Poznań liegt in der Woiwodschaft Wielkopolska, dem Geburtsort Polens – was hier durchaus betont wird. Die bekannteste Sehenswürdigkeit ist der alte Markt, in dessen Mitte sich das alte Rathaus mit der vielbeachteten Rathausuhr befindet. Um Punkt 12 Uhr stoßen zwei Holzziegenböcke ihre Hörner über der Uhr genau zwölf mal gegeneinander, wobei die wahre Attraktion hierbei die Menschenmasse ist, die insbesondere an Wochenenden davorsteht, um das Spektakel zu filmen. Das ganze dauert locker drei Minuten. Und am Ende wird geklatscht, ob aus Begeisterung oder Erleichterung darüber, dass der Arm, der das Handy hielt jetzt endlich entspannen kann, vermag ich nicht zu sagen.
Untergebracht bin ich im allseits bekannten Studentenwohnheim Jowita, ein 1960er-Jahre-Bau, der kurioserweise mit zerbrochenem Geschirr verputzt wurde. Hier traf ich Studenten, Ph.D.s und auch Postdocs aus Polen, Spanien, Venezuela, Tadschikistan, Indien, Italien, Ägypten und Ungarn, die zum Teil seit einigen Jahren hier wohnen. Die Gemeinschaftsküche ist im Flur und mein Zimmer ist mit geteiltem Bad, was bedeutet, dass ich, wenn ich durch meine Tür aufs Klo gehe, die meines Nachbarn gegenüber von innen abschließe. Bin ich dann fertig, schließe ich die Nachbartür von innen auf, gehe durch meine Türe raus und schließe diese von außen ab. Am Anfang etwas verwirrend – ist ein bisschen ungünstig wenn man das Aufschließen der Nachbartür vergisst. Aber daran gewöhnt man sich schnell. Komisch ist dabei vor allem, nicht zu wissen, mit wem man das Bad gerade teilt. Insbesondere, seit die Semesterferien begonnen haben, habe ich regelmäßig neue Nachbarn.
Jowita liegt recht zentral am Rondo Kaponiera. Ein guter Startpunkt für Erkundungen, denn es gibt einiges zu entdecken. Falls man dann mal genug hat von Museen, Malls und Monumenten, kann man in den Park Cytadela oder noch besser zum Rusałka See fliehen.
Kulinarisch gibt es auch einiges zu entdecken. Polnisches Essen ist deftig, fleischlastig und ziemlich lecker. Aber auch internationale Küchen sind verbreitet. Ein Beispiel ist das hippe Restaurant Cafe La Ruina i Raj im Stadtteil Śródka. Hier hält ein vielreisendes, polnisches Pärchen eine wilde Auswahl an Gerichten aus aller Welt im passenden Ambiente bereit. Für viele Polen heißt eine vollwertige Mahlzeit irgendetwas mit Fleisch, trotzdem bieten viele Restaurants auch vegetarische oder sogar vegane Gerichte an.
Wer gerne Eis isst, ist in Poznań sehr gut aufgehoben. Lody Natruralne ist hier so beliebt, dass die Leute ewig Schlange stehen, insbesondere bei Lodziarnia Kolorowa, obwohl es in unmittelbarer Nähe noch zwei andere Eisdielen gibt. Darüber kann man sich wundern oder sich seine eigene Meinung bilden. Am besten wenn es regnet.
Und dann muss ich noch das Craft Bier erwähnen, denn in den letzten Jahren wird in Polen fleißig gebraut. In jedem noch so kleinen Restaurant, Kiosk oder Imbiss wird eine Auswahl angeboten. Wer sich ein Craft Bier vom Fass gönnen möchte, muss erst entscheiden, ob es zu Piwna Stopa, Ministerstwo Browaru oder Chmielnik (um einige Beispiele zu nennen) geht – alle mit feinem Biergarten, um dann unentschlossen vor bis zu 20 Zapfhähnen zu stehen, völlig baff von der Vielfalt, die dort angeboten wird. Hat man sich dann endlich zu einer Entscheidung durchgerungen, zahlt man um die 15zł pro halbem Liter und erholt sich im Biergarten – bis zum nächsten Bier; Oder Cider, den gibt es auch…
Wessen Herz sich nach einem Bier im Park sehnt, sei darauf hingewiesen, dass der Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit in Polen verboten ist. Poznań hält aber eine Ausnahme bereit: An der Flussniederung der Warta im Stadtbereich ist der Konsum erlaubt, allerdings nur dort. Nimmt man sein Bier mit auf die Flussterrasse, rutscht man ganz schnell ab in die Illegalität.
Im Gegensatz zu Medienberichten über Fremdenfeindlichkeit in Polen sind meine Erfahrungen bisher positiv. Natürlich könnte man hier einwenden, dass man mir meine Andersartigkeit nicht ansieht – ich könnte durchaus als Polin durchgehen – und dass Poznań eine weltoffene Universitätsstadt ist. Doch auch, wenn ich mich zu erkennen gebe (was schnell passiert, ich spreche kein Polnisch), begegnet man mir freundlich und hilfsbereit. Und die meisten nicht polnischen Leute, mit denen ich mich unterhalten habe, waren vielleicht unzufrieden mit organisatorischen Abläufen an der Uni oder dem Wetter, aber von offenen Anfeindungen hat keiner berichtet.
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