Der Muezzin ruft – um zwanzig nach vier am Morgen. Ich wache fasziniert auf und lausche, zumindest noch am ersten Tag. Der Gesang, der aus den Lautsprechern der Moscheen tönt, begleitet von nun an meine Zeit in Makassar auf Sulawesi, einer indonesischen Insel, die neben dieser Großstadt auch großartige Karststeinlandschaften und Traumstrände bietet.
Anfangs bin ich wie verzaubert von diesen Tönen, die für die Bewohner_innen Makassars ganz gewöhnlich zu ihrem Alltag gehören, für den der Islam mit seinen Regeln ohnehin den Takt vorzugeben scheint. Zugegeben – nach der dritten oder vierten schlaflosen Nacht schlug manche Begeisterung bei mir auch gelegentlich in Genervtheit um.
Nicht nur wunderschöne Moscheen prägen das Stadtbild in Makassar. Genauso tun es viele Häuser, die im Baustil unterschiedlicher nicht sein könnten: Wellblech steht neben prächtiger Säule, kleine Warungs, Verkaufsstände für verschiedene Gerichte, neben riesigen Shopping-Malls. Und dazwischen schlängeln sich die Straßen, überfüllt mit Rollern, Autos und Pete-Petes, das sind umgebaute Kleinbusse, die in dieser Art als Spezifikum des öffentlichen Verkehrs in Makassar gelten dürfen.
Ganz gewiss sind es nicht die Straßenverkehrsregeln aus Deutschland, an denen sich hier orientiert wird; der Verkehr scheint eine ganz selbstständige Art der Koordination entwickelt zu haben, die aber gerne einmal ins Stocken gerät – und so gehört zu jedem Weg auch ganz selbstverständlich Stau. Der ist aber immer wieder eine gute Gelegenheit, um zu entdecken, was am Straßenrand vor sich geht: Ziegen werden da neben Sim-Karten verkauft, Müll auf offener Straße verbrannt, in Warungs gemeinsam gegessen (oft und gerne nicht mit Besteck, sondern mit der rechten Hand – nie aber mit der linken, die ist für die Toilettengänge da!). Und immer wieder wird gebetet. Sholat subuh, sholat dhuhur, sholat ashar, sholat magrib und sholat isya bestimmen den Tagesrhythmus.
Auf mich wirkt diese rasende und laute Stadt, die aus einem Wimmelbuch genommen scheint, auf ganz unterschiedliche Weise. Ich bin immer wieder begeistert, erstaunt und überfordert. Begeistert bin ich vor allem von den Herzlichkeit ausstrahlenden Menschen und ihrem wärmenden Lachen. Überfordert bin ich hingegen davon, dass sie mich beinahe rund um die Uhr zu fotografieren scheinen. „Foto, Mister!“ ist so kein seltener Ausruf, wenn ich die Straße überquere. Zumindest in der Minasa Upa, meiner „Heimat“ hier, ist man mittlerweile auf „Miss“ umgestiegen. Und auch in Erstaunen versetzt mich so vieles. Jeden Tag freue ich mich (manchmal ein wenig gebremst von Müdigkeit) auf die Universität und die Studierenden, die so neugierig und freundlich sind, dass ich mich von der ersten Minute an in den Seminarräumen wohlfühlte. Dass der Universitätsalltag ansonsten vor allem aus Improvisation bestehen muss, überfordert mich längst nicht mehr so wie in den ersten Tagen. Improvisation ist ohnehin für diesen Aufenthalt ein oder sogar das Schlüsselwort. Für einen Fan genauer Organisation kann das schon die ein oder andere Grenzüberschreitung bedeuten – ich kann aber nicht leugnen, dass mir auch das im Grunde mal ganz guttut. Und gelegentliche Frustration versuche ich manchmal einfach wegzulächeln – zum Beispiel, wenn ich zum zehnten Mal ein Gericht „tanpa daging dan tanpa ikan“ bestellt habe und sich zwischen den Nudeln dennoch wieder Fleisch versteckt. Als Vegetarierin hält man sich am besten einfach an Gado Gado – ein unglaublich leckeres Gericht. Noch esse ich es mit Löffel und Gabel, vielleicht nehme ich aber ja schon bald auch nur noch die rechte Hand, es ist schließlich gerade mal Halbzeit…
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