Im Krankenhaus auf La Martinique

Ich verbringe vier Monate meines Praktischen Jahres, dem letzten Jahr meines Medizinstudiums, auf La Martinique in der Karibik. Während des Praktischen Jahres finden keine Vorlesungen mehr statt. Die Medizin-Studenten arbeiten stattdessen im Krankenhaus, um die praktischen Fähigkeiten zu verbessern. Hier auf Martinique arbeite ich vier Monate in der Chirurgie. Ich habe mich für die Unfallchirurgie entschieden, da die Operationen sehr vielfältig sind und ich sowohl im OP arbeiten kann als auch in der Notaufnahme. Zusätzlich finden hier Sprechstunden statt, in denen Patienten im postoperativen Verlauf untersucht werden. Meine Station versorgt nur die obere Extremität. Dies bedeutet, dass wir uns nur um Hände und Arme kümmern, nicht aber um Beine und Füße.

Mein Arbeitstag beginnt um 8 Uhr morgens. Ich finde mich im Arztzimmer meiner Station ein und warte auf die Ärzte, die nach und nach eintrudeln. Pünktlichkeit wird auf Martinique nicht gerade groß geschrieben, sodass Warten hier zum Alltag dazugehört. Sobald alle eingetroffen sind, findet die Visite statt. Diese ist im Vergleich zu Visiten in Deutschland meist recht kurz und dauert oft nur ein paar Minuten. Danach teilen wir uns auf die verschiedenen Bereiche auf. Je nachdem, wo ich gebraucht werde, gehe ich in die Sprechstunde, in den OP-Bereich, oder in die Notaufnahme.

In der Notaufnahme wurde ich anfangs sehr gut angeleitet, sodass ich nun kleine Verletzungen selbstständig versorgen kann. Meist haben die Patienten Schnittverletzungen der Hände, Tierbisse oder auch Schussverletzungen. Bei Fragen steht mir die Oberärztin jederzeit zur Seite. Generell ist das gesamte Team sehr freundlich und offen für Studenten. Jeder ist hilfsbereit und alle freuen sich, mir etwas beibringen zu können. Je mehr Einsatz und Motivation ich zeige, umso mehr darf ich auch selbstständig arbeiten und eigene Aufgaben übernehmen.

Im OP versorgen wir unter anderem größere Schnittverletzungen der Arme und Hände, Abszesse der Hand, Schulterverletzungen und Armbrüche. Meist wird zu zweit operiert und in den meisten Fällen bin ich erster Assistent. Generell stehe ich immer steril mit am Operationstisch. Dies ist in Deutschland oft nicht der Fall, sodass ich hier schon deutlich mehr praktische Erfahrungen sammeln konnte als in Deutschland. Oft gibt es keine OP-Schwester, die steril bekleidet ist, sodass ich diese Aufgaben übernehmen muss. Dies ist eine wertvolle Erfahrung, da ich auf diese Weise mittlerweile die Namen vieler OP-Bestecke auf französisch kenne. Zudem bereite ich den OP-Tisch selbständig vor, indem ich das OP-Gebiet desinfiziere, sterile Laken ausbreite und den Besteck-Tisch einrichte. Während der OPs darf ich unter Anleitung des Operateurs sehr viele Aufgaben übernehmen und beispielsweise auch Bohren, Schrauben hereindrehen oder Metalldrähte entfernen. Zudem erklären die Ärzte hier viel. In Deutschland werden PJ-Studenten oft als günstige „Haken-Halter“ eingesetzt, sodass sich mein Auslandsaufenthalt auf jeden Fall gelohnt hat. Am Ende jeder OP darf ich die Wunde zunähen oder klammern. Dadurch habe ich schon verschiedene Nahttechniken gelernt und bin sicher in ihrer Anwendung geworden. Zwischen den Operationen vergeht meist eine Stunde, da es hier lange dauert, bis der OP-Saal gereinigt und der nächste Patient vorbereitet ist. Somit bleibt immer genug Zeit für einen Kaffee oder ein Gespräch mit den Kollegen.

In den Sprechstunden habe ich oft ein eigenes Behandlungszimmer, in dem ich die Patienten selbstständig untersuche, sie zu ihrer Krankengeschichte befrage und die Röntgenbilder anschaue. Danach kommt der Chefarzt hinzu und ich übergebe ihm den Patienten.

Ich bleibe meist bis alle Patienten versorgt oder behandelt wurden. Allerdings sind die Ärzte hier recht entspannt und schicken mich des öfteren früh nach Hause, falls wenig zu tun ist. Denn alle möchten, dass ich neben der Arbeit im Krankenhaus auch von der Insel und den Leuten profitieren kann. Wenn ich früh gehen möchte, um etwas zu unternehmen, ist dies meist gar kein Problem. Ich unternehme auch häufig etwas mit meinen Kollegen. Zum Glück sind alle sehr offen und freuen sich über Studenten vom europäischen Festland, sodass ich hier schnell Anschluss gefunden habe.

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