Nachdem ich ein halbes Wochenende Zeit hatte mich einzuleben, ging es nun direkt am Montag mit dem Praktikum los. Das hat natürlich nochmal einen eigenen Aufgeregtheitsgrad für sich: Reicht mein Englisch aus, um auch auf einer professionellen Ebene damit klar zu kommen? Wie sind die “Kollegen” und die Vorgesetzten?
Mit meinem Englisch ging es besser als ich erwartet habe, auch weil Medizin aus diversen lateinischen Begriffen besteht, die man in weiten Teilen nur englisch aussprechen muss. Die Kollegen waren überaus freundlich und sind sehr bemüht um Lehre. Allerdings ist, ähnlich wie in Deutschland auch hier der Arbeitsaufwand sehr hoch, sodass dazu nicht immer Zeit bleibt.
Ich war die ganze Zeit den Viszeral-Chirurgen, genauer der Colo-Rektal-Chirurgie zugeteilt. Das erste was in Großbritannien auffällt (und mir zumindest sympathisch war), sind völlig andere Hierarchien als in Deutschland: Die Kolorektal-Chirurgen sind hier in drei Teams unterteilt. Diese Teams unterstehen keinem weiteren Chefarzt, sondern zwei bzw. drei Consultants teilen sich die Patienten und Verantwortlichkeiten. Ein Consultant kann man am besten als eine Mischung aus Fach-, Ober und Chefarzt bezeichnen. In den jeweiligen Teams gibt es dann noch Registrars (Ärzte mit höherem Ausbildungsstand und im Prinzip das ausführende “Organ” des Consultants, steht am Ende der Facharztausbildung) und Junior Doctors.
Im Prinzip läuft die Ausbildung nach einem fünfjährigem Studium wie folgt ab: Zwei Jahre vollzieht man ein Foundation Program in dem man alle Stationen für einen bestimmten Zeitraum durchläuft, danach kann man sich ein Gebiet aussuchen und wird dort weiter ausgebildet. So wie ich es verstanden habe dauert die Ausbildung bis zum Consultant deutlich länger als in Deutschland. Niederlassen kann man sich nur als Allgemeinarzt (General Physician, GP).
Der National Health Service (NHS), hat gewisse Parallelen mit unseren abgabefinanzierten Krankenversicherungen. Allerdings ist das System steuerfinanziert und es gibt keine Auswahl an unterschiedlichen Krankenkassen. Private Versicherungen existieren ebenfalls. Das NHS unterliegt allerdings regionalen Unterschieden, so werden in Wales andere Leistungen mehr oder weniger finanziert als in England. Insgesamt ist das System allerdings an seinen Grenzen und bedarf dringender Reformen.
Im klinischen Alltag kommt es viel auf Eigeninitiative an, man kann auf der Station den bekannten Blut- und Zugangskram machen (wobei das meiste von medizinischen Fachangestellten erledigt wird), man geht in den OP (theater) oder man geht in die Surgical Assesment Unit (SAU), wo die Patienten mit der Überweisung eines GP ankommen, dort kann man Aufnahmegespräche führen und die Patienten körperlich untersuchen.
Was noch “wichtig” ist: Hier hat man ein etwas anderes Verständnis von Hygiene: Man trägt keine weißen Kittel mehr, sondern Herren Hemden mit hochgekrempelten Ärmeln (samt Stoffhose, da sie keine Jeans mögen (zu amerikanisch bzw. kontinentaleuropäisch 😄) und Frauen armfreie Kleider (samt Handtäschchen). Da ich nur was von Hemden hörte, hätte ich leider nur eine Stoffhose mit, aber keiner hat sich über meine Jeans beschwert, aber es gibt Leute, die es genauer nehmen… Trotz dem gewöhnungsbedürftigen Gefühl teilweise in einer Anwaltskanzlei zu arbeiten, hat mir das Arbeiten dort viel Spaß gemacht.
Letzter Teil: Das Fazit…
Hey Tim,
ich hatte auch überlegt die Hälfte vom Chirurgietertial in Cardiff zu machen, was sagst du denn allgemein zu der Lehre da? Darf man viel machen oder ist eher zusehen angesagt und wie sind so die Arbeitszeiten? Ist man als ausländischer Student willkommen oder mehr so ein geduldeter Gast in der Klinik?
Liebe Grüße
Kira