• Menu
  • Menu

Rot-weiße Häuser und finnisches Archipel

„Woanders is‘ auch scheiße“

…, pflegt der Ruhrgebietsmensch zu sagen und hat damit meistens auch Recht.

Man schaue sich nur einmal Mallorca an, dessen wahrlich anmutige Landschaft mit ihrer reichen mallorquinische Kultur durch marodierende Horden aus dem Festangestellten-Milieu regelmäßig verwüstet und an den Rand des totalen Kollapses gedrängt wird. Kommt man allerdings im sommerlichen Umeå an, dann scheint es so, als würde diese Aussage plötzlich ihre Geltung verlieren.

Die Natur in und rundum Umeå ist überwältigend und vor allem anders als die typische mitteleuropäische Kulturlandschaft. Ich freute mich von Anfang an darauf diese Natur genauer zu erkunden. Doch zuerst musste ich nur ein zweirädriges Vehikel, ein sogenanntes „Fahrrad“ organisieren, denn obwohl unsere Art durch Bipedie die Welt erobern konnte, so verlangt einem die Überwindung größerer Strecken auf diese Weise einiges ab und ist vor allem zeitintensiv. Also durchstöberte ich die Facebook-Gruppe „Umeå International Bike Market“ und wurde schließlich auch fündig. Ein rotes nahezu 40 Jahre altes, schwedisches Fahrrad der Marke „Crescent“ für 500 SEK (ca. 50 €; plus Schloss). Nachdem ich das Fahrrad geölt hatte, lief es schön glatt und gleichmäßig. Ich musste mich aber zunächst an die eigenartige Fahrradbremse gewöhnen. Zu meiner Verwunderung hatte das Fahrrad nämlich nur eine Rücktrittbremse aber keine Handbremse. Ich fand im Gespräch mit einem Schweden allerdings heraus, dass dieses eigensinnige „Brems-Konzept“, in Anbetracht des harschen schwedischen Winters, sehr wohl Sinn ergibt. Handbremsen frieren nämlich bei winterlichen -30 °C mal gerne fest und werden dadurch ziemlich unbrauchbar.

Meine erste Fahrradtour führte mich in das an der Küste gelegene Holmsund durch das malerische Yttertavle Tal. An diesem Tag war es für schwedische Verhältnisse relativ heiß und die Sonne brannte auf den Asphalt der kaum befahrenen Landstraße. Diese schlängelte sich durch einen typisch schwedischen Forst, der von unzähligen Nadelbäumen und winzigen bis kolossalen Felsen durchzogen ist, die aus dem Nichts zu kommen scheinen. Von Zeit zu Zeit wird der dichte Wald allerdings von idyllischen kleinen Seen unterbrochen, die eine willkommene Abwechslung zur grün, braun, grauen Monotonie des Waldes darstellen. Einer dieser Seen ist zum Beispiel der Holmsjö, der mir auf der Fahrradtour nach Holmsund begegnet ist. Fährt man am Holmsjö vorbei, gelangt man bald auf die Hauptstraße, den „blå väg“, der man bis in den Ort Holmsund folgt. In Holmsund angekommen gibt es zwei Optionen, entweder man fährt in Richtung Hafen und findet sich bald Anlegepunkt der Fähre, mit der man in die finnische Stadt übersetzen kann, oder man durchquert Holmsund um zur im Südwesten gelegenen Landzunge zu gelangen [in Google Maps einfach nur nach der Busstation „Lövoüdden Södra“ suchen]. Wer den Charme einer typisch skandinavischen Küste erleben möchte, dem möchte ich Letzteres empfehlen. An diesem Küstenabschnitt angekommen, werden nahezu alle landschaftlichen Stereotypen Schwedens bestätigt: rote Holzhäuser, riesige an die See grenzende Felsen, kleine der Küste vorgelagerte Inseln, die selbst wieder von kleinen rot-weißen Häusern besiedelt werden.

Wer nicht gerade die knapp 20 km bis nach Holmsund auf sich nehmen möchte, der findet auch ca. 6 km südlich von Umeå ein wahres Naturparadies, das Grossjön Naturreservat. Hier findet man unberührte, schwedische Natur in Reinform. Betritt man das Naturreservat von der Hauptstraße (Blå vägen, auf der Höhe der Busstation „Bergsboda Norra“) aus, so gelangt man nach einiger Zeit an einen Ort, der sehr unwirklich, ja nahezu außerweltlich erscheint. Dem Beobachter eröffnet sich ein Blick auf mehrere Felsplateaus, die wie von einem riesigen Troll aus dem Boden gestampft wurden. So etwas habe ich noch nirgendwo in Deutschland gesehen. Überquert man nun diese Plateaus, so gelangt man auf einen Rundweg, der durch den angrenzenden Wald einmal um den Grossjö führt. Wer in eine nahezu unberührte schwedische Natur eintauchen möchte, der ist hier genau richtig. Der Grossjö ist übrigens auch der perfekte Ort um einen Blick auf die Nordlichter zu erhaschen. Um die 6 km aber nicht vergeblich auf sich zu nehmen, würde ich empfehlen, sich vorher auf der App „Aurora“ zu informieren, wie hoch die Sichtungswahrscheinlichkeit der Nordlichter tatsächlich ist.

Das Arboretum Norr ist die letzte Natur-Sehenswürdigkeit rund umUmeå über die ich ein Wort verlieren möchte. Das ca. 9 km im Norden von Umeå gelegene Arboretum Norr ist eine Art botanischer Garten für Bäume, die aus den unterschiedlichsten Teilen der Erde stammen. Das Kurioseste an diesem Ort ist wahrscheinlich die goldene Buddha-Figur, die sich inmitten eines ehemaligen Wasserkraftwerksgebäude befindet. Eine sehr gruseliges, aber einzigartiges Kunstwerk.

Exkurs: Finland is winland

Wer einmal finnisches Festland betreten möchte, der hat während seines Aufenthaltes in Umeå die Möglichkeit dazu. Vom Holmsunder Hafen aus geht es mit der Fähre in das 100 km süd-östlich gelegene Vaasa. Die Ticketpreise sowie die Fahrzeiten könnt ihr auf folgender Website einsehen: https://www.wasaline.com/en/.

Schon von Anfang an fiel mir auf, dass Finnland irgendwie anders als Schweden ist. Zuallererst wäre da logischerweise die Sprache; während Schwedisch so klingt, als würde es vor allem von freundlichen 4,45 Fuß hohen Trollen gesprochen werden, die sich im Norden des Auenlandes angesiedelt haben, da sie einfach „viel zu kultiviert“ für ihr „ach so ungepflegtes Artgenossen-Gesindel“ waren; so klingt das Finnische wie eine Sprache, die vor allem von nihilistischen Ostlingen gesprochen wird, die erkannt haben, dass das Leben sinnlos ist und deswegen begonnen haben Unmengen an hochprozentigen Spirituosen zwischen ihren Sauna-Gängen zu konsumieren. Diese Beschreibung mag zwar stereotypen-behaftet sein, orientiert sich jedoch an Tatsachen.

Das Schwedische lebt von der singsang-artigen Betonung, die eine wunderbare Sprachmelodie erzeugt. Dagegen wird im Finnischen meist nur die erste Silbe betont, der Rest des Wortes bleibt meist gänzlich unbetont. Während das Schwedische große Ähnlichkeit mit dem Deutschen aufweist, so sucht man diese Ähnlichkeiten im Finnischen vergeblich. Für einen Deutschen scheinen die Finnen ihre Sprache einfach ausgewürfelt zu haben: auf ein „u“ folgt ein weiteres „u“ und darauf eine vollkommen randomisierte-wirkende Reihenfolge verschiedener Buchstaben, die dann meist auf „‑läinen“ endet.

Einmal abgesehen von der Sprache fällt auch der Unterschied zwischen den Städten Umeå und Vaasa sofort auf. Während Umeå in den letzten Jahren versucht hat seinen Ruf als „Zentrum im Norden“ zu festigen und 2014 sogar Kulturhauptstadt war, so hat die Innenstadt von Vaasa den Charm einer typischen Ruhrgebietsmetropole. Das liegt auch mit Sicherheit daran, dass Vaasa bereits in der Mitte des 19 Jahrhunderts stark industrialisiert wurde. Während hier früher zum Beispiel Motoren der Marke Wikström produziert wurden, so ist Vaasa heute ein Zentrum für Energie-Technologien.

Wer übrigens mehr über die Historie von Vaasa erfahren möchte, der sollte das Ostrobothnian Museum nahe der Innenstadt besuchen. Hier kann man auch einiges rund um die Natur und die geologische Besonderheit der Gegend erfahren. In der Region im Süd-Westen und Nord-Westen von Vaasa befindet sich das von der letzten Eiszeit geformte Kvarken-Archipel, welches zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Früher wurde diese Region von einem dicken Eispanzer bedeckt, dessen Gewicht die Erdkruste in den Erdmantel sinken ließ. Nachdem das Eis schmolz, flossen die Mantelmaterialien in Richtung der Zentren der ehemaligen Eispanzer zurück und die Erdkruste begann sich wieder zu heben. Durch diesen Prozess der sogenannten postglazialen Landerhebung wächst die Landmasse des Kvarken Archipels um rund 100-150 Fußballfelder im Jahr (und ja, auch für Finnen sind Fußballfelder ein adäquates Flächenäquivalent). Wie sehr dieser geologische Prozess das Leben der Menschen dieser Region prägt, kann man anhand des Hafens von Björköby sehen. Vor den 1940er Jahren nannten die Menschen noch Boback ihren Heimathafen. Hier standen rund 120 Lagerhäuser und es herrschte reger Betrieb, Schiffe liefen ein und gefangener Fisch wurde abgeladen und getrocknet. Doch das Land hob sie allmählich und schließlich wurde die Bucht zu seicht. In den 1940er Jahren beschloss man den Hafen näher an die See zu verlegen und so wurde Svedjehamn gegründet. Heute ist aber auch Svedjehamn zu seicht für die moderne Fischerei-Industrie geworden und man beschloss den Hafen ein weiteres Mal zu verlegen.

Um die Gegend rund um Vaase richtig erkunden zu können würde ich jedem empfehlen sich für die Zeit des Aufenthaltes ein Auto zu leihen, es lohnt sich.

Hej då und Hei hei,

Tobias

Tobias

Lassen Sie einen Kommentar da

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert