Wie ihr schon in meinem letzten Beitrag lesen konntet, ist die Universiteit Twente, kurz UT, mein Arbeitgeber während meines Auslandspraktikums hier in Enschede. Heute möchte ich euch meinen Arbeitsalltag und die Universität ein bisschen näher vorstellen.
Mein Arbeitsalltag beginnt für mich damit, dass ich mich morgens am Hauptbahnhof in Enschede in den Bus setze, denn anders als in Münster befinden sich die Institute nicht direkt im Stadtgebiet sondern etwas außerhalb von Enschede – auf halbem Wege zur Nachbarstadt Hengelo – auf einem klassischen Campus, dem Kennispark. Der Campus ist auch beim Vorbeifahren kaum zu übersehen, prangt doch stolz an der Hauptstraße der große, weiße, Hollywood-artige Schriftzug University of Twente, den ihr oben sehen könnt. So modern und weltoffen, wie die Uni sich an dieser Stelle gibt, habe ich sie bisher tatsächlich auch kennen gelernt: Der Campus wirkt sehr gepflegt, alle Gebäude vermitteln den Eindruck, nicht älter als 5-10 Jahre alt zu sein und es gibt viele Grünflächen, die (im Sommer) zum Verweilen einladen.
Falls ihr euch zu dem rechten Bild jetzt berechtigterweise fragt: Warum steht da ein halber Kirchturm?? – Tatsächlich steht er halb im Wasser, was man auf den ersten Blick gar nicht erkennt, da der Teich voller Algen ist. Warum der Kirchturm jetzt im Wasser steht, könnt ihr in meinem nächsten Beitrag nachlesen!
Zurück zum Campus: Die UT hat auf ihrem Campus eine ganze Menge zu bieten. Neben Einrichtungen, die für den studentischen Alltag wichtig sind, wie zum Beispiel Mensen oder haufenweise Arbeitsplätze und Rückzugsorte zum Lernen (wie ich finde eine Selbstverständlichkeit, aber leider in meinem Fachbereich in Münster nur sehr spärlich gesät), findet man auch den ein oder anderen Ort, mit dem man an einer Universität nicht unbedingt rechnet, wenn man das Leben auf einem Campus nicht gewohnt ist. Dazu zählt beispielsweise ein Starbucks Café (ziemlich cool oder?!), ein Supermarkt für die kleineren und größeren Einkäufe, ein paar Restaurants und sogar Pubs, einen studentischen Campus-Store für Elektrokram und sogar eine eigene Campus-Feuerwehr. Auch kulturell kann man sich hier vor Ort entfalten, da es regelmäßige Veranstaltungen, wie z. B. Theaterstücke oder Themenabende gibt.
Ich arbeite im Carré-Gebäude, dass neben vielen weiteren Gebäuden über den zentralen Platz Onderwijs- en Onderzoeksplein (siehe oben) zu betreten ist. Dort liegen die Büros und Labore der BIOS Lab-on-a-chip-Gruppe, mein eigentlicher Arbeitgeber. Die Gruppe besteht aus etwa 35-40 Mitgliedern, je nachdem, wie viele Bachelor- und Masterstudenten hier gerade an einem Projekt arbeiten, aber die meisten meiner Kollegen sind Doktoranden. Thematisch dreht sich hier alles um Mikrochips, wie es der Name schon verrät, und wie man ein Labor darauf unterbringen kann. Nun ja, darunter kann man sich vielleicht erstmal nicht so viel vorstellen, aber im Grunde genommen ist es sehr einfach: es gibt immer einen konkreten Anwendungsbezug eines Chip-Projekts, beispielsweise die Bestimmung des Blutzuckerspiegels im Blut eines Diabetikers mithilfe eines Mikrochips. Dann setzt sich ein schlauer Doktorand der BIOS-Gruppe mit seinem schlauen Kollegen zusammen und sie überlegen, wie sich das Ganze technisch umsetzen lässt. Einer der beiden hat z.B. Ahnung von Biochemie und lässt sich eine Möglichkeit einfallen, den Blutzuckerspiegel mithilfe eines möglichst einfachen Tests zu bestimmen – im Reagenzglas. Sein Kollege kennt sich dagegen bestens mit dem Bau von Mikrochips und der nötigen Physik dahinter aus und zusammen finden sie schließlich eine Möglichkeit, den Test aus dem Reagenzglas auf einen winzig kleinen Chip zu übertragen – sehr praktisch! Er könnte dann zum Beispiel theoretisch im Arm eines Diabetikers unter der Haut “eingepflanzt” werden, wo er kontinuierlich den Blutzuckerspiegel messen kann, ohne dass der Patient sich andauernd stechen muss…
Mein Morgenritual beinhaltet meistens eine Menge Kaffee – ich weiß eben, was gut für mich ist :D… Danach gehe ich hellwach an die Arbeit, entweder am Schreibtisch oder in einem der zahlreichen Labore der BIOS-Gruppe. Dazu zählen beispielsweise ein Chemie-Labor, ein Bio-Labor, ein Technik/Montage-Labor sowie ein Labor für generelle Arbeiten und Experimente. Da die Gruppe sehr interdisziplinär ausgerichtet und somit bunt gewürfelt ist, ist es natürlich klar, dass hier jeder seine Stärken und Schwächen hat. Für die Zusammenarbeit ist das prima, da es ganz von allein die Vernetzung untereinander fördert und stärkt. Allerdings muss man gleichzeitig bedenken, dass nicht alle, die sich beispielsweise im Chemie-Labor aufhalten, auch viel Ahnung von Chemie haben. Es ist also auch einige Rücksicht und Kommunikation geboten, was hier in der Gruppe aber super funktioniert. Ist man an einem Problem angelangt, gibt es mindestens einen Experten auf diesem Gebiet, der einem gerne weiterhilft. Andererseits passiert es auch, dass man plötzlich selbst der Experte ist – für mich eine ungewohnte Situation.
Die Planung meiner Arbeit ist weitestgehend mir selbst überlassen, was ebenfalls neu für mich ist. Bisher wurde man im Studium meist eng betreut und wenig allein gelassen, jetzt erhalte ich hingegen Vorgaben oder Hilfestellungen nur, wenn ich sie erfrage. Etwa alle zwei Wochen habe ich ein Treffen mit meinen Betreuern – dazu zählen eine Doktorandin, an deren Projekt ich mitarbeite, sowie ein Assistenzprofessor. Wir besprechen dabei den aktuellen Fortschritt des Projekts und überlegen zusammen, wie es weitergehen kann. Bei kleineren und größeren Problemen sind die beiden natürlich auch immer als Ansprechpartner für mich da, wie auch der Rest der BIOS-Gruppe. Die Arbeitsatmosphäre ist insgesamt sehr angenehm!
Bei meinem Projekt geht es ganz grob darum, einen Chip zu testen, den meine Betreuerin während ihrer Zeit hier entwickelt hat. Er ist dafür gedacht, winzige Partikel eines Polymers nach einer bestimmten Methode herzustellen. Ich finde durch einfache Experimente heraus, ob diese spezielle Methode auf diesem Chip überhaupt funktioniert. Dazu teste ich beispielsweise unterschiedliche Lösungsmittel und Polymere. Mein wichtigstes Werkzeug sind dabei Mikroskope und Hochgeschwindigkeitskameras, um die Prozesse zu beobachten, die sich auf dem Chip abspielen. Das funktioniert mal mehr und mal weniger gut, aber meistens findet man eine Lösung für auftretende Probleme. Und falls etwas mal gar nicht funktionieren will, rufen mir meine Kollegen gerne vor Augen: “Hey, that’s science, man!”
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