation auf die ersten, in Rom sicherlich mit
Spannung erwarteten Erfolge Agricolas in Britannien
zurückzuführen ist, ist somit zeitlich passend und
durchaus wahrscheinlich. Auch Ziegert spekuliert mit
Theodore V. Buttrey vor allem auf Agricolas militärische
Aktivitäten, die noch vor Winter 77 erfolgreich begonnen
hatten, als Grund für die Titulaturänderung[32].
Möglicherweise waren Teile der COS-Serie für eine erste
Charge vorgesehen oder deuteten zumindest auf den bevorstehenden
Feldzug hin[33],
während die Reihe, die bäuerliche Szenen mit der neuen
Akklamation verband, im nächsten Jahr zur Deckung des
Finanzbedarfs im Heer und der bis dahin evaluierten und
gegebenenfalls angepassten Provinzverwaltung in Britannien
übersandt wurde. Dass im Jahr 77–78 frisches Silber für die
Bezahlung von Heer und Verwaltung in Britannien ausgemünzt
wurde, steht angesichts der hohen und regelmäßigen
Prägetätigkeit der Flavier außer Zweifel – Britannien machte
zudem einen großen Budgetposten aus. Zwar werden Soldaten nicht
immer in frischer Münze bezahlt worden sein; in
einer Randprovinz, in der auf einmal gleich mehrere Legionen
zusätzlich stationiert wurden, waren die benötigten Beträge
jedoch in den Anfangsjahren der Kampagne sicherlich nichts, was
man in kurzer Zeit zuverlässig an Steuern hätte auftreiben
können.
Die vergleichende Untersuchung der flavischen Aesmünzen in
verschiedenen militärischen Fundkontexten von Fleur Kemmers legt
nahe, dass die Flavier verschiedene Einsatzorte gezielt mit
bestimmten Reversmotiven versorgten[34].
Britannien, stellt Kemmers fest, sei dabei mit einer innerhalb
der Provinz oft ähnlichen aber im Vergleich zu kontinentalen
Stätten sehr unterschiedlichen Münzzusammensetzung offenbar »a
case in itself«[35].
Bei der Untersuchung der geografischen Verteilung der Denarfunde
für einzelne Motive ergeben sich jedoch zahlreiche
Schwierigkeiten. Dass eine Versorgung von
Regionen mit spezifischen Typen auch in Edelmetall geschah, ist
zwar naheliegend, aufgrund der deutlich anderen Umlauf- und
Fundsituation jedoch bisher nicht nachweisbar. Die
flavischen Hortfunde in Großbritannien sind aufgrund ihrer
Zusammensetzung auch aus deutlich älteren Münzen vermutlich
Schätze der lokalen Bevölkerung, während die mehrjährige Präsenz
von Agricolas Soldaten sich nicht in militärischen Horten
niedergeschlagen hat. C. H. V. Sutherland führte
dies darauf zurück, dass Agricolas Armee ständig in Bewegung
war, weshalb das Verstecken von Schätzen an einem bestimmten Ort
für die Soldaten wenig Sinn ergab[36].
Erschwerend kommt hinzu, dass die vespasianischen Denare zum
Zeitpunkt ihrer Ausgabe wegen der noch zahlreich vorhandenen,
materiell höherwertigen Denare aus der Zeit vor der neronischen
Reform eher nicht gespart wurden (und damit länger an einem Ort
verlieben), sondern bis zu einem weiteren Absinken des
Silbergehalts im Umlauf blieben[37].
Etliche Hortfunde in Großbritannien, so etwa auch ein
vergleichsweise zeitnah unter Domitian geschlossener Hort in
Howe, Norfolk beinhalten zwar das Sau- oder Modius-Motiv[38];
in einem in der Nähe von Bristol entdeckten Hort mit einer
Schlussmünze des Antoninus Pius befinden sich jedoch selbst
lykische Silberdrachmen Trajans, welche die schnelle und
umfassende Durchmischung von Silbermünzen im gesamten römischen
Reich illustrieren[39].
Auch wenn sich über das Portable Antiquities Scheme des
British Museum zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Textes
immerhin für das Sau-mit-Ferkeln-Motiv achtzehn und für das
Modius-Motiv vierzehn Einzelfunde in Agricolas ehemaliger
Provinz verzeichnen lassen, die vermutlich auf Verluste im
alltäglichen Gebrauch der Münzen zurückzuführen sind, bleibt der
entscheidende Zeitpunkt des Verlusts unklar[40].
Gleichzeitig gibt es für die hier besprochenen Typen auch
zahlreiche Fundexemplare von außerhalb Großbritanniens, über
Germanien bis ans Schwarze Meer und sogar nach Ägypten. Ein
ähnlich verstreutes Bild ergibt sich auch für andere flavische
Denarmotive – über die Kartierung der
Fundorte einzelner Typen ist deshalb nicht auf ihre
ursprünglichen Ausgabeorte zu schließen. Aussagekräftiger
sind womöglich mehrere, ebenfalls von SondengängerInnen in
England aufgespürte, antike Fälschungen der Motive[41],
die aufgrund ihres minderwertigen Materials vermutlich nicht
weit zirkulierten, sofern sie überhaupt für den monetären
Gebrauch vorgesehen waren, jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach
Kopien im römischen Britannien gängiger und deshalb
fälschungswürdiger Motive darstellten.
Sollten die Münzen tatsächlich für Agricola personalisiert
worden sein, wäre dies ein bemerkenswerter Vorgang, würde es
doch bedeuten, dass Vespasian, wenn auch nur für einen
bestimmten Adressatenkreis, einen Teil seiner Autorität mit
einem Untergebenen außerhalb der Kaiserfamilie geteilt hatte.
Seit Augustus monopolisierte der Kaiser die öffentliche
Aufmerksamkeit. Siegreiche Feldherren erhielten zwar noch
Ehrungen, die imperatorischen Akklamationen und Triumphzüge
waren nun jedoch dem Prinzeps vorbehalten. Auf Münzen wurde zwar
gelegentlich auch auf konkrete militärische Kampagnen verwiesen,
die Feldherren selbst spielten dabei, mit wenigen Ausnahmen aus
der Familie des Augustus, jedoch keine prominente Rolle.
Lediglich
RIC
I² 163–165 des Augustus, Teil der oben besprochenen
Motivreihe mit Apollo, Diana und stoßendem Stier, die als
Inspiration für die vespasianischen Typen gedient haben dürfte,
fassen die Erfolge untergeordneter Feldherren als Grund für eine
neue Akklamation ins Bild: Der Revers zeigt zur Legende IMP X
zwei männliche Figuren in Militärkleidung, die dem sitzenden
Kaiser Olivenzweige reichen. Aller Wahrscheinlichkeit nach
wurden hier Tiberius und Drusus anlässlich ihrer Siege in
Germanien und Pannonien ins Bild gefasst[42],
diese waren jedoch zumindest Mitglieder der kaiserlichen
Familie. Im staatlichen Medium Münze durfte sonst ausschließlich
der Kaiser abgebildet werden – nur im Fall von Usurpationen
hielt man sich nicht daran.
Ist es vor diesem Hintergrund überhaupt möglich, dass eine
Reihe von Münzbildern mit Blick auf jemand anderen als den
Kaiser, konkret Agricola, entworfen wurde? Ich denke ja. Die
hier besprochenen Münzen liefern tatsächlich Grund dazu, die
Annahme, dass kaiserzeitliche Münzmotive ausschließlich mit
Blick auf die Herrscherfamilie ausgewählt wurden, in Frage zu
stellen. Da durch die bäuerlichen Szenen allein bereits
verständlich auf Agricolas Namen angespielt werden konnte, war
es möglich, die Münzbilder zu personalisieren, ohne den
Feldherrn als Autorität in der Legende zu nennen oder gar sein
Portrait zu zeigen – beides wäre weiterhin undenkbar gewesen.
Zudem rücken sowohl Agricolas gutes Verhältnis zu den Flaviern
als auch seine ausdrückliche Bescheidenheit, wie sie uns sein
Schwiegersohn Tacitus überliefert, eine solche Motiventscheidung
in den Bereich des Möglichen. Agricola war ein Unterstützer
Vespasians der ersten Stunde. Bereits im ersten Jahr ihrer
Regierung genoss Agricola großes Vertrauen der Flavier, die ihm
eine im Verdacht der Illoyalität stehende Legion übergaben. Von
Vespasian wurde Agricola unter die Patrizier aufgenommen und mit
einer Statthalterschaft, dem Konsulat sowie der Aufnahme in das
hochangesehene Priesterkollegium der pontifices
ausgezeichnet[43].
An vielen Stellen betont Tacitus die nahezu programmatische
Bescheidenheit seines Schwiegervaters, der keine Berühmtheit
gesucht, sich dem Kaiser gegenüber nicht gerühmt und keine
fremden Taten für sich in Anspruch genommen habe[44].
Gerade diese Sorgen, die ein Kaiser mit einem erfolgreichen
Feldherrn haben konnte, scheint Agricola somit konstant aus dem
Weg geräumt zu haben. Bereits über Agricolas Verhalten als
Untergebener des vorherigen Statthalters in Britannien schreibt
Tacitus:
Aber niemals prahlte Agricola mit
seinen Taten zu seinem eigenen Ruhm: dem Oberkommandierenden
sprach er, der Untergebene, das glückliche Gelingen aus. So traf
ihn wegen seiner aufrechten Haltung im Gehorchen und seiner
Zurückhaltung im Eigenlob nicht der Neid und er hatte doch teil
am Ruhm[45].
Nach Mittel und Möglichkeit bleibt zuletzt noch die Frage
nach dem Motiv. Was wollte man mit Denaren, die im Münzbild auf
Agricola anspielten, bezwecken? Zunächst konnte die bereits
durch den monetären Wert einer Geldzahlung herstellbare
Beziehung zwischen Soldaten und Vorgesetzen dadurch, dass das
Zahlungsmittel auch daran erinnerte, von wem es ausgegeben
wurde, noch verstärkt werden[46].
Ein möglicher Anknüpfungspunkt sind die zahlreich belegten
Gegenstempel von Statthaltern und Feldherren auf Münzen des
ersten Jahrhunderts, darunter die berühmten Kontermarken des
Varus. Ohne den Zweck der einzelnen, vieldiskutierten
Gegenstempel mit Sicherheit klären zu können, ist in jedem Fall
bemerkenswert, dass sich neben den ebenfalls vorhandenen
Gegenstempeln mit dem Namen des Kaisers überhaupt solche mit dem
Namen des Feldherrn finden[47].
Hier zeigt sich, dass der lokale Befehlshaber für die
Autorisierung des Geldes durchaus eine Rolle spielen konnte.
Im konkreten Fall hilft wiederum Tacitus weiter: Im weit von
Rom entfernten Britannien[48]
ergab es aufgrund von Vorkommnissen in der Vergangenheit in
besonderem Maße Sinn, die Autorität des Feldherrn und sein gutes
Einvernehmen mit dem Kaiser öffentlich hervorzuheben. Für die
Zeit nach dem Boudicca-Aufstand unter Nero konnte Gil Gambash
zeigen, dass man von Rom aus eine besonders sensible
Umgangsweise mit Britannien zu finden suchte, um weitere
Konflikte zu vermeiden[49].
Insbesondere ging es darum, Respekt vor und Vertrauen in die
römische Autorität vor Ort zu schaffen, ohne dass dies durch
militärische Einschüchterung erreicht wurde. Unter Nero wurde
dafür der Freigelassene Polyclitus als persönlicher
Stellvertreter Neros nach Britannien entsandt, um kaiserliche
Autorität in die weit entfernte Provinz zu tragen. Mindestens
die einheimischen Britannier jedoch scheinen die Autorität beim
General und seiner Armee festgemacht zu haben – so berichtet uns
Tacitus, dass die Einheimischen es verwunderlich, ja gar
lächerlich gefunden hätten, dass ein Feldherr einem
dahergelaufenen Gesandten, zudem einem ehemaligen Sklaven, aus
Rom gehorchen musste[50].
Agricola hingegen, der die Gefühlslage seiner Provinz gut
kannte, habe absichtlich nicht auf Sklaven und Freigelassene bei
öffentlichen Geschäften zurückgegriffen, sondern vermutlich
schlichtweg vieles selbst erledigt[51].
Nach einer längeren Zeit einer »policy of appeasement«[52]
hatte es, trotz erfolgreicher Befriedung innerhalb der
Provinz, zuletzt jedoch noch eine Meuterei der eigenen Soldaten
gegen den vorherigen Statthalter Trebellius Maximus unter
Führung eines aufsässigen Legionslegaten gegeben. In einem
weiteren Beispiel berichtet Tacitus von Desertionen aus den
Truppen in Britannien[53].
Agricola war von Vespasian, der unter Claudius selbst Truppen in
Britannien kommandiert hatte, auch gerade deshalb nach
Britannien entsandt worden, weil er dort schon als Tribun und
Legionslegat gedient hatte[54].
Nicht nur Agricola war sich seiner potenziell schwierigen
Aufgabe zweifelsohne bewusst – auch der geldgebende Kaiser und
seine Berater werden nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte
gewusst haben, dass sowohl ein mildes Auftreten als auch eine
starke Autorität des vor Ort präsenten Statthalters für die
Befriedung der Provinz von großer Bedeutung war.
Nicht zuletzt hatten sich die Legionen in Britannien während
des Vierkaiserjahres auf die Seite von Vespasians Gegner
Vitellius gestellt und hierbei wohl einen maßgeblichen Teil von
dessen militärischer Schlagkraft ausgemacht[55].
Die Bürgerkriege der Jahre 68–69 n. Chr. hatten die Bedeutung
der Kontrolle über das Heer und insbesondere auch
führungsstarker aber loyaler Heerführer für die Stabilität der
Kaiserherrschaft eindrücklich in den Fokus gerückt. Auch
Vespasians Umgang mit Agricola muss vor diesem Hintergrund
betrachtet werden. In seiner Diskussion der
Loyalitätsverhältnisse im kaiserzeitlichen Heer argumentiert
Egon Flaig, dass die Beziehung der Soldaten zum Kaiser selbst
stets intensiver und entscheidender gewesen sei als die zum
Feldherrn[56].
Laut Flaig, der auch Agricola als Beispiel für einen Feldherren
mit »affektiver Nähe« zu seinem Heer anführt, zeige sich
dies darin, dass es im ersten Jahrhundert keine Usurpation auf
Grundlage einer größeren Nähe der Soldaten zum Feldherren denn
zum Kaiser gegeben hatte. In dieser Deutlichkeit steht die
Argumentation meines Erachtens jedoch auf wackligen Beinen, ist
doch der Grund dafür, dass die Truppen Agricola auch unter
Domitian nicht die Kaiserwürde antrugen, zu einem nur schwer
ermessbaren Teil auch in der von Tacitus so auffällig betonten
Loyalität des Feldherrn selbst gegenüber dem Kaiserhaus zu
suchen. Folgt man der hier vorgeschlagenen Zuordnung
personalisierter Münzmotive für Agricola in Britannien, ist
davon auszugehen, dass Vespasian die »dinglichen Symbole«
in der Kommunikation mit dem Heer in diesem Fall nicht
vollständig »monopolisierte«[57].
Es gibt gute Gründe davon auszugehen, dass er eine starke
persönliche Autorität des lokalen Heerführers als wichtig für
die Kontrolle über die Legionen begriff und diese, zusammen mit
dessen enger Verbundenheit zum flavischen Kaiserhaus als zwei
Seiten der gleichen Münze auch absichtlich kommunizierte.
Aufgrund der oben vorgebrachten Argumente schlage ich vor,
dass die Münztypen mit landwirtschaftlichen Motiven nicht nur
zufällig perfekt zum Feldherrn des wichtigsten aktuellen
Kriegsschauplatzes passten, sondern absichtlich so gestaltet und
an Agricola übersandt wurden. Sie wären somit Zeugnis einer
bisher in dieser Form einzigartigen, ideellen Unterstützung des
Kaisers für seinen Feldherrn und legen nahe, dass das wichtige
affektive Nahverhältnis der Soldaten zum Feldherrn zumindest
nach der Erfahrung der Bürgerkriege des Vierkaiserjahres von
zentraler Stelle bewusst gefördert wurde. Dass auch Vespasian
vom Charisma Agricolas profitierte, war ein sicherlich
beabsichtigter Nebeneffekt.
*
Für Ermutigung, Kritik und Korrekturen – und für
die Offenheit gegenüber gewagten Thesen – danke ich
insbesondere Johannes Wienand und Marjanko Pilekić.
Mein Dank für hilfreiche Anmerkungen gilt auch der
OZeAN-Redaktion und den anonymen Gutachtern. Sämtliche
Verirrungen bleiben natürlich meine eigenen.
[1] Siehe Carradice – Buttrey
2007 (= RIC II,1²), 129, Anm. 186, wo auf ein »plated
example« des Typs mit der Reverslegende IMP XIII
verwiesen wird.
[2] Siehe unten;
vgl. Ziegert 2020, 161–162.
[3] Üblicherweise
wird das Tier als Ziege identifiziert, gut erhaltene
Exemplare zeigen jedoch eindeutig Kopfform und Wolle
eines Schafes und damit eines in der römischen
Landwirtschaft noch prominenteren Nutztieres. Vgl. dazu
die Ziege mit Bart, Hörnern und hochstehendem Schwanz
auf Münzen des Titus (RIC
II,1² 267).
[4] Ergänzung zu RIC II,1²
abgebildet bei Ziegert 2020, Taf. 14.
[5]
RIC II,1² Vespasian 984 ist ein wohl versehentlicher
Hybrid des Sau-mit-Ferkel-Motivs mit einem Avers
Vespasians (wie
977) und einem Revers des Titus (wie
986).
[6] Häufiger ist das
Stier-Motiv jedoch mit der Konsulatsangabe statt der
imperatorischen Akklamation wie im Original. Zu dieser
und anderen augusteischen Übernahmen des Jahres siehe
Ziegert 2020, 139–141.
[7] Kraft 1969,
29–35; Ziegert 2020, 140; contra Mannsperger 1991,
387–388, der den Stier aber zumindest auch als Symbol
des Kriegsgottes versteht.
[8] Mattingly 1930, S. xli;
ebenso Rickman 1980, 262. Die
Deutung der Motive von Bianco 1968, 149, 156–157 als
Abbildung der wiedererblühten Landwirtschaft anlässlich
des zehnjährigen Jubiläums »della vittoria e
della pace« wäre schlichtweg zwei bis drei Jahre
verfrüht.
[9] U. a. bei
Ziegert 2020, 162 mit weiterer Literatur. In beiden
Fällen bleibt das Modius-Motiv außen vor, das einer
gänzlich anderen Thematik zugeordnet werden müsste.
Sowohl für die Wildsau von Lavinium als auch für die
Bildtradition eines Tierfriedens wären zudem säugende
(Wild-)Tiere typisch, kein explizit landwirtschaftlicher
Kontext (siehe dazu Winkler-Horaček 2018). Für eine
Abbildung der Sau von Lavinium auf Münzen vgl.
RIC III Antoninus Pius 733. Mit Winkler-Horaček 2018
ergibt sich die Friedenssymbolik im Tieridyll gerade
durch die Gegenüberstellung von Harmonie und Wildheit
und die Abkehr von Gewalt. Da die militärische Gewalt in
diesem Fall ein negatives Gegenbild darstellen müsste,
mag die explizite Feier eines neuen militärischen Sieges
in diesem Zusammenhang nicht so recht passen. Die
Deutung des Sau-Motivs als gezielte Beleidigung der
Juden (Bressett 2005, 88) ist in mehrfacher Hinsicht
fragwürdig und allein wegen der unpassenden Datierung
und Unstimmigkeit mit dem Rest der Serie abzulehnen.
[10] Die Göttinnen
Ceres und Annona, die verwendet wurden, um die
Sicherheit der Kornversorgung zu kommunizieren, wurden
im Gegensatz zu anderen Gottheiten schwerpunktmäßig auf
niedrigen Buntmetalltypen abgebildet. Auch seine
Bautätigkeiten bewarb Vespasian ausschließlich auf
Aes-Nominalen. Zur Zielgruppenorientierung gibt es
zahlreiche Beiträge, die ich an dieser Stelle nicht
umfänglich besprechen möchte. Ich folge der Auffassung,
dass eine Rezipientenorientierung der Münzmotive, wenn
auch nicht mit trennscharfer Genauigkeit, zumindest in
Bezug auf die Erstempfänger einer frischen Prägegruppe
möglich war und praktiziert wurde. Siehe zu Zielgruppen
u. a. Wolters 1999, 288–289, Hekster 2003, Marzano 2009.
[11] Vgl. zur Rolle von
Edelmetall in der Besoldung Wolters 2001; vgl. Ziegert
2020, 25–26 zur »speziellen Situation« nach der
neronischen Reform, »welche die Chance bot, einen
viel größeren Anteil neuer Prägungen in Umlauf zu
setzen«.
[12] Fears 1981,
915.
[13] Siehe dazu
Albert 1986, 115; ein weiterer, zusammenfassender
Kommentar zu »Corn and Coins« bei Rickman 1980,
257–267.
[14] Mattingly 1930, S. xli;
Mars mit Kornähre als Friedensbringer auch bei Bianco
1968, 149.
[15] Mattingly 1930, S. xl.
[16]
RIC II,1² Vespasian 947, nur einmal belegt, soll ein
Aureus des gleichen Motivs sein, dessen Authentizität
ich aufgrund der Systematik ebenso wie Carradice –
Buttrey 2007, 127 Anm. 182 in Zweifel ziehen möchte.
[17]
RIC II,1² Vespasian 945 scheint wiederum ein
versehentlicher Hybrid des Ochsenmotivs mit einem Avers
Vespasians (wie
936) und einem Revers des Titus (wie 951) zu sein.
[18]
RIC II,1² Vespasian 952 ist eine Variante mit
VESPASIAN statt VESPASIANVS.
[19] Siehe Carradice –
Buttrey 2007, 127, Anm. 183.
[20] Ziegert
2020, 159, 162.
[21] Ziegert
2020, 160–162. Die Gruppe wird wegen der parallelen
Gestaltung der Averstitulatur üblicherweise ebenfalls
77–78 n. Chr. zugewiesen, ein als Grund für die
Zuordnung angeführter, thematischer Zusammenhang der
Motive (Bianco 1968, 149) muss jedoch m. E. ursprünglich
nicht bestanden haben.
[22] Dies wäre
durchaus denkbar gewesen, hatte Mars doch auch in diesem
Kontext kultische Bedeutung, vgl. etwa Cato. agr. 141.
[23] Er ist als solcher
erwähnt in den einleitenden Bemerkungen zu Terenz’
Heautontimorumenos. Siehe zum Werdegang dieser vier
Valerier ansonsten Münzer 1955, 20–25.
[24] Mehr
Beispiele dazu zum Getreidethema etwa bei Albert 1986.
[25] Siehe etwa
RIC II,1² 23 und
39 aus den ersten Regierungsjahren – Mars dort zwar
ähnlich, aber noch weniger bekleidet, schreitend statt
stehend und mit aquila statt tropaeum.
[26] So die
Argumentationslinie im berühmten Artikel von Buttrey
1972, 99–100. Buttrey bemerkt zwar, dass zumindest der
Schafhirte und die Sau mit Ferkeln keinerlei Vorbilder
in der römischen Münzprägung haben, meint jedoch, diese
sollten »a late Republican origin« suggerieren.
[27] Dass diese Bedeutung
mitschwang, ist selbstverständlich nicht auszuschließen.
[28] Die Trennung
der Arbeitsfelder von Ackerbauern und Hirten in der
Antike dürfte hier kein Problem darstellen. Sowohl Cato
als auch Columella erwähnen Schafhaltung als
selbstverständlichen Bestandteil eines
landwirtschaftlichen Gutsbetriebs (u. a. Cat. Agr. 2,7;
10,1; 30,1; 36,1; 39,1; Colum. 1,6,21; 7,2,1). Columella
arbeitet Schaf- und Ziegenhaltung im gleichen Buch (7)
wie Schweinehaltung ab. Auch das Schafmotiv dürfte im
weitergefassten semantischen Gehalt von agricola,
vor allem in Kombination der Motive, somit durchaus
enthalten gewesen sein – zumal, wenn man agricola
im Vergleich zu rusticus oder agrestis als
übergeordneter »Grundbesitzer« übersetzt (Vgl.
Ambr. in Lc. 8,4).
[29] Agricola
wird in den Quellen stets mit seinem charakteristischen
Cognomen angesprochen. Da er der erste Träger des Namens
in der Familie und sein Vater ein bekannter
Agrarschriftsteller war (erwähnt von Colum. 1,1,14; vgl.
Gaheis 1918, 126), dürfte die Bedeutung des Cognomens
für Zeitgenossen leicht herzuleiten, wenn nicht
offensichtlich gewesen sein. Dass die Römer großes
Interesse an der Bedeutung von Cognomina und Spitznamen
hatten, belegt in der Spätantike Johannes Lydus (mag.
1,22–3), der in de magistratibus die Herkunft
einer Vielzahl römischer Cognomina erklärt und bemerkt,
dass diese seines Erachtens spielerische Eigenart der
Römer allein mehrere Bände füllen könnte.
[30] CIL 16, 22 =
AE 1925, 67; CIL 16,23 = CIL 13,11967 = AE 1906, 99; AE
2010, 1853; AE 2008, 1728; vgl. dazu Eck – Pangerl 2008
und 2010; Kienast – Eck – Heil 62017, 102;
Weynand 1909, 2671–2672.
[31] CIL 3, 6993;
CIL 3, 14188,3.
[32] Ziegert 2020, 160;
Buttrey 1980, 7. Agricola traf laut Tac. agr. 18 im
Sommer in Britannien ein und führte entgegen der
Erwartung sogleich erfolgreiche militärische Operationen
durch. Ich halte es hier wie bereits Gaheis 1918,
129–30: »Die Bemerkung Tac. 9 statim
Britanniae praepositus est und die Angabe ebd. 18,
Agricola sei media iam aestate hingereist (d. i.
›schon‹ oder ›noch Mitte Sommer‹, obwohl er im selben
Jahre das Consulat bekleidete […] scheinen an und für
sich auf das J. 77 hinzuweisen«; Vgl. auch Birley 2005,
77–78. Erwähnt sei eine alternative Deutung von Weynand
1909, 2671, der davon ausging, dass die bei Wiesbaden
gefundene Inschrift (CIL 16,23 = CIL 13,11967; Weynand
nennt sie lex de civitate et conubio) mit Nennung
der 19. imperatorischen Akklamation Vespasians auch das
geografische Gebiet des Sieges angibt und die
Akklamation deshalb mit dem sonst kaum überlieferten
Krieg gegen die Brukterer zu verbinden sei.
[33] Die Betonung
des Konsulats auf den Reversen dieser ersten Gruppe
schwächt den möglichen Bezug zu Agricola nicht – im
Gegenteil könnte auch hier bereits der im Volk beliebte
Feldherr mitgemeint sein, der für seine bisherigen
Verdienste mit dem Konsulat belohnt und deshalb von
seiner Statthalterschaft aus Aquitanien zurückgerufen
worden war, bevor er anschließend das
Britannien-Kommando übernahm (siehe Anm. 43). Auch der
in der COS-Serie nach republikanischem Vorbild (RRC
521/1 und
521/2)
produzierte Münztyp mit Schiffsbug und sidus Iulium
könnte in diesen Kontext eingebunden werden und die
Britannieninvasion Caesars evozieren.
[34] Kemmers 2006, 223–240;
vgl. auch Ziegert 2020, 247; zuletzt zu
regionalen Schwerpunkten auch Werz 2020 mit
umfangreichem Kartenmaterial für den Umlauf
augusteischer Aesprägungen in Gallien und Germanien.
[35] Kemmers
2006, 237. Von den Münzen 77–78 finden sich, anders als
in Germanien, hier neben Spes und Fides auch noch einige
militärischere Motive mit Victoria oder Adler (239).
[36] Sutherland 1939, 16.
[37] Sutherland 1939, 19
wies dies anhand der trajanischen Hortfunde nach, wo
vespasianische Denare wiederum erheblich häufiger als
die anderer post-neronischer Kaiser vorhanden waren,
jedoch deutlich abgegriffen.
[38]
Bland – Burnett 1988 (= CHRB VIII), 2. Howe, Norfolk
[addenda].
[39]
Bland – Burnett 1988 (= CHRB VIII),
3. Lawrence Weston, Avon.
[40]
Abgerufen über
https://finds.org.uk/ am
13.01.2020. Das Schafhirten-Motiv habe ich in den
Einzelfunden nicht aufgefunden, nachweisbar sind jedoch
auch Schiffsbug mit Stern sowie Ochsengespann. Aufgrund
der starken Abnutzung der meisten Münzen ist bei den
meisten Mars-Typen nicht reliabel erkennbar, ob es sich
um einen Typ mit oder ohne Kornähre handelt.
[41] Portable
Antiquities Scheme: Identifikationsnummern
NMGW-860B20,
LANCUM-8E11E9,
BH-FEE993,
BH-12CFA6.
[42] Vgl. bereits
Sydenham 1917, 24.
[43] Tac. agr. 7,2–3; 9,1;
9,6.
[44] Tac. agr. 8; 9,4; 18,6;
22,4. Dio 66,20,3 zeigt, warum Tacitus Interesse daran
hatte, dies im Nachhinein besonders hervorzuheben.
[45]
Tac. agr. 8,3. Übers. Rudolf
Till.
[46] Es ist
unklar, aber wahrscheinlich, dass zumindest ein Teil der
Löhnung auch vom Feldherrn persönlich vorgenommen
wurden. Liv. 28,29,2 berichtet davon, dass sich eine
Soldzahlung wegen des schlechten Gesundheitszustandes
des Feldherrn verzögerte.
[47] Nur auf
Münzen von Usurpatoren im Vierkaiserjahr finden sich
regelmäßig Gegenstempel auf Denaren, die der Münze eine
neue Autorität geben sollten. Vgl. zu Gegenstempeln
allgemein mit Beispielen Baker 1984. Für römische
Gegenstempel in der östlichen Reichshälfte, auch
Gegenstempel des Varus aus seiner Statthalterschaft in
Syrien, siehe Howgego 1985. Bereits Grünwald 1946, insb.
99–106 konnte plausibel machen, dass die Gegenstempel
nicht ausschließlich aus wirtschaftlich-pragmatischen,
sondern zumindest zum Teil auch aus propagandistischen
Gründen angebracht worden sein müssen.
[48]
Hor. carm. 1,35,29–30: […]
in ultimos orbis Britannos.
[49]
Gambash 2012.
[50]
Tac. ann. 14,39.
[51]
Tac. agr. 19.
[52]
Gambash 2012, 10.
[53] Tac.
agr. 28; 16,3–4; Tac. hist. 60.
[54] Tac.
agr. 9,5; Birley 2005, 71 nennt Agricola den »›British
specialist‹ par excellence«.
[55] Tac. hist. 1,59,2;
1,61,1.
[56] Flaig ²2019,
184–185.
[57] Flaig ²2019,
185.