Pleister Mühle
Die in der Bauerschaft Werse am gleichnamigen Flüsschen südlich von Handorf gelegene Pleister Mühle ist heute ein Landgasthof. Der Name geht auf eine hier bereits im Mittelalter gelegene Kornmühle zurück, die zum Schultenhof Blesheri (Pleister) gehörte. Hof und Mühle wurden als Lehen vom Münsteraner Bischof vergeben, zunächst an das Kapitel von Sankt Ludgeri (nachgewiesen 1320), dann an das Domkapitel (nachgewiesen für 1412). Im späteren 15. Jahrhundert hatten es die Erbmänner von Schenking inne, später dann die Kerkering und Borg. Um 1800 findet der Müller Johann Wilhelm Schopmann auf der Pleister Mühle Erwähnung, der hier seit 1808 eine Gaststätte betrieb. 1832 wurde eine zweite Mühle am östlichen Werseufer ergänzt. 1835 gingen beide Mühlen an die Westfälische Provincial-Hülfskasse und 1842 an den Bauern Große Bracht. Inzwischen wird nicht mehr gemahlen, aber die Ausflügler aus der Stadt sind seit 1808 geblieben.
Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit waren Mühlen Orte mit einem spezifischen rechtlichen Regelungsbedarf. Denn einerseits nutzten sie im Fall von Wasser- oder Windmühlen Energiequellen, deren ‚Besitz‘ zu klären war. Andererseits bestand ein öffentliches Interesse an Mühlen: Als Korn- oder Ölmühlen trugen sie wesentlich zur Versorgung mit Lebensmitteln bei, als Säge-, Hammer- oder Papiermühlen waren sie für die gewerbliche Produktion von herausragender Bedeutung. Daher war man an Regelungen des Zugangs, aber auch des grundlegenden Erhalts interessiert, die im sogenannten Mühlenregal und in Mühlenordnungen behandelt wurden.
Das Mühlenregal war Teil des Wasserrechts, in dem die Gewässernutzung geregelt wurde. Seit etwa dem 12. Jahrhundert lagen diese Rechte in der Hand des Territorialherrn, im Fall der Pleister Mühle also in der Hand des Bischofs, der im Hochstift Münster das alleinige Recht zum Bau und Betrieb von Mühlen hatte. Das Grundprinzip, nach dem die nicht klar zu lokalisierenden natürlichen Energieressourcen dem Territorialherrn als Regal zustanden, wurde mit dem Aufkommen von Windmühlen im Übrigen vom Wasser auf den Wind übertragen. Anders lag der Fall bei Hand- oder Rossmühlen, da diese Anlagen auf dem eigenen Grund und Boden gebaut wurden und für deren Antrieb selbst gesorgt wurde. Die Territorialherren bauten und betrieben Wasser- und Windmühlen üblicherweise nicht selbst, sondern vergaben die sogenannte Mühlengerechtigkeit gegen gewisse Geld- oder Naturalienzahlungen als (zeitlich begrenztes) Privileg oder (Erb-)Lehen an Dritte.
Gleichwohl regelten landesherrliche Mühlenordnungen grundlegende Fragen des Betriebs von Mühlen. Darin finden sich im Laufe der Frühen Neuzeit zunehmend detailliertere Vorgaben, etwa zur Stauhöhe von Gewässern, zu Unterhalt und Reparatur der Mühlgräben, zu hygienischen Standards oder zur Eichung der verwendeten Messgefäße. Festgelegt wurden auch gewisse Monopolrechte, die zumeist als Bann- und Zwangsrechte bezeichnet wurden. Im Fall von Wassermühlen wurde typischerweise geregelt, in welchem Abstand die an einem Fluss gelegenen Mühlen zueinander liegen mussten, um sicherzustellen, dass alle hinreichend Wasser für den Betrieb erhielten.
Im Fall von Getreidemühlen wurde im Mühlenbann häufig auch festgesetzt, dass die Bewohner eines bestimmten Gebietes ihr Korn nur in einer bestimmten Mühle mahlen lassen durften. Eine Maßnahme, die im Interesse der Mühlenbesitzer dafür sorgte, dass die Auslastung und damit der Umsatz der im Unterhalt recht teuren Mühlen möglichst hoch war. Diese Form des Mahlzwangs lässt sich für das Hochstift Münster allerdings nicht nachweisen. Vielmehr stand den Bauern und Grundherren die Mühlenwahl frei, ja ihnen war sogar gestattet, Korn für den eigenen Bedarf mit einer Hand- oder Rossmühle selbst zu mahlen (das Mahlen für Dritte war allerdings verboten).
Die Freizügigkeit bei der Wahl der Mühle war eher selten, hielt sich im Münsterland aber auch nach der Auflösung des Hochstifts 1802/03. Dazu beigetragen haben dürfte, dass die Landesherrschaft in rascher Folge mehrfach wechselte. Die zunächst übernehmenden Preußen hatten im „Allgemeinen Preußischen Landrecht“ (1794) zwar eine sehr viel restriktivere Regelung festgesetzt, aber über eine mögliche Einführung in der neuen Provinz war noch gar nicht verhandelt worden, als diese 1806 von den Truppen Napoleons eingenommen wurde. Mit dem Wiener Kongress 1815 wurde das Gebiet des Oberstifts zwar wiederum Preußen zugeschlagen, allein inzwischen hatten sich die Zeiten grundlegend geändert: Seit 1810 herrschte in Preußen Gewerbefreiheit, die es nun auch den preußischen Untertanen gestattete, ihr Korn in einer Mühle ihrer Wahl mahlen zu lassen.
Ulrike Ludwig
Zum Weiterlesen
Peter Theißen: Mühlen im Münsterland, Münster 2001.