Hallo ihr Lieben,
ich bin Luise und studiere Medizin. Schon lange wollte ich einen Einblick in ein „nicht-westliches“ Krankenhaus bekommen. Von Deutschland ist man sehr hohe Standards gewohnt und ich wollte gerne die Erfahrung machen, dass man auch mit weniger Material und Möglichkeiten als wir sie zu Verfügung haben arbeiten kann. Gleichzeitig hat mich natürlich die vielfältige und traumhafte Landschaft gereizt. Strände, Berge, eine andere Kultur kennenlernen, mein Englisch verbessern und ein Einblick in ein anders Gesundheitssystem bekommen, in Sri Lanka konnte ich all das unter einen Hut bekommen.
Bei meiner Abreise hatte ich bereits zwei PJ-Tertiale hinter mir, eins in den Niederlanden und eins in Deutschland. Zwar unterschiedet sich das niederländische Gesundheitssystem von dem, was wir in Deutschland haben, das Niveau auf dem gearbeitet wird, ist jedoch dasselbe.
Zwei Tage vor Silvester bin ich losgeflogen. Zunächst nach Colombo und in derselben Nacht ging es noch weiter nach Galle. Am nächsten Morgen musste ich zusammen mit anderen PJlern, die auch ihren ersten Tag hatten, um 8 ins Krankenhaus, erst mal nur um organisatorische Dinge zu erledigen. Da der nächste Tag der 1. Januar war, war mein richtiger erster Arbeitstag erst am Mittwoch. Dort wurden wir zusammen mit fünf anderen Studenten, die auch ihren ersten Tag hatten, von Herrn Dr. Abeywickrema, dem Chef der Allgemeinchirurgie, empfangen. Mit ihm haben wir besprochen, in welche Abteilung wir zunächst gehen. Die Aufteilung war sehr entspannt. Je nach Interessensgebiet konnte man in jedes Gebiet der Chirurgie hinein schnuppern. Dr. Abeywickrema hat einfach den Chef der jeweiligen Abteilung angerufen und mit ihm besprochen, wie viele Studenten wie lange wo sind.
Da ich mir durch Allgemeinchirurgie erhoffte, ein besonders breites Spektrum an chirurgischen OPs mitzubekommen, blieb ich dort. Später war ich noch einige Zeit auf der Neurochirurgie. Montag, Mittwoch und Freitag waren die sog. Ward-rounds, sprich die Visiten. Dienstag und Donnerstag wurde operiert. Natürlich fanden auch Dienstag und Donnerstag OPs statt, nur hier gab es keine geplanten OPs, sondern die, die sich nicht planen lassen.
Am Anfang war ich mit allem etwas überfordert. Das Krankenhaus ist unfassbar voll, in der Notaufnahme stehen die Patienten bis auf die Straße Schlange und warten (extrem geduldig!), dass ihnen geholfen wird. An meinen ersten Tagen im Krankenhaus in Galle wurde mir immer wieder bewusst, wie verwöhnt man vom deutschen Gesundheitssystem ist. Hier gibt es gar keine Zimmer. Eine Station ist ein riesiger großer Saal, in dem die Betten dicht beieinander, höchstens noch durch einen Vorhang getrennt, stehen. Da es oft nicht genug Betten für so viele Patienten gibt, sitzen manche Patienten auch einfach auf einem Stuhl oder auf dem Boden. Digital wird hier gar nichts dokumentiert. Auf den Visiten dokumentiert eine Schwester auf Papier was besprochen wird und Röntgenbilder oder Laborwerte liegen auf dem Nachtisch. Auch Arbeitsplätze gibt es hier viel weniger. Das Arzt- oder Schwesternzimmer ist meist voll, wenn sich dort zwei Leute befinden. Trotzdem quetscht man sich mit 10 Leuten rein, um nach den Visiten noch Röntgenbilder oder andere Dinge zu besprechen.
Noch etwas, an das man sich gewöhnen musste, war die Hitze. Obwohl das Krankenhaus offen gebaut ist, sprich die Wände gehen nur etwa bis Schulterhöhe, kommt selten mal ein Luftstoß hinein. An den Decken hängen ab und an Ventilatoren aber auch das hilft kaum, wenn man über seiner normalen Kleidung auch noch einen Kittel tragen muss. Ich habe mir in den ersten Tagen hier angewöhnt, auf den Visiten immer genug Wasser und einen Fächer mit zu haben, so war es einigermaßen auszuhalten.
Die Visiten laufen auch sehr anders ab, als man es aus Deutschland gewohnt ist. Da die Ärzte sich hier um viel mehr Patienten als in Deutschland kümmern müssen, muss natürlich dementsprechend bei der Viste auch alles viel schneller gehen. Während bei uns eine halbe oder eine drittel Station von einem Arzt betreut wird, ist hier ein Arzt für 3-4 Stationen + Notaufnahme verantwortlich. Die Arbeitsaufteilung ist hier also auch eine andere: Körperliche Untersuchung, Blutentnahmen und alles andere was in Deutschland zur ärztlichen Tätigkeit gehört, wird hier durch die Schwestern erledigt. Die Visite ist wirklich nur da, um kurz zu besprechen was gemacht werden muss und wie es dem Patienten geht. Mit dem Patienten selber wird nicht gesprochen, nur über den Patienten. Die Schwester notiert sich, was gemacht werden soll. An der Umsetzung sind die Ärzte nicht beteiligt. Oft stand man noch nicht mal eine Minute am Patientenbett. Was mich überrascht hat ist, dass die Ärzte trotzdem immer ganz genau wussten, warum welcher Patient da war und oft auch Details wie Laborwerte auswendig wussten, die bei uns immer eben im Computer nachgeguckt werden, bevor man ins Patientenzimmer geht.
Bei den Visiten wird prinzipiell Englisch gesprochen, allerdings laufen bei den Visiten oft bis zu 20 Leute mit: Assistenzärzte, einheimische Studenten und ausländische Studenten, sodass man, wenn man nicht ganz vorne stand, in den Visiten oft Schwierigkeiten hatte, etwas mitzubekommen.
Für mich am auffälligsten war, dass sich keiner der Patienten jemals beschwert hat. Jeder schien einfach froh, dass ihm geholfen wird. Und obwohl das Krankenhaus so viel voller ist, als die Krankenhäuser in Deutschland und es viel weniger Platz gibt, ist es sehr leise. Alle behandeln sich sehr respekt- und rücksichtsvoll. Von der Chirurgie bin ich in Deutschland einen sehr ruppigen Ton gewohnt. Ich habe bisher nicht einmal mitbekommen, dass jemand angemotzt oder runtergemacht wurde – etwas was ich in Deutschland leider öfter erlebt habe.
In den OP-Sälen war der Unterschied zu Deutschland weniger auffällig. Einwaschen, Vorbereitung und OP selber funktionieren ähnlich wie in Deutschland. Nur die OP-Kleidung ist die, die man mehrfach verwendet. Sie wird nach jedem Gebrauch gewaschen und steril abgekocht. In Deutschland verwenden wir Einmal-Material, das nach Gebrauch einfach entsorgt wird. Wenn an einigen Tagen allerdings ungeplant mehrere OPs anstanden, die zeitnah erfolgen mussten, wurden in einem OP-Saal teilweise 3 OPs gleichzeitig durchgeführt. So wurde 1x in einem Saal eine Hernie entfernt, am Tisch daneben ein Zeh amputiert und daneben noch ein Schlangenbiss versorgt.
Schade ist natürlich, das wir Studenten durch die andere Aufgabenverteilung und dadurch, das wir so viele sind, viel weniger machen dürfen als in Deutschland, bzw. eigentlich gar nichts. Meine Rolle war immer eher eine Zuschauerrolle, man darf mal ein Röntgenbild oder Laborwerte befunden.
Die Ärzte und das Pflegepersonal sind insgesamt sehr nett, allerdings bleibt durch das große Arbeitspensum während der Visite nicht viel Zeit für Erklärungen. Abhängig von der Abteilung auf der man ist, werden allerdings einige Fälle im Arztzimmer nachbesprochen und da wird auch darauf geachtet, die Studenten mit einzubeziehen.
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