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Rückblick und kurzes Fazit: Praktikum im French Department der Norwich School

Die erste Stunde in jeder Klasse: „Guten Morgen! Ich bin die neue Französisch-Praktikantin für dieses Term, aber ich komme aus Deutschland.“ Eine Klasse voller verwirrter Gesichter schaut mich an, denn im Französischunterricht haben sie eigentlich eine Praktikantin aus Frankreich erwartet.

Es ist schließlich auch kein Normalfall, im Ausland Praktikantin in einer Sprache zu sein, welche nicht die eigene Muttersprache ist. Selbst in meiner letzten Praktikumswoche, als ich kurz den Unterricht des deutschen Mitpraktikanten stören musste und mit ihm auf Deutsch sprach, fragte mich eine Schülerin, die ich aus dem Französichunterricht kannte und etwas durcheinander war, wieso ich denn jetzt plötzlich so gut Deutsch sprechen würde. „Weil ich aus Deutschland komme.“ – „Bist du keine Französin?“

Obwohl meine Situation zunächst bei Schüler_innen sowie bei einigen Lehrkräften für etwas Verwirrung gesorgt hat, bin ich sehr froh darüber, dass ich bei meiner Bewerbung für das Praktikum über das ZfL der Universität Münster das Glück hatte, dass neben dem German Department auch das French Department der Norwich School Interesse an Praktikant_innen hatte und mich akzeptiert hat.

 

Aufgabenbereiche im French Department

Nachdem der gesamte Papierkram erledigt war (gefühlt hat mir die Schule die gleichen Dokumente zugeschickt, die auch neu-eingestellte Lehrer bekommen würden, so etwas gab es in Frankreich nicht), konnte es Anfang Januar endlich losgehen! Meine erste Woche war bezüglich des Ablaufs noch ziemlich untypisch: am ersten Tag gab es einen teacher training day, einen Fortbildungstag, durch den ich in Ruhe mehr über die Funktionsweise und Prinzipien der Schule herausfinden konnte, viele der Kollegen und Sprachassistentinnen kennengelernt habe sowie meinen lanyard mit badge erhielt und die Schule gezeigt bekam. Und schon gehörte ich dazu! An den anderen Tagen der ersten Woche habe ich die französische Sprachassistentin – die auch tatsächlich Französin ist 😀 😉 – bei ihrer Arbeit begleitet. Sie hat mit den Oberstufenschüler_innen (L6 und U6) einzeln oder in Kleingruppen am mündlichen Ausdruck im Rahmen der im Unterricht behandelten Themen gearbeitet.

Ab meiner zweiten Woche war ich dann unabhängig von der Sprachassistentin unterwegs und habe in der Senior School mit den Unter- und Mittelstufenschüler_innen (L4 bis U5) gearbeitet. Wenn ich gemeinsam mit einer Lehrkraft im Klassenraum war, habe ich hauptsächlich die Schüler_innen während ihrer Arbeit unterstützt, bspw. sprachliche Korrekturen und Hilfestellungen gegeben sowie einzelne Schüler_innen mit besonderem Unterstützungsbedarf betreut. Außerhalb des Klassenraums habe ich mit den Schüler_innen individuell oder in Kleingruppen Sprachspiele gemacht und mit ihnen ihr mündliches Französisch trainiert, sowie mit schwächeren Schüler_innen Klassenarbeiten vor- oder nachbereitet. Das Training der mündlichen Sprachkompetenz stand aber im Mittelpunkt meiner Arbeit, denn besonders die Schüler_innen der U5 sollten auf ihre mündlichen IGCSE-Prüfungen (schwer vergleichbar mit dem deutschen System, evtl. wie die ZP 10 zu meiner Schulzeit) im März vorbereitet werden. Dazu gab es auch extra speaking practice sessions. Außerdem durfte ich einige Vertretungsstunden machen, habe die French Clinic, eine für alle Schüler_innen geöffnete wöchentliche Nachhilfestunde, unterstützt und gemeinsam mit der Sprachassistentin zwei Klassen der Lower School in Französisch alleine unterrichtet, hier allerdings vor allem spielerisch. Zudem habe ich an den Department Meetings teilgenommen, in denen ich einen tiefen Einblick in die Arbeit der Französischlehrkräfte an der Schule erhalten konnte.

New Building – eines der ältesten Gebäude der Schule & Französisch-Spanisch-Gebäude

 

Tägliche Erfahrungen und Eindrücke im Praktikum

Neben dem allgemeinen Schulleben und –alltag (siehe letzter Blogbeitrag) habe ich natürlich auch im täglichen Unterricht viele Eindrücke und Erfahrungen sammeln können. Besonders wichtig finde ich die Tatsache, dass ich mich von Anfang an an der Schule wohl gefühlt habe. Das liegt sicherlich an vielen Faktoren: daran, dass meine Betreuungslehrerin mich vom Bahnhof abgeholt hat, mir am Ankunftstag die Schule gezeigt hat und erklärt hat, wo ich hin muss. Am ersten „Eingewöhnungstag“, wo ich in Ruhe und ohne normalen Schulbetrieb die anderen Lehrkräfte kennenlernen konnte, sowie an der ersten „Eingewöhnungswoche“. Und an anderen Faktoren wie lanyard und badge (Zugehörigkeitsgefühl), am universellen you und am Ansprechen fast aller Lehrkräfte mit Vornamen sowie an der generell freundlichen und typisch englischen, höflichen Atmosphäre.

Diese Atmosphäre spiegelte sich auch im Schülerverhalten wieder. Wenn die Schüler_innen den Klassenraum verlassen (nachdem sie sich nach dem Zusammenpacken der Unterlagen hinter ihren Stuhl stellen und darauf warten, dass die Lehrkraft sie nach und nach verabschiedet!), sagen sie „Thank you, Miss“ oder „Thank you, Sir“ zur Lehrkraft – und auch zu mir in Vertretungsstunden oder nachdem sie mit mir Sprachspiele o.ä. vor dem Klassenraum gemacht haben. Das kann ich mir in Deutschland nicht vorstellen. Generell kann man über die Schüler_innen außerdem sagen, dass sie Interesse am Lernen haben und respektvoll und freundlich gegenüber den Lehrkräften und Mitarbeitern sind. Natürlich testen die Schüler_innen auch, wie weit sie bei einzelnen Lehrpersonen gehen können und werden dann schon einmal unruhig, aber das ist ja kein Geheimnis 😉 .

Fremdsprachen- und Französischunterricht

Allgemein lässt sich zum Fremdsprachen- bzw. Französischunterricht sagen, dass gerade in den unteren Klassen der Senior School aus meiner Sicht wenige Wochenstunden für Französisch angesetzt sind. In der L4 haben die Schüler_innen nur zwei Wochenstunden Französischunterricht. Da sie noch eine zweite Fremdsprache (Spanisch oder Deutsch) parallel lernen, die auch nur zwei Wochenstunden unterrichtet wird, kommt es häufig zu interference errors. Tatsächlich ist es dann ziemlich praktisch, die anderen Sprachen zu kennen, um den Schüler_innen sagen zu können, dass sie gerade in eine andere Sprache gerutscht sind. Meine Spanisch-Kenntnisse haben sich also endlich einmal ausgezahlt. Außerdem können die Schüler_innen Ende der U4 schon entscheiden, wie viele Sprachen sie weiterhin lernen möchten, was aus meiner Perspektive recht früh ist. Praktisch ist es hingegen, dass meist alle Französischklassen einer Stufe gleichzeitig stattfinden. Dadurch können die Schüler_innen in ihren Französischkursen nach Niveau-Stufen organisiert werden und die Option eines Wechsels zwischen den Gruppen ist trotzdem möglich – das Spektrum geht von einer top-set Gruppe mit starken Schüler_innen bis zu einer bottom-set Gruppe mit schwächeren Schüler_innen. Dennoch ist das Niveau unter den Schüler_innen sehr heterogen. Eine weitere Möglichkeit durch diese Organisation ist, dass Arbeiten (sog. end of units tests) immer parallel geschrieben werden und für alle Schüler_innen einer Stufe identisch sein können.

Eine gewisse Besonderheit in England sind die IGCSE Prüfungen am Ende der U5, vor Eintritt in die Oberstufe. In den modernen Fremdsprachen müssen die Schüler_innen nicht nur schriftliche Prüfungen, sondern auch eine mündliche Prüfung ablegen. In dieser mündlichen IGCSE Prüfung müssen die Schüler_innen eine Präsentation zu einem beliebigen Thema halten, woraufhin einige spontane Fragen gestellt werden, ein spontanes Rollenspiel mit dem Prüfer durchspielen und Fragen zu verschiedenen Themengebieten wie Wohnsituation, Familie, Sport, Reisen oder Globalisierung beantworten. In der Vorbereitung auf die Prüfung erhalten die Schüler_innen bereits den gesamten Fragenkatalog und bereiten die Präsentation sowie die Fragen schriftlich vor und die Lehrkräfte korrigieren diese schriftlich. Dies resultiert in einem hohen Grad von Auswendiglernen und Reproduktion in der Prüfung, was aus einer deutschen Perspektive ziemlich ungewohnt ist, da ich bisher den Eindruck hatte, dass in Deutschland vor allem die spontane Sprachproduktion zählt, auch wenn dabei sprachliche Fehler gemacht werden. Der Fokus scheint in England anders gewählt zu werden.

Ein weiterer markanter Unterschied zwischen dem englischen, deutschen und tatsächlich auch dem  französischen Schulsystem besteht in der Anzahl der Fächer, in dem die A-Levels, das Abitur bzw. das baccalauréat geschrieben werden bzw. die bis dahin belegt werden. Während französische Schüler_innen alle Fächer bis zum baccalauréat behalten und auch in allen Fächern eine Abiturprüfung ablegen müssen, müssen deutsche Schüler_innen mindestens ein Fach aus jedem Bereich bis zum Abitur behalten und haben in vier ausgewählten Fächern ihre Abiturprüfungen. Damit liegt Deutschland zwischen zwei Extremen: Frankreich und England. Denn in England reduzieren die Schüler_innen ihre Fächer bis zur Oberstufe (L6 und U6) auf drei bis vier Fächer und schreiben daher natürlich auch nur in diesen Fächern ihre Abiturprüfungen! Beispielsweise könnten Schüler_innen ihre A-Levels also nur in Französisch, Geschichte und Politik machen. Während das natürlich seine Vorteile haben kann, finde ich diese frühen Entscheidungen für so wenige Fächer aufgrund von Allgemeinbildung eher schwierig.

Unterrichtserfahrungen

Was mein eigenes Unterrichten im Französischen anbelangt, habe ich einen großen Unterschied zum Französisch Unterrichten in Deutschland festgestellt – denn ich musste die französische Grammatik natürlich auch auf Englisch erklären und dabei fehlte mir häufig die passende und exakte englische Terminologie, da ich sie im Vergleich der beiden Sprachen noch nie benötigt habe. Was heißt „Angleichung“ auf Englisch? Agreement. Wenn sie von past tense reden, meinen sie dann imparfait oder passé composé? Aber es war für die Lehrkräfte selbstverständlich und nie ein Problem, mir dies schnell zu erklären. Im Vergleich zum Unterrichten von Deutsch (in Montpellier), muss ich allerdings sagen, dass ich es auf eine gewisse Weise einfacher und angenehmer fand, Französisch (in Norwich) zu unterrichten. Das hat aber nichts mit der Örtlichkeit oder der Schule zu tun! Im Französischen sind mir, weil ich die Sprache selbst als Fremdsprache gelernt habe, die Regeln wesentlich bewusster als im Deutschen. Des Weiteren waren meine Perspektive auf die Sprache und die der Schüler_innen identisch. Trotz einer gewissen Unsicherheit, weil ich keine Muttersprachlerin bin, haben diese Faktoren die Arbeit erleichtert.

Außerdem konnte ich einige neue Unterrichtsmethoden während meines Praktikums kennenlernen und mitnehmen, wobei ich hier nur ein paar Beispiele anführen kann. Zum Einen fand ich es sehr interessant, dass Musikhören bei der Bearbeitung von Aufgaben in Einzelarbeit toleriert und die Schüler_innen sogar dazu ermutigt werden. Tatsächlich hatte ich den Eindruck, dass sich dadurch viele besser konzentrieren konnten. Zum Anderen stellen sich manche Lehrkräfte am Ende der Stunde nach der Verabschiedung der Schüler_innen an die Tür des Klassenraums und wollen von allen Schüler_innen je eine fachbezogene Information (bspw. zu einem neuen Grammatikpunkt oder Vokabeln) aus der Stunde haben, die sie vorher spezifiziert haben. Eine wirklich gute Strategie finde ich außerdem die Poster in den Klassenräumen der Französisch-Lehrkräfte, auf denen Hinweise stehen, wie man sich selbst helfen kann, bevor man die Lehrkraft fragt, bspw. mithilfe von Wörterbüchern. Da die Klassenräume mit wirklich allem ausgestattet sind (Wörterbüchern, Whiteboard, Smartboard, Schulbüchern, DVDs und Büchern in der Fremdsprache, dem Schul-Laptop der Lehrkraft und einem zusätzlichen Monitor, …) ist die Durchführung dieser Selbsthilfe auch realistisch. Aufgrund der Tatsache, dass die Klassenräume die Räume der Lehrkraft sind, werden die Wände auch häufig mit Grammatik-Regeln, nützlichen Formulierungen, Postern der Schüler_innen, Flaggen etc. behangen. Bei Grammatik-Regeln besteht allerdings die Gefahr, dass die Schüler_innen sich „auf die Wand“ verlassen und zu schnell nachschauen, wenn sie sich unsicher sind.

Auch in der Lower School habe ich spannende Methoden kennengelernt, die aber hauptsächlich für Grundschullehrkräfte passen sind, wie bspw. einen Plastik-Keks aus der cookie jar herausnehmen, wenn die ganze Klasse zu laut ist (Mann, was hat das funktioniert!) oder warnings aussprechen und wenn diese missachtet wird eine caution, wonach die Schüler_innen ihr Verhalten rechtfertigen müssen. Mit nur einer 35-Minuten Stunde pro Woche (an der Lower School sind die Stunden nochmal kürzer) war es leider aber auch schwer, Französisch „ordentlich“ beizubringen oder die Schüler_innen mithilfe von Noten und Kommentaren zu bewerten, was auch die Aufgabe von uns, der Sprachassistentin und mir, war. Generell ist es bei der Notengebung so, dass ein C (wie eine deutsche 3; Skala von A*, A+, A, B+, B, C+, C, … von gut nach schlecht) bereits als schlechte(re) Note gesehen wird. Benotet wird nach effort (Mühe) und attainment (Leistung). In den Lower School Stunden habe ich zudem festgestellt, dass ich mehr Spaß im Unterrichten an einer weiterführenden Schule habe, auch wenn die Schüler_innen wirklich goldig sind!

 

Kurzes, rückblickendes Fazit zu meiner Zeit an der Norwich School

Rückblickend war es toll und vor allem bereichernd für mich persönlich, aber auch für mich in meiner späteren Rolle als Englischlehrerin, das Leben an einer englischen independent school so intensiv kennenlernen zu dürfen. Ich wurde sehr herzlich vom French Department aufgenommen, hatte immer etwas zu tun, sodass es nie langweilig wurde, und zudem hatte ich auch sehr interessante und abwechslungsreiche Aufgaben, die mich weiter gebracht haben. Ich freue mich sehr, dass mir so viel zugetraut wurde und ich in verschiedenen, teilweise auch für mich neuen Bereichen (z.B. Benotung und Vertretungsunterricht) Erfahrungen sammeln konnte.

Mein täglicher Schulweg mit Blick auf den Common Room

Das Schulleben und der Schulalltag in England (siehe v.a. letzter Blogbeitrag) ist für mich eine vollkommen andere und neue Erfahrung gewesen als in Frankreich oder Deutschland – und selbstverständlich ist Schule in England auch kulturell völlig anders geprägt. Und obwohl es in der Praxis eines Lehrers oder einer Lehrerin natürlich Parallelen gibt – gerade im Fremdsprachenunterricht – findet man auch immer wieder Aspekte, die einfach anders ablaufen oder anders gehandhabt werden als im Heimatland, was man aus verschiedenen Perspektiven betrachten kann. Meinen Eindruck habe ich hier geschildert. Einen generellen, allumfassenden Vergleich kann ich aber eigentlich gar nicht so richtig ziehen – es war super, aber vollkommen anders.

Nathalie

Hallo!
Ich bin Nathalie und studiere an der WWU Münster Englisch und Französisch im Master of Education, um an Gymnasien und Gesamtschulen unterrichten zu können. Vor Ende meines Studiums mache ich noch zwei freiwillige Schulpraktika in Montpellier, Frankreich und Norwich, England. Hier erfahrt ihr mehr über meine Erfahrungen und Erlebnisse während meiner Auslandspraktika.

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