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Was man in Lissabon tut, wenn man viel Zeit hat.

Lissabon ist eine der Städte, die man niemals fertig gesehen hat. Wenn man denkt man hat schon alles erlebt, trifft man einen neuen Menschen, der einen in seine Lieblingsbar mitnimmt, in der man ein neues exotisches Getränk probiert. Und Schokokuchen. Leute, es gibt immer Schokokuchen. Und überall ist er der beste der Welt. Noch besser als sein Vorgänger.


Ich wage nun also das Unmögliche. Und beschreibe die Orte, die ihr meiner Meinung nach besuchen solltet. Auch auf die Gefahr hin, dass ich die besten dabei vergesse. Weil ich sie eben nun mal noch nicht kenne. Eine Ordnung nach Kategorie beachte ich dabei übrigens nicht. Das Ganze wird so wirr wie die Straßen der portugiesischen Hauptstadt. Versucht mir zu folgen. Dazu gibt es immer noch eine kleine Anekdote.

Park.
Ja, ich bin ein Junge. Ich gehe zum Fußball, gucke James-Bond-Filme und diskutiere mit Freunden über schöne Mädchen. Aber Park lässt mich ganz still werden. Am Rande von Bairro Alto gelegen, über einem unscheinbaren Parkhaus befindet sich die Rooftop-Bar „Park“. Ein von Urin gesäumtes Treppenhaus durchquert man auf dem Weg in den 7. Stock. Auf einmal ist man in Bali. Abgesehen davon, dass es durch die physische Beschaffenheit der Stadt sowieso an jeder Ecke einen Aussichtpunkt gibt, ist der Blick vom Park aus fast schon lächerlich gut. An einem sonnigen Samstagnachmittag im Dezember (!) gehe ich hier mit Malte hin. Wir bestellen Kürbissuppe und Ginger Ale. Ein paar Minuten später kommen noch ungarische, spanische, italienische und österreichische Freunde hinzu. Wir essen nun alle Suppe, während sich die untergehende Sonne heute dazu entscheidet alle in der Welt existierende Schönheit in sich zu vereinen. Ich habe auch einen Fotobeweis (siehe Titelbild)

Lux Fragil
Diese Zeilen sind schwer für mich. Das Lux Fragil steht in jedem Reiseführer, ist in sämtlichen Club-Listen Europas vertreten. Eigentümer ist John Malkovich und es thront wie eine Festung am Tejo-Ufer. Normalerweise sind das deutlich abschreckende Signale für mich, die eine Akzeptanz der Location unmöglich machen, aber ich muss es wohl oder übel zugeben: Das Lux ist der Hammer. Der beste Club der Stadt, eine Institution und Vorreiter in sämtlichen Bereichen, ein König. Es hat den unmöglichen Balanceakt zwischen Coolness, Mainstream, Qualität und Extravaganz wie eine Grand-Dame gemeistert und genießt nun mit erhabener Lässigkeit seine Ausnahmestellung. Ich erreiche den Club zum ersten Mal an einem Freitagabend. Eigentlich ist es schon Samstagmorgen, 3:30 Uhr aber ignorieren wir diese Tatsache mal. Marcel Dettmann, der hauseigene DJ einer ähnlichen Legende, dem Berliner Berghain, legt auf und wir lassen uns nicht lange bitten. Der Rest der Nacht verläuft wie eine Mischung aus einem Schwarzweißfilm und Alice im Wunderland 3D. Ich verirre mich zwischen ewig langen Treppen, großen Räumen, beleuchteten Bars und wummernden Techno-Bässen. Eins verpasse ich aber nicht: den Sonnenaufgang auf der hauseigenen Dachterrasse.

Mercado da Ribeira
Ich bin immer noch erstaunt, wie sich hier die ganze Stadt versammelt. Ein unscheinbares Eingangstor markiert den Weg in eine riesige Markthalle, die aufwändig renoviert wurde. Nun befindet sich hier eine Art Foodcourt. Ringsum sind kleine Buden in die Wand eingelassen, die die verschiedensten Essenssorten anbieten. In der Mitte der Markthalle findet man dann dutzende Tische und Stühle und eine Bar für die Getränke. Man sucht sich also aus, was man essen möchte, versucht seine Freunde in dem Wirrwarr aus Menschen wiederzufinden und fügt noch seinen Anteil zur unglaublich intensiven und aufregenden Lautstärke in der Halle hinzu. Mein Praktikumsort liegt auf der anderen Seite der Brücke. Freitagnachmittags spielt meine ganze Abteilung immer Fußball. Da wir es hier mit portugiesischem Temperament zu tun haben, ist auch die Partie immer dementsprechend intensiv. Ich gebe natürlich niemals klein bei und renne um mein Leben. Jeden Freitag kehre ich also mit dem Kopf in der Farbe eines London-Busses nach Lissabon zurück. Einmal nimmt mich Francisco mit, der seine Eltern in Almada besucht. Almada wird auch „Cristo-Rei-Stadt“ genannt, es ist also im Prinzip die Umgebung um die Jesus Statue herum. Ich frage, ob mich Francisco bei der Fähre absetzen kann, die direkt zu Cais do Sodre fährt. Natürlich kein Problem. Nach einer kurzen Fahrt über den Tejo stehe ich vor dem Mercado da Ribeira, der direkt bei Cais do Sodre liegt. Ich beschreibe nun kurz mein Erscheinungsbild zu diesem Zeitpunkt: kurze Sporthose in knallrot, Ringelsocken, die fast die kompletten Waden bedecken, meine Fußballhallenschuhe in Gelb. Darüber trage ich einen eleganten Wintermantel der letzten Saison und kombiniere das Ganze mit einem hochroten Kopf und verschwitzten Haaren. Voller Selbstbewusstsein betrete ich die Markthalle und steuere siegessicher auf die Burgerbude zu. Ich werde begrüßt mit „You look like you could use a lot of meat on your burger“. Da ich dem nicht widersprechen kann, nicke ich nur kurz und lasse die Leute mal machen. Das Essen tut wie jedes Mal gut und bringt mich ein wenig runter.

Primero Andar
Zu dieser Bar habe ich ein ganz besonderes Verhältnis, denn sie erinnert mich immer an meine ersten Tage in Lissabon. Wenn ich nun neue Freunde dorthin führe, werde ich immer schief angeguckt. Zumindest in den Sekunden bevor sie die Bar betreten. Zunächst bahnt man sich seinen Weg durch das schlimmste Touristengebiet, vorbei an uneinladenden Restaurants und grellen Neonschildern. Plötzlich kommt rechts eine mit einer Kette abgesperrte Gasse, die steil bergauf geht. Am Ende dieser Gasse betritt man links einen Eingang, der wie der Eingang zu einem besetzten Haus aussieht. Man steht nun in einer alten Turnhalle mit zwei Basketballkörben. Von hieraus ist es wunderbar. Die Bar ist einmal quer durch die Turnhalle in einem alten Apartment (wie kommt das neben eine Turnhalle?). Es gibt gute Getränke und im Hinterzimmer legt ein DJ aus einer anderen Sphäre überraschend unterhaltsame Musik auf. Auch wenn ich hier noch nie einen ganzen Abend verbracht habe (ist sowieso unüblich) komme ich immer wahnsinnig gerne hierhin zurück. Als letzte Rettung oder als Stimmungsmacher vor dem Club. Auf das Primero Andar ist stets Verlass.

LX Factory
Ich möchte langsam zum Ende kommen, denn ich merke, dass das Ganze hier eine Harry-Potter-Länge annimmt. Es wäre aber ein Verbrechen diese Liste ohne die LX Factory abzuschließen. Ich weiß auch gar nicht, wie ich das Ganze beschreiben soll. „Dorf mit Hauptstraße voller Kreativität“ trifft es wohl am besten. Direkt unterhalb der Ponte 25 de Abril gelegen findet man hier alte Fabrikhallen, Restaurants, Flohmärkte, Outdoorbars, Dachterrassen. Man betritt die LX Factory durch ein vielversprechendes Eingangstor, das eben jenen Namen ankündigt. Eines Freitags kriege ich eine SMS von Massimo aus Italien. Er weiss, wie man Dinge auf den Punkt bringt. „Going to LX. You in?“. Natürlich lasse ich alles stehen und liegen und springe in den Bus. Was als entspannter Abend beginnt, wird schnell deutlich voller. Aus allen Löchern kriechen sämtliche (und ich meine wirklich alle!) Menschen hervor, die ich in meiner Zeit in Lissabon kennengelernt habe. Ich gucke mir das unheimliche Treiben schweigend an und kann es nicht ganz fassen. Als dann auch noch ein Freund, mit dem ich mich an meinem ersten Tag angefreundet habe, auftaucht, beschließe ich, dass mir das Universum etwas sagen will. Es beginnt der bis dato beste Abend in Lissabon. Musik: gut. Essen gut. Getränke: gut. Marius: glücklich.

Ich suche weiter.
Euer Marius

Marius

Hallo und bom dia.

Mein Name ist Marius und ich darf 6 Monate in Lissabon verbringen.
Ich mache ein Praktikum im Project Management von Volkswagen Autoeuropa, wofür ich täglich um 5 Uhr aufstehe, um zur Arbeit zu kommen. Ich wohne in Bairro Alto über 3 verschiedenen Bars, die um 2 Uhr schließen. Ich bin gerade also noch in der "Lebensrhythmus-findungsphase". Ich hoffe ich kann den ein oder anderen mit meinen Berichten erfreuen und/oder dazu ermutigen selbst den Schritt ins Ausland zu wagen.

Viele Grüße aus Portugal,

euer Marius

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