© Stadtarchiv Münster, Kriegschronik Wiemers, August 1943, Foto Nr. 204

Sowjetisches Kriegsgefangenenlager in Handorf-Dorbaum

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges verschärfte sich in Münster und Umgebung wie anderswo auch der Arbeitskräftemangel in Industrie und Landwirtschaft. Ab Herbst 1939 wurde dieser Umstand durch den Einsatz von Kriegsgefangenen aus den besetzten Ländern wie Frankreich, Polen, Serbien, später den Niederlanden und anderen Ländern behoben. Seit Sommer 1942 gelangte eine größere Zahl von Zivilarbeiterinnen und -arbeitern nach Münster, die vor allem aus den besetzten Gebieten der Sowjetunion stammten. Zumeist wurde diese nach Zwangsrekrutierung zur Arbeit im Deutschen Reich gezwungen.

Schätzungsweise 12.000 Männer und Frauen leisteten in Münster Zwangsarbeit. Sie waren in landwirtschaftlichen Betrieben ebenso beschäftigt wie in Handwerks- und Rüstungsbetrieben, aber auch für die Stadt Münster. Hier kamen sie bei der winterlichen Straßenräumung, bei Bau- und Instandsetzungsarbeiten, der Trümmerbeseitigung oder der Bergung von Leichen nach Luftangriffen zum Einsatz.

Die Arbeiterinnen und Arbeiter waren seltener in Privatquartieren untergebracht, zumeist in Schulen, Baracken und auf Firmengeländen. Vor allem wurden sie in verschiedenen, meist nur notdürftig ausgestatteten Lagern einquartiert, die über die Stadt verteilt und in der Regel umzäunt und streng bewacht waren (Lager Hugerlandshof, Fliegerhorst Loddenheide, DAF-Lager Angelmodde und Mecklenbeck u.a.). Die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter waren miserabel; ihre Bewegungsfreiheit war stark eingeschränkt. Für die aus den östlichen Ländern stammenden Arbeiter war die Situation gemäß der nationalsozialistischen Rasseideologie noch schlechter. Körperlich schwerste Arbeit, unzureichende Ernährung, mangelhafte hygienische Bedingungen sowie die rigorosen Kontroll-, Disziplinierungs- und Bestrafungsmaßnahmen der Machthaber prägten ihren Alltag; die Sterblichkeit unter ihnen war besonders hoch. Verfehlungen wurden streng geahndet und konnten neben Prügelstrafen oder die Einweisung in ein Arbeitserziehungs- oder Konzentrationslager auch Hinrichtungen nach sich ziehen.

Der Ehrenfriedhof für sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter
© Fritz von Poblotzki

Infolge der so genannten „Polenerlasse“ (8. März 1940) mussten polnische Arbeiterinnen und Arbeiter „P“-Kennzeichen tragen; Kontakte zu Deutschen war strengstens verboten. Geschlechtsverkehr („Verbotener Umgang“) wurde besonders schwer verfolgt und endete für die beteiligten Zwangsarbeiter – wie im benachbarten Greven im August 1942 – mit der Todesstrafe. Die „Ostarbeiter-Erlasse“ (20. Februar 1942) unterwarfen dann auch Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion einem diskriminierenden Sonderrecht.

Nach dem Krieg durften die Arbeiterinnen und Arbeiter in ihre Heimatländer zurückkehren. In Münster erinnert unter anderem der Ehrenfriedhof für sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter Handorf-Dorbaum an das Schicksal dieser Menschen.

Christoph Lorke

 

Zum Weiterlesen

Stadt Münster: Zwangsarbeit in Münster und Umgebung 1939-1945.

Marcus Weidner: Nur Gräber als Spuren. Das Leben und Sterben von Kriegsgefangenen und „Fremdarbeitern“ in Münster während der Kriegszeit 1939-1945, Münster 1984.

Franz-Josef Jakobi, Alfons Kenkmann (Hgg.): Zwangsarbeit in Münster und Umgebung 1939 bis 1945. Wahrnehmungen – Begegnungen – Verhaltensweisen, Münster 2003.

Gisela Schwarze: Gefangen in Münster: Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter, Zwangsarbeiterinnen 1939 bis 1945, Essen 1999.