Jetzt bin ich schon seit dreieinhalb Wochen in Barcelona und meine Begeisterung für die Stadt wurde nur kurz getrübt, als eines Nachts mein Fahrradsattel geklaut wurde.
Zum Glück konnte ich in einem der pakistanischen Secondhandläden schnell für 5 € einen neuen finden, den ich jetzt immer nachts mit in die Wohnung nehme. Hier wird echt alles geklaut, was nicht mit einem dicken Schloss angekettet wird. Wenn man sein Fahrrad in el Raval draußen übernachten lässt, sollte man sich jeden Morgen freuen, wenn es noch da steht. Deshalb bereitet mir mein Fahrrad bisher sehr viel Freude.
Aber es ist schon so, dass man in Barcelona zu jeder Zeit achtsam sein muss und man ständig von Freunden hört, dass wieder etwas geklaut wurde. Man sollte beispielsweise in der Bibliothek immer den Laptop mit auf die Toilette nehmen, besonders auf den Ramblas und in der U-Bahn klammern die Leute ihre Taschen fest oder tragen Rucksäcke vorne statt auf dem Rücken, am Strand sollte man andere Leute fragen, ob sie auf die Tasche aufpassen, sitzt man in einem Café, sollte man den Taschengurt am besten durch das Stuhlbein befestigen und geht man aus, nimmt man am besten so wenig Wertsachen wie möglich mit und trägt diese in einer Hüfttasche (die englischen Ausdrücke fanny pack/ bum bag sind schöner) eng am Körper.
Aber trotzdem fühle ich mich hier nicht unsicher. Angeblich gibt es in Barcelona so gut wie keine gewalttätigen Diebstähle, beispielsweise mit Messerattacken, die Diebe versuchen eher “friedlich” und unbemerkt an ihr Ziel zu gelangen.
Das Mercè-Festival
Am vergangenen Wochenende, 21. – 24. September, befand sich Barcelona vier Tage im Ausnahmezustand. Es fand das Mercè-Festival statt, welches zu Ehren der Schutzheiligen Mercè stattfindet, den Sommer verabschiedet und das größte und bunteste Fest im Festival-Kalender der Stadt darstellt. Mercè ist so etwas wie eine Schutzpatronin von Barcelona, da sie die Stadt vor vielen Jahrhunderten von einer Heuschreckenplage abwendete und Barcelona von der Pest befreite.
Bei dem Programm hat sich die Stadt einiges kosten lassen, um die Einwohner und Besucher von auswärts in Begeisterung zu versetzen. Überall waren Bühnen verteilt, auf denen Konzerte stattfanden, Theater gespielt und getanzt wurde. Bei mir um die Ecke in El Raval spielten Bands aus aller Welt, es war super voll und alle hatten eine Dose Bier in der Hand, welches man für 1€ pro Dose von den hektischen Verkäufern illegal erwerben konnte, welche durch die Menge streiften und versuchten, von der Polizei unentdeckt zu bleiben.
Am Strand animierten vor allem spanische und katalanische Bands zum Tanzen und Mitsingen. Man konnte aber auch entspannt im Sand sitzen oder ein nächtliches Bad im Meer nehmen. Auch um 1 Uhr nachts planschten noch die Kinder im Wasser. Generell fällt mir in Spanien auf, dass Kinder nicht wie in Deutschland nach dem Sandmännchen ins Bett geschickt werden, sondern überall mit hingenommen werden und auch nachts noch aktiv sind.
Neben den Konzerten gab es Tanzworkshops und competitions, Performance-Kunst, jede Menge Parties für jeden Musikgeschmack, Ausstellungen, Märkte, Ess- und Getränkebuden und eine Vielzahl traditioneller Veranstaltungen, die jedes Jahr vor allem am 24.09. – in Barcelona ein Feiertag – stattfinden. Dazu gehört der mehrere Meter hohe Turm aus Menschen, die “Castellers” genannt werden. Wir hätten uns denken können, dass wir nicht die Einzigen sein würden, die dieses Ereignis miterleben wollen und so waren leider bereits alle umliegenden Straßen um den Platz im gotischen Viertel gesperrt, als wir kamen.
Ein weiteres Ereignis ist “Correfoc”, die Prozession der Feuer speienden Drachen. Hier gibt es eine zahmere Version für Kinder und eine heftigere für Erwachsene, bei der Brillen und feuerfeste Kleidung empfohlen wird. Feuer speiende Drachen, begleitet von Teufeln und anderen Ungeheuern, ziehen die Straße entlang und erschrecken mit Feuerwerk und Knallkörpern die Passanten.
Jeden Tag begegnete ich zufällig auch den “Gigantes”, der Parade der Riesen, welche aus riesigen Figuren von Königinnen und Königen, Adeligen und Heiligen besteht und von Musik begleitet wird.
Im Parc de la Ciutadella fanden neben Konzerten auch Lichtshows, Wasserspiele und Tanzaufführungen statt.
Man made von Spellbound
Am Abend des 24. September findet alljährlich auch ein spektakuläres Musikfeuerwerk statt, dass das Ende des Festivals darstellt. Als danach die Massen nach Hause strömten, wirkten alle etwas erschöpft von den letzten Tagen.
Enttäuschungen und Erfolgserlebnisse im Praktikum
Nachdem wir drei Praktikantinnen fleißig Plakate für unsere geplanten Aktionen zum Deutschlernen aufgehangen und auch in den Kursen Werbung gemacht haben, waren wir schon etwas enttäuscht, als gestern beim deutschen Kinoabend in der Uni lediglich drei Studenten kamen. Für zwei von ihnen war Toni Erdmann wohl etwas zu speziell, da sie plötzlich „einen dringenden Termin“ hatten und verschwanden. Aber die bleibende Studentin war begeistert und wir diskutierten danach noch über den Film. Wir werden weiterhin Werbung machen, damit nächstes Mal mehr Studierende das Angebot wahrnehmen.
Der heutige Konversationskurs war erfolgreicher. Zu unserem ersten Treffen im Café Cosmo in der Nähe der Uni kamen ca. 15 Leute. Da die Niveaus sehr unterschiedlich waren, teilten wir die Gruppe auf. Obwohl wir Spiele vorbereitet hatten, beließen wir es dabei, uns bei einem Kaffee gegenseitig kennenzulernen, Fragen zu stellen, über Reiseerfahrungen und Interessen zu sprechen. Außer ein paar Erstsemester, die noch kein Wort Deutsch konnten, war die Gruppe sehr motiviert und ich freue mich schon auf die nächste Woche.
Heute haben wir außerdem unsere Koordinatorin vertreten und ihren Deutschkurs übernommen. Im Gegensatz zu dem Anfängerkurs mit 60 Studierenden (im Alter von durchschnittlich 18 Jahren), in dem wir zwei Mal die Woche hospitieren und ein Tutorium anbieten, ist die Gruppe von Diana mit fünf Teilnehmern sehr klein. Obwohl es eigentlich ein B1-Kurs ist, sind die Studierenden vom Sprachniveau her sehr heterogen. Beispielsweise hat eine sechs Jahre lang in Essen gelebt, da sie dort als Musikerin gearbeitet hat und spricht beinahe fließend Deutsch. Eine andere ist bereits Lehrerin und studiert nun im ersten Semester Deutsch. Eine Erasmusstudentin aus England spricht bereits fünf Sprachen und möchte nun auch Deutsch lernen. So unterschiedlich wie die Sprachkenntnisse ist auch das Alter der Kursteilnehmer – von 18 bis 48 Jahren. Einerseits erschwert diese Heterogenität den Unterricht, andererseits ergänzen sich die Teilnehmer in vielen Aspekten und die Fortgeschrittenen können helfen, erklären und dabei selbst ihre Sprachkenntnisse erweitern. Die Teilnehmer mit bereits hohem Sprachniveau interessieren sich besonders für die kleinen Feinheiten und Redewendungen der deutschen Sprache.
Die Atmosphäre im Kurs ist sehr positiv und entspannt. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass die Lehrer – unabhängig des Alters – geduzt werden und aufgrund der Kursgröße persönlich auf die einzelnen Teilnehmer eingegangen werden kann.
Besuch des “Exterminador”
Heute mussten wir unsere Wohnung komplett ausräumen, da ein Kammerjäger „Exterminador“ in allen Räumen außer Küche und Bad Insektenschutzmittel versprüht hat. Unser netter Nachbar hat sich gefreut, als seine Wohnung voll von Plastiktüten mit all unseren Sachen gepackt wurde. Zwölf Stunden durften wir nicht in unsere Wohnung. Gleich müssen wir wieder alles einräumen und ich hoffe, dass nicht die ganze Wohnung nach Insektengift riecht.*
bis bald,
Lisa
*Nachtrag: Als ich gestern in die Wohnung kam, hatten bereits alle Kopfschmerzen von der tatsächlich sehr ungesund riechenden Luft. Wir öffneten erstmal Türen und Fenster, beseitigten die toten Kakerlaken und räumten alles wieder ein. Hoffentlich krabbeln nachts nun keine Kakerlaken mehr über die Küchenplatte. Vielleicht hätte ich mir mal darüber Gedanken machen sollen, warum unsere WG Gruppe auf Whatsapp “Cockroach Patrol” heißt und das Profilbild eine Kakerlake in einem Stoppschild darstellt.
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