Auf der Suche nach einem freiwilligen Praktikum im Ausland wurde ich über das ZfL auf die One World Secondary School aufmerksam, die mir durch ihre vermittelten Werte und ihr ansprechendes Unterrichtsangebot ins Auge fiel. Schnell rückte das Abflugdatum näher und so machte ich mich Ende Juli mit großer Vorfreude, Neugier, aber auch Ungewissheit auf den Weg nach Tansania.
Die Anreise über Sansibar, nach Arusha und dann im Taxi noch weitere 4 Stunden nach Kisangara war lang, doch als ich bei Dunkelheit endlich an der One World ankam wurde ich freundlich vom Schulleiter Karl-Heinz Köhler begrüßt. Nach der ersten Nacht in meinem eigenen Zimmer im Volunteerhaus, welches mit einem Bett inklusive Bettwäsche, einem kleinen Schreibtisch, Stuhl und einem Hängeregal ausgestattet ist, lernte ich direkt am Morgen zwei tansanische Volunteers kennen, die zum Zeitpunkt meines Aufenthalts an der Schule lebten und halfen. Die beiden Mädels, Angel und Peris, nahmen mich herzlich auf, zeigten mir die Schule, stellten erste Kontakte zu den Schülerinnen und Schülern her und begleiteten mich an meinem ersten Tag direkt auf den wöchentlichen Markt in Kisangara.
Kisangara ist das Dorf, in dem sich die One World Secondary School befindet. Zu Fuß ist man in etwa 20 Minuten im „Ortskern“, manchmal wurden wir aber auch freundlicherweise von einem Picky Picky mitgenommen, dann war man schon in 5 Minuten angekommen. Picky Picky´s sind Motorrad-Taxis, die in Tansania ein beliebtes und günstiges Fortbewegungsmittel für kurze Strecken sind – gerne passen dort bis zu 4 Personen drauf und auch jegliches Gepäck kann damit transportiert werden. In Kisangara gibt es quasi alles, was man zum Überleben braucht: ein paar Shops, die Softdrinks, Süßigkeiten oder auch Hygieneartikel und Shampoos verkaufen, ein kleines Restaurant, einige Obst- und Gemüsestände und ein, zwei Bars, in denen manchmal Fußball läuft und man ein lokales Bier, wie Safari oder Kilimanjaro, probieren kann. Richtig schön wird das Dorf am Sonntag, wenn der wöchentliche Markt ist. Leckeres, frisches lokales Obst und Gemüse – meine Favoriten waren Avocados und Passionsfrüchte – Gewürze, Fisch, aber auch Kleidung, Schmuck, Taschen, feste Schuhe oder Flip Flops werden angeboten. Es war einfach total schön über den Markt zu bummeln, ein paar Kleinigkeiten zu erwerben, mit den Verkäuferinnen teilweise mit Händen und Füßen über den Preis zu verhandeln und von allen Seiten an die Stände gewunken und begrüßt zu werden. Für die Menschen in Tansania ist es normal, die Einkäufe auf dem Markt zu tätigen – sowohl Lebensmittel als auch Kleidung werden meist nur dort gekauft. In Mwanga oder Moshi gibt es noch größere und tägliche Märkte, die das Äquivalent zu deutschen Geschäften und Supermärkten sind. Einen Kiosk mit Snacks, Getränken und Schulbedarf gab es auch direkt auf dem Schulgelände.
Weitere Unterschiede in den Lebensweisen zeigten sich auch innerhalb der Schule. Beispielsweise waren die sanitären Anlagen auch im Volunteerhaus im tansanischen Standard, d.h. es gab Hocktoiletten und kalte Duschen im geteilten Badezimmer. Diese doch zuerst ungewohnte Situation wurde überraschend schnell zur Normalität und ich amüsierte mich dann gemeinsam mit den Schüler*innen, was für uns jeweils „normale“ Toiletten sind. Überrascht war ich auch darüber, wie ordentlich und sauber die Mädchen und Jungs an der Schule waren – es wurden täglich die Unterrichtsräume gewischt, der Schulhof trotz rotem staubigen Sand gefegt, die Schlafsäle gereinigt und Wäsche gewaschen. Geputzt wurde mit einem alten Handtuch und gewaschen ganz simpel per Hand in einem Eimer. Während die Schüler*innen wirklich jeden Tag am Waschen und damit richtige Profis waren, war das Schrubben und Auswringen meiner T-Shirts und Hosen für mich doch etwas anstrengender – für 2 Monate aber absolut machbar. Und bei allen Ungewissheiten oder Herausforderungen standen mir sowohl die zwei tansanischen Volunteers, der Schulleiter und seine Frau, aber auch die Schüler*innen immer zur Seite. Einen richtigen Kulturschock hatte ich nicht, da ich mich vorab mit dem Land beschäftigt habe und meine Vorstellungen sich dadurch mit der Realität gedeckt haben – generell empfehle ich eine offene und tolerante Haltung einzunehmen, dann wird man auch nicht negativ überrascht.
Des Weiteren halfen mir der Austausch mit den Lernenden und Menschen vor Ort sehr dabei, meine Fragen und Gedanken zu Tansania sowie auch generelle Stereotypen über Afrika zu thematisieren. Die Generalisierung von Afrika zu sprechen ist selbst schon ein Problem, da der Kontinent aus 54 Ländern besteht, die alle total unterschiedlich sind und auch kulturell nicht über einen Kamm geschert werden sollten. Das stereotype Bild eines „armen Afrikas“ bestätigte sich auf der einen Seite, wurde auf der anderen Seite aber auch widerlegt. Zwar waren die Lebensbedingungen deutlich anders als in Deutschland, viele der Familien aßen aus Kostengründen zu fast allen Mahlzeiten Ugali (eine Art fester Brei aus Maismehl) und auch an der Schule gab es viele Schüler*innen die auf ein Stipendium angewiesen waren. Die One World Secondary School bietet allerdings genau diesen Kindern aus einkommensschwachen Familien die Möglichkeit auf Bildung an ihrer Schule, wodurch sie sich auch von anderen tansanischen Privatschulen abhebt. Andererseits überraschte mich Tansania auch durch ein weniger von Armut geprägtes Bild: sowohl an der Schule gab es täglich zwei warme Mahlzeiten, die Menschen machten keinen verhungerten Eindruck oder hatten keine „vernünftige“ Kleidung, viele der konsumierten Lebensmittel kamen ja aus dem eigenen Anbau, und zwar teilten sich große Familien oft Zimmer oder auch Häuser, aber sie hatten ein Dach über dem Kopf. Außerdem waren – auch mir gegenüber – die Menschen stets freundlich und fröhlich.
Ich hatte, entgegen ursprünglichen Befürchtungen auch aus meinem Umfeld, nie ein unwohles Gefühl oder Angst, obwohl ich als Frau durchaus eine andere Stellung hatte als in Deutschland. Zwar wurde ich ab und an von fremden Männern berührt oder sie haben tansanischen Begleiterinnen von mir erzählt, dass sie mich heiraten und umsorgen wollen, weil ich eine weiße Frau bin. Ansonsten machte ich aber keine negativen Erfahrungen. In Tansania herrscht ein traditionelles Männer-Frauen-Rollenbild und auch die Schülerinnen sind in diesen hierarchischen Verhältnissen groß geworden und sehen sich daher teilweise auch als weniger wert an als Männer. In den Schulferien müssen die meisten Mädchen in ihren Familien beispielsweise ausschließlich im Haushalt oder bei der Kinderbetreuung helfen und werden oft von zuhause nicht in ihren Bildungsmöglichkeiten weiter bestärkt. Die One World unterstützt allerdings bewusst und aktiv die Stärkung eines starken Selbstwertgefühls und Unabhängigkeitsgedanken der Mädchen, damit diese auch langfristig ihre Chancen nutzen.
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