Ein Schulpraktikum im Ausland – muss das sein?
Wer Lehrer*in werden will, der weiß, dass es nicht ausreicht, Vorlesungen und Seminare an der Uni zu besuchen. Die Anforderungen an eine*n Lehrer*in sind umfangreich und anspruchsvoll, so müssen nicht nur Lerninhalte vorbereitet und vermittelt sowie Lernfortschritte von Schülerinnen und Schülern (SuS) bewertet werden. Vielmehr haben Lehrer*innen zusätzlich eine herausragende soziale und sozialisierende Aufgabe im Umgang mit SuS. All diese anspruchsvollen Aufgabenbereiche miteinander kombiniert fordern zwar einerseits Fachwissen, andererseits wird jedoch vor allem ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, Konsequenz, Geduld, Empathie und nicht zuletzt Erfahrung wichtig. Um dieser anspruchsvollen Tätigkeit schließlich gerecht zu werden, ist es meiner Meinung nach notwendig, so früh wie möglich Erfahrungen in der Schule zu machen, um an der Universität nicht nur über das Lehren zu lernen, sondern vielmehr im Kontakt mit SuS lehrend das Lehren zu lernen.
Deshalb möchte ich nun innerhalb eines zweimonatigen Praktikums an der Georgian-American International School „Progress“ in Batumi, Georgien meine Lehrkompetenzen herausbilden und außerdem das System Schule in einem neuen kulturellen Kontext kennenlernen. Des Weiteren soll mich dieses Praktikum in der Entscheidung bestärken, an mein endendes Studium der Germanistik und Sozialwissenschaften im Zweifach-Bachelor auf Lehramt für Gym/Ges den Studiengang Deutsch als Fremdsprache bzw. Zweitsprache (DaF/DaZ) anzuschließen, um auch in der Erwachsenenbildung sowie im Ausland tätig werden zu können.
Die Schule „Progress“ im Kurzportrait
Die Georgian-Amercian International School „Progress“ ist eine Privatschule in Batumi, die sich durch ihre internationale Ausrichtung auszeichnet. Dies macht sich in der Internationalität des Kollegiums sowie der Zweiteilung der Klassen bemerkbar – so gibt es einerseits Klassen, die auf Georgisch unterricht werden. Andererseit gibt es Klassen, die auf Englisch unterrichtet werden. Die Schule beginnt mit der Vorschule und endet mit der zwölften Klasse und setzt sich aus 60 Lehrer*innen und ca. 200 SuS zusammen.
Mein Arbeitsalltag
Montags, mittwochs sowie freitags bin ich in der Schule und begleite Mariam, eine 29-jährige Lehrerin, die Deutsch unterrichtet. Sie bereitet ihren Unterricht mit interessanten Materialien vor und bindet mich bei Gelegenheit in das Unterrichtsgeschehen ein. So lerne ich die SuS aus der Lehrerperspektive kennen und habe die Chance, Erfahrungen vor der Klasse zu sammeln. Mariam unterrichtet vor allem Klassen, die bisher kaum oder gar kein Deutsch gelernt haben, sodass ich insbesondere neue Einblicke in die Alphabetisierung der SuS gewinne. Weiterhin lerne ich das Deutsche kontrastiv zum Georgischen kennen. Ich stelle fest, dass die Kinder vor allem Schwierigkeiten bei der Artikulation der Umlaute haben und immer wieder versuchen, das Deutsche auf englische Weise auszusprechen. Zum Teil benötige ich Mariams Unterstützung in den georgischen Klassen, um mit den Kindern kommunizieren zu können. Die amerikanischen Klassen kann ich jedoch alleine auf Englisch unterrichten, sodass ich die Gelegenheit nutze, meine Englischkenntnisse zu verbessern und im Schulalltag anzuwenden. Die Internationalität der Klassen und ihre diversen Lernstände sorgen in den meisten Klassen für eine extreme Heterogenität, die es erschwert, passenden Unterricht für jedes Kind zu gestalten. Dies stellt zwar eine große Herausforderung dar, zeigt mir jedoch die realen Umstände des Schulalltages, auf die ich zu reagieren lernen muss. Zudem kommt es nicht selten vor, dass ich erst kurzfristig erfahre, den Unterricht in einer Klasse alleine zu übernehmen. Durch derartige Herausforderungen lerne ich auf stressige Schulsituationen mit Gelassenheit zu reagieren und auch ohne umfassende Vorbereitung und Planung zu unterrichten.
Zusammenfassung – Was lerne ich?
Lasse ich die verbrachte Zeit in der Schule revue passieren, kann ich sagen: es ist viel passiert! In Georgien allgemein und auch in der Schule durfte ich viele neue, sehr nette Menschen kennenlernen. So gab es einige gemütliche Abendessen im Restaurant, nette Gespräche in der Kantine bei Kaffee und Khachapuri, Malkurse im Kunstzirkel und sogar eine Einladung in den Iran. Die Herzlichkeit und Offenheit der Georgier*innen haben mir als Praktikantin einen schnellen und problemlosen Einstieg in die Schule gewährt, sodass ich das System Schule mit seinen Strukturen in einem neuen kulturellen Kontext kennenlernen und meine interkulturellen Kompetenzen herausbilden konnte. Zudem haben sich mir nicht nur neue Einblicke in den DaF/DaZ-Unterricht eröffnet. Vielmehr konnte ich eigenständig in der Rolle als Lehrerin Kinder beispielsweise bei der Alphabetisierung unterstützen. Kannte ich die deutsche Sprache bisher in Auszügen im Kontrast zur arabischen Sprache im DaF/DaZ-Unterricht, konnte ich durch mein jetziges Praktikum das Deutsche kontrastiv zum Georgischen kennenlernen und neue Besonderheiten und Schwierigkeiten beispielsweise hinsichtlich der Artikel, Umlaute und allgemein der Artikulation feststellen und analysieren. Des Weiteren hat mich das Praktikum insofern in meiner Lehrkompetenz gestärkt, dass es mir nun leichter fällt, spontan und unter Zeitdruck Unterricht zu planen, durchzuführen und bei Bedarf auf Englisch zu erteilen. Doch genügen die zwei Monate dieses Praktikums nicht, um alle Anforderungen an den Lehrerberuf zufriedenstellend zu erfüllen. Auch weiterhin werde ich neben der Uni in der Grundschule als Förderlehrkraft im Deutschunterricht arbeiten, um kontinuierlich Einblicke in den Schulalltag zu bekommen und meine Fähigkeiten herauszubilden. Um einen noch tieferen Einblick in den DaF/DaZ-Bereich zu erlangen, möchte ich zudem ein weiteres Schulpraktikum in einem anderen Land absolvieren. Meiner Meinung nach, ist ein Praktikum im Ausland die ideale Gelegenheit, um neue praktische Erfahrungen für seinen beruflichen Werdegang zu sammeln und gleichzeitig ein neues Land und eine fremde Kultur kennenzulernen.
In diesem Sinne: Ein Schulpraktikum im Ausland muss zwar nicht zwingend sein, ist aber ganz schön gut!
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