10 Jahre EIMI: „Die Vervollständigung eines Mosaiks“
Im Jahr 2017 feierte das European Institute for Molecular Imaging sein zehnjähriges Jubiläum und gleichzeitig die Berufung von Friedemann Kiefer auf die Professur für Intravitale molekulare Bildgebung. Wie hat sich das Institut in den ersten zehn Jahren entwickelt? Was waren besondere Momente? Das erzählen die Direktoren des EIMI, Prof. Dr. Michael Schäfers, Prof. Dr. Andreas H. Jacobs und Prof. Dr. Friedemann Kiefer, in einem Interview.
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Als das EIMI 2007 gegründet wurde, hieß es in einer Pressemitteilung „Erstes Europäisches Institut für Molekulare Bildgebung“. Prof. Schäfers, Sie waren von Beginn an dabei. Was war an der Gründung des EIMI so besonders?
Michael Schäfers: Zu diesem Zeitpunkt gab es im europäischen Raum noch kein Institut, das mit der molekularen Bildgebung Grundlagenwissenschaften und klinische Anwendungen zusammenbrachte. Damals war die molekulare Bildgebung größtenteils in der klinischen Forschung angesiedelt und bedeutete, dass nuklearmedizinische Verfahren bei Patienten angewendet wurden. Wir wollten diese Verfahren aber parallel in der präklinischen Forschung einsetzen, unsere Bandbreite an Bildgebungsverfahren erweitern – zum Beispiel um optische Bildgebungsverfahren – und die Brücke zwischen Grundlagenforschung und Klinik schlagen.
Der Initiator und „Spiritus rector“ des EIMI, Prof. Otmar Schober, hatte die Vision, ein internationales Zentrum zu etablieren – und das wollten wir dann auch direkt im Namen des Instituts deutlich machen. Heute können wir sagen, dass uns das gelungen ist. Im EIMI arbeitet ein internationales Team und es bestehen viele internationale Kooperationen. Den Grundstein für das EIMI konnten wir 2005 mit dem Sonderforschungsbereich 656 „Molekulare kardiovaskuläre Bildgebung“ legen. Dadurch war unsere Forschung zum ersten Mal über die Grenzen der Universität hinaus sichtbar geworden.
So sehr, dass man Siemens gewinnen konnte, das EIMI zu fördern.
Michael Schäfers: Das war wirklich eine große Chance für uns. Der damalige CEO von Siemens Medical Imaging, Prof. Erich Reinhardt, hatte die Einzigartigkeit des EIMI erkannt, und Siemens wurde unser Gründungspartner. Acht Jahre lang hat uns das Unternehmen in Form von zwei Stiftungsprofessuren gefördert – das waren die Professur von Andreas Jacobs und meine eigene. Nach Ende der Förderung wurden beide Professuren durch die Universität verstetigt. So entstand nach und nach das Institut.
Andreas Jacobs: Und das war natürlich eine perfekte Basis für alle weiteren Projekte. Neben Siemens- und DFG-basierter Förderung ist es uns gelungen, substantielle Fördermittel über das Bundesministerium für Forschung und Bildung sowie die EU einzuwerben.
Im EIMI arbeiten Wissenschaftler aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen zusammen – dazu zählen Biomediziner, Chemiker, Physiker, Mathematiker und Informatiker. Was bedeutet diese Interdisziplinarität für die Forschung?
Friedemann Kiefer: Nur durch die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern dieser verschiedenen Fachrichtungen gelingt es uns, die molekulare Bildgebung so weiter zu entwickeln, dass wir sie mit maximalem Erkenntnisgewinn in der biomedizinischen Forschung einsetzen können: Wir versuchen, Moleküle zu identifizieren, die Aufschluss über physiologische und pathologische Prozesse im Körper geben können. Diese Moleküle wollen wir sichtbar machen, wozu wir neue Technologien entwickeln müssen. In solchen interdisziplinären Projekten werden unsere Doktoranden von Vertretern verschiedener Fächer betreut. Das stimuliert die wissenschaftliche Kreativität durch die Erfahrung fachfremder Lösungsansätze anderer Disziplinen. So können diese sehr guten Nachwuchswissenschaftler ihr Potenzial voll entfalten.
Andreas Jacobs: Das Spannende dabei ist, dass die einzelnen Fachgebiete gegenseitig ständig dazulernen. In einer Doktorandenbesprechung sieht man, dass jeder Spaß an den Forschungsarbeiten des anderen hat. Viele Projekte kommen nur zustande, weil wir alle über den Tellerrand blicken und uns Fragestellungen noch einmal aus einer anderen Perspektive oder mit anderen Methoden ansehen wollen.
Michael Schäfers: Und das macht auch die Atmosphäre im Institut so lebendig. Das Verhältnis unter den Kollegen ist ein sehr offenes – und ich glaube diese Stimmung hat sich über das EIMI hinaus verbreitet.
Welche Faktoren haben dazu geführt, dass das Konzept so gut aufgegangen ist?
Friedemann Kiefer: Ich glaube, das war zum einen, dass Otmar Schober und seine Kollegen eine übergeordnete Vision hatten. Und damit zusammenhängend gab es den Willen, Geduld zu haben und nicht sofort nach drei Jahren große Ergebnisse zu erwarten.
Michael Schäfers: Ja, das hat uns die Zeit gegeben, zunächst eine gemeinsame Sprache zwischen den einzelnen Disziplinen zu entwickeln. Heute bin ich als Nuklearmediziner natürlich immer noch kein Chemiker, weiß zum Beispiel nicht, wie man Synthesen selbst plant und umsetzt. Aber ich kann nachvollziehen, was in der Chemie passiert und umgekehrt genauso. Das ist ein fortlaufender Prozess: Jeder neue Mitarbeiter muss sich letztendlich im interdisziplinären Austausch zunächst auf die Sprache des anderen einstellen.
Andreas Jacobs: Es ist mit der Zeit auch gelungen, bei den einzelnen Fakultäten die Bereitschaft zu schaffen, sich auf ein derartiges Konzept einzulassen – also Vertrauen auf- und Zweifel abzubauen. Jeder zieht einen Nutzen aus der gemeinsamen Arbeit.
Was waren besonders bemerkenswerte Momente in den vergangenen zehn Jahren?
Michael Schäfers: Für mich persönlich war ein ganz bedeutender Moment, als unser Sonderforschungsbereich (SFB) die maximal mögliche Förderdauer von zwölf Jahren erreicht hatte – daran war das EIMI sicher maßgeblich beteiligt, weil es einen strukturellen und personellen Kern für den SFB bilden konnte. Gleichzeitig war das EIMI auch ein „Motor“ des 2012 bewilligten Exzellenzclusters „Cells in Motion“, in dem die Interdisziplinarität nun auf einer noch breiteren Ebene gelebt wird.
Friedemann Kiefer: Als feststand, dass das „Multiscale Imaging Center“ – das MIC – gebaut wird, haben wir uns natürlich sehr gefreut. Im MIC werden voraussichtlich ab 2019 Arbeitsgruppen aus allen Bildgebungsbereichen der Universität in einem Gebäude forschen.
Andreas Jacobs: Was die Technologien betrifft, waren die vergangenen Jahre eine Vervollständigung eines Mosaiks, in das wir nach und nach immer mehr Bausteine, die Bildgebungsverfahren, etablieren konnten. Angefangen haben wir mit den nuklearmedizinischen Verfahren PET und SPECT, zusammen mit der Computertomographie. Dann kam die optische Bildgebung hinzu, unter anderem mit meiner Berufung im Jahr 2009. Es folgten Ultraschallverfahren und im Jahr 2013 die fotoakustische Bildgebung. Später haben wir die ersten Untersuchungen mit der Zwei-Photonen-Mikroskopie gemacht, bis wir jetzt mit der Berufung von Friedemann Kiefer die komplette Bandbreite der bildgebenden Verfahren auch personell aufgebaut und verankert haben.
Es handelt sich dabei um eine neue Professur für Intravitale molekulare Bildgebung. Prof. Kiefer, was bedeutet das für das Institut?
Friedemann Kiefer: Ich untersuche molekulare Vorgänge vorwiegend unter Verwendung mikroskopischer Verfahren auf der Ebene einzelner Zellen, um dann die Konsequenzen für ganze Organe oder den Organismus besser zu verstehen. Dieser Fokus, die lichtmikroskopische Bildgebung, hat im EIMI auf der Professorenebene noch gefehlt. Es gibt nach wie vor eine große Lücke zwischen den Grundlagenforschern, die mit zellulärer Auflösung Prozesse unter dem Mikroskop betrachten und den meist präklinisch oder klinisch orientierten Wissenschaftlern, die mit Verfahren der Ganzkörperbildgebung arbeiten. Wir wollen diese in verschiedenen biologischen Größendimensionen gewonnenen Ergebnisse über die Größenskalen zusammenführen und verstehen lernen: Was bedeuten unsere Erkenntnisse aus der „Welt der Zellen“ für die größeren Skalen Organ und Gesamtorganismus?
Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Michael Schäfers: Mit unserem Einzug ins MIC rücken wir mit weiteren Arbeitsgruppen und Instituten zusammen. Durch die räumliche Nähe werden wir mit den einzelnen Fakultäten noch enger zusammenarbeiten können.
Friedemann Kiefer: Das EIMI wird ein wichtiges Organ im Organismus MIC sein.
Michael Schäfers: Eines unserer Ziele ist es, auch weiterhin viele spannende Projekte einzuwerben. 2017 war das EIMI im Hinblick auf DFG-Förderungen unter den drittmittelstärksten Instituten an der Medizinischen Fakultät. Das zeigt, dass wir im Wettbewerb bestehen können und unser Forschungsthema relevant ist. Außerdem wollen wir natürlich auch weiterhin neue Wege entdecken.
Bedeutet das, noch weitere Disziplinen einzubeziehen?
Friedemann Kiefer: Durchaus, in den naturwissenschaftlichen Grundlagenwissenschaften entwickeln sich neue interdisziplinäre Richtungen. Die Biomechanik ist ein Feld, das wir integrieren werden und schon jetzt spannende Ergebnisse darüber liefert, wie biomechanische Einflüsse das Gefäßsystem programmieren und verändern.
Andreas Jacobs: Oder man braucht Ingenieurwissenschaften, um Gewebe künstlich zu erzeugen. Die Möglichkeiten sind noch lange nicht ausgeschöpft.