Was kann Deutschland vom irischen Bildungssystem lernen?

Meiner Erfahrung nach kann Deutschland viel von Irland lernen, aber auch andersherum. In meinem dritten und letzten Blogbeitrag gehe ich auf die zwei wichtigsten Punkte ein, die ich mit nach Deutschland nehmen werde, in Bezug auf meine Lehrerinnenpersönlichkeit und den Religionsunterricht.

Eine Sache, die ich sehr schnell zu schätzen gelernt habe in meinem Praktikum an einer Sekundarschule in Irland ist die Ruhe und Gelassenheit der Lehrkräfte. Während in Deutschland die meisten LehrerInnen es gar nicht bewerkstelligen können in Vollzeit zu arbeiten, oder nach einigen oder mehreren Jahren an einem Burnout leiden, sind die Lehrkräfte in Irland deutlich ausgeglichener. In Deutschland leben die meisten Menschen, um zu arbeiten, während die Iren die Arbeit als eine Nebentätigkeit in ihrem Leben wahrnehmen. Das wird vermutlich nicht in jedem Beruf oder Arbeitsfeld der Fall sein, an meiner Praktikumsschule war dies jedoch mein Eindruck. Ein gutes Zitat einer Lehrerin, um die Ruhe und Gelassenheit zu verdeutlichen ist folgendes

„Die SchülerInnen müssen die Arbeit haben, nicht du!“

Dieses Zitat hat mir vor Augen geführt, dass wir Deutschen manchmal zu versteift darauf sind immer leisten zu müssen. Es ist mir tatsächlich sehr schwer gefallen, mich an dieses Arbeitsumfeld anzupassen. Es hat mir aber auch sehr dabei geholfen eine gewisse Grundanspannung abzulegen immer perfekt handeln zu müssen. Natürlich läuft in Irland auch nicht alles immer perfekt ab. In mancher Hinsicht war es manchmal auch zu entspannt, aber diese Ausgeglichenheit möchte ich auf jeden Fall mit nach Deutschland nehmen. Es ist wichtig zu akzeptieren, dass man als Lehrerin nicht jede Stunde perfekt vorbereiten kann und auch nicht jede Stunde perfekt laufen muss, um eine gute Lehrerin zu sein und Kinder und Jugendliche zu bilden.

Des Weiteren möchte ich über den Religionsunterricht in Irland schreiben. Mein Zweitfach, neben Englisch, ist die evangelische Religionslehre. Deshalb war ich sehr interessiert daran mir den Religionsunterricht in Irland anzuschauen. Ich bin mit der Erwartung in den Unterricht gegangen, dass es in einem katholischen Land wie Irland ein wahrscheinlich stark kirchlich geprägter Unterricht sein wird. Dabei hätte ich nicht falscher liegen können. Das Fach Religion heißt in Irland „Religious Education“, übersetzt also Religiöse Bildung und ist ganz und gar nicht durch die Kirche und vor allem nicht durch die katholische Kirche geprägt. Im Unterricht werden immer alle 5 Weltreligionen einbezogen und es werden alle Religionen im Unterricht vorgestellt, besprochen und eingebunden. Das Fach ist bis zum junior cycle, also bis zur 8. Klasse, verpflichtend und es werden sogar Klausuren in dem Fach geschrieben. Außerdem werden ethische Probleme besprochen und die Diskussionskompetenz ausgebildet. Eine große Abgabe, die ich im Unterricht begleitet habe, war ein CBA (classroom based assessment) im zweiten Jahrgang, in Deutschland also die 8. Klasse. Hier sollten die Schülerinnen sich eine Person aussuchen, die die Gemeinschaft in besonderer Weise geprägt hat und über diese Person und ihre guten Taten, Hintergründe und Motivation eine Präsentation erstellen. Die Person muss dabei keinen religiösen Hintergrund haben, kann sie aber. Manche Schülerinnen haben über Wissenschaftlerinnen wie Marie Curie recherchiert, andere haben über die irischen Präsidentinnen Mary Robinson und Mary McAleese oder irische Hurlingspieler eine Präsentation erstellt. Das Ziel dieser Abgabe sollte sein, sich mit den guten Taten anderer Personen zu beschäftigen, die Kompetenzen auszubauen eine Präsentation vorzubereiten, zu erstellen und vorzustellen. Da die Schülerinnen die freie Wahl hatten, waren alle sehr interessiert an diesem CBA zu arbeiten und hatten eine hohe innere Motivation. Mein Praktikum in Irland hat mir in Hinblick auf meine zukünftige Tätigkeit als Religionslehrerin wieder einmal vor Augen geführt, was alles nicht richtig läuft im Bildungssystem von Deutschland. Was ich vor allem mit nach Deutschland nehmen werde ist das Bewusstsein über die Bedeutung von Vielfältigkeit im Religionsunterricht. Eine einseitige Bildung über eine Religion, der man sowieso schon angehört, führt nur zu vermehrten Stigmata und Vorurteilen. Wir brauchen für unsere diverse Gesellschaft eine Bildung, die versucht alle Religionen einzubringen und die Chancen von Vielfalt immer wieder betont und dadurch bestärkt.

 

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