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Von Notausgängen, Kaffee und Computern– Arbeitsalltag in Zagreb

Hallo zusammen,

ich melde mich wieder aus Zagreb, um dieses Mal ein wenig über meinen Arbeitsalltag zu berichten. Mein Praktikum absolviere ich am Ruđer Bošković Institut (sprich: Rudjer Boschkovitsch) in Zagreb, welches ein großes teilstaatliches interdisziplinäres Forschungsinsitut ist und damit nicht mit der Universität zusammenhängt. Dadurch ergeben sich einige Unterschiede zu den mir aus Deutschland bekannten universitären Abläufen, zusätzlich zu den ohnehin bestehenden kulturellen Unterschieden.

Es beginnt schon am Morgen vor Arbeitsbeginn am Eingang zum Institutsgelände, der mit dem bewaffneten Sicherheitspersonal genauso gut ein militärisches Hochsicherheitsgelände absichern könnte. Als Gast ist man zudem nicht berechtigt, eine dauerhafte Akkreditierung mit sich herum zu tragen. Stattdessen muss ich mich jeden Morgen unter Vorlage meines Ausweises melden, um eine Gäste-Akkreditierung zu bekommen, die ich selbstverständlich nach Arbeitsende wieder abgeben muss. Ist das erstmal geschafft, stehen einem allerdings im wahrsten Sinne des Wortes alle Türen offen. Schlüssel oder Transponder werden üblicherweise nicht benötigt.

Ruđer Bošković höchstpersönlich, der etwas aussieht, als würde er enttäuscht den Blick von seinem Institut abwenden.
Ruđer Bošković höchstpersönlich, der etwas aussieht, als würde er enttäuscht den Blick von seinem Institut abwenden.

Die Institutsgebäude haben allesamt ihre besten Zeiten schon hinter sich und im Gegensatz zu Deutschland wird hier die Instandsetzung dem Neubau vorgezogen, wobei allerdings auf optische Renovierungen augenscheinlich nicht viel Wert gelegt wird. Da mich die Optik jedoch nicht wirklich bei der Arbeit stört und alt ja auch manchmal schick ist, macht mir das nicht viel aus. Das einzige, was diesbezüglich Unbehagen verursacht, wenn man deutsche Standards gewohnt ist, sind die Sicherheitsvorkehrungen. Während in Deutschland bei solchen Dingen der Grundsatz „Vorsicht ist besser als Nachsicht“ gilt, könnte das Motto hier „Das ist schon immer gut gegangen, warum sollte also etwas passieren?“ lauten. Beispiele: Kaffeemaschine und (Lebensmittel-)Kühlschrank aus Platzgründen im Labor, kaum Feuerlöscher, keine Brandschutztüren, Abzüge, die man sonst nur im Museum findet, bei uns alles undenkbar. Und letztens habe ich tatsächlich zwei Handwerker gesehen, die ein Notausgangs-Schild montiert haben. Auch wenn das für mich im ersten Moment komisch war, so ist es für hiesige Verhältnisse normal und tatsächlich habe ich mich daran mittlerweile gewöhnt und es beeinflusst natürlich nicht die Arbeit, die hier geleistet wird (von Unfällen ist mir nichts bekannt).

Abgesehen von den Sicherheitsstandards ist der Arbeitsalltag hier jedoch sehr ähnlich zu dem in Deutschland. Ich beschäftige mich hier mit der Herstellung und Untersuchung neuartiger Elektrolytmaterialien. Dabei kommt mir die Vielseitigkeit des Instituts zugute, da die Ausgangsmaterialien von einer anderen Gruppe auf dem Gelände synthetisiert werden und ich Methoden nutzen kann, die in unserem Labor nicht zur Verfügung stehen. In der Regel kostet dies nur einen Anruf.

Unterschiede zur Universität gibt es aber auch ganz banaler Art. So gibt es beispielsweise keine richtige Mensa, in der man gemeinsam zum Mittagessen geht, sondern stattdessen nur eine kleine Kantine, die jeden Tag zwei Menüs anbietet. Das Essen ist zwar in Ordnung, aber es ist üblich, sich sein Mittagessen selbst mitzubringen und nur zu besonderen Anlässen (Gäste, Verabschiedungen etc.) das Restaurant aufzusuchen. Das wird dann dafür richtig zelebriert und auch mal ein Gläschen Wein dazu getrunken. Zum anderen arbeiten hier am Institut größtenteils „erwachsene“ Wissenschaftler in kleineren Gruppen und nur sehr wenige Studenten und Doktoranden. Die kleinen Gruppen sorgen zwar für eine freundliche und produktive Arbeitsatmosphäre, jedoch fällt es dadurch natürlich schwerer, bei der Arbeit Kontakte zu gleichaltrigen Studenten zu knüpfen.

Wie bereits im letzten Eintrag erwähnt, sind die Kroaten sehr offene und freundliche Menschen. Gemeinsame Kaffeepausen sind an der Tagesordnung und heißen auch so, wenn kein Kaffee getrunken wird. Kaffee gehört hier gewissermaßen zum Kulturgut und wird zu jeder Tageszeit konsumiert. Die typische kroatische Zubereitungsweise (sehr stark mit extrem viel Zucker) ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig, erfüllt aber ihren Zweck wenn sich an einem Montagnachmittag die Müdigkeit bemerkbar macht. Die zweite Tätigkeit, die Kroaten sehr gerne ausüben, ist telefonieren. Wo ich mich als wortkarger Norddeutscher mit einer Information aus dem Internet oder einer SMS zufrieden geben würde, wird hier direkt zum Hörer gegriffen, dabei ist (genauso wie bei zufälligen Treffen auf der Straße oder auf dem Flur) ein ausgiebiger Small talk von hoher Wichtigkeit. Beendet wird ein Telefonat immer (!) mit den Worten „Ajde, ajde, bok, bok“, was in etwa so viel heißt, wie „Alles klar, alles klar, tschüss, tschüss.“ Doppelt hält bekanntlich besser.

Um nochmal zu meiner eigenen Arbeit zurück zu kommen, ich bin erstaunt, wie schnell doch die Zeit verging und wie viel ich in dieser Zeit geschafft und gelernt habe. Mein Projekt darf ich größtenteils eigenständig bearbeiten, wobei mir jederzeit kompetente Hilfe zur Verfügung steht, also insgesamt ein sehr angenehmes Arbeiten. Einen kleinen Tiefpunkt gab es, als vor zwei Wochen der (wirklich alte) Computer des Gerätes meiner wichtigsten Charakterisierungsmethode den Geist aufgegeben hat und ich in der Zeit kaum voran kam. Erstaunlicherweise hat der hauseigene Computertechniker (natürlich erst nach einigen Telefonaten) den PC in Rekordzeit wieder funktionstüchtig gemacht, sodass ich die letzten zwei Wochen wieder voll durchstarten kann, um am Ende mein kleines Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Die Woche ohne Messgerät habe ich übrigens unter anderem sinnvollerweise für eine weitere Erkundung der Umgebung genutzt, von der ich hier noch ein paar Fotos zeigen möchte, die mit Sicherheit spannender sind, als Bilder aus dem Laboralltag.

In diesem Sinne: Ajde, ajde, bok, bok!

Maksimir-Park, der größte innerstädtische Park Südeuropas.
Maksimir-Park, der größte innerstädtische Park Südeuropas.
Blick über die Stadt vom sogennaten "Zagreb Eye", einem Hochhaus mit Aussichtsplattform (siehe auch Titelbild).
Blick über die Stadt vom sogenannten “Zagreb Eye”, einem Hochhaus mit Aussichtsplattform (siehe auch Titelbild).
Blick vom Sljeme, dem Hausberg der Zagreber und im Winter ein Paradies für Skiläufer.
Blick vom Sljeme, dem Hausberg der Zagreber und im Winter ein Paradies für Skiläufer.

 

 

 

 

 

Mark

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