Ich kann kaum fassen, dass mein dreimonatiges Praktikum am Goethe-Institut schon vorbei sein soll, aber tatsächlich habe ich letzte Woche zum letzten Mal die historische Piazza San Carlo überquert, um meinen finalen Arbeitstag zu absolvieren. Im Anschluss habe ich noch ein paar Tage am Meer in Ligurien verbracht, das in nur 2 Stunden von Turin aus erreicht werden kann. Es gab zum Abschied noch einen schönen Aperitivo im Institut, so dass ich mich gebührend von den Kollegen und vom italienischen Essen (wir hatten allerlei Antipasti und Dolci besorgt) verabschieden konnte.
Wenn ich ein Fazit ziehen soll, muss ich sagen, dass meine Erwartungen an dieses Praktikum als auch an die Stadt Turin nicht nur erfüllt, sondern sogar übertroffen wurden. Das Praktikum war zwar von Anfang an auf Unterrichtshospitationen ausgelegt, ohne jedoch die Garantie auf eigenständige Unterrichtsplanung und -durchführung. Doch gleich zu Beginn traute die Leiterin der Sprachabteilung uns beiden Praktikantinnen zu, uns ohne verpflichtendes Arbeitspensum selbst zu organisieren und unseren Interessen nachzugehen. Wer sich also als Lehrkraft für Deutsch als Fremdsprache ausprobieren und tatsächliche Praxiserfahrung sammeln möchte, ist im Goethe-Institut in Turin genau richtig. Ich habe im Endeffekt neben der Übernahme von Teilsitzungen, in denen die eigentliche Lehrkraft anwesend war und mir danach wertvolles Feedback geben konnte, komplett eigene Stunden auf verschiedenen Niveaustufen in Vertretung für andere Lehrer vorbereitet und durchgeführt. Dieses learning by doing war zu Beginn nicht leicht, die elektronische Tafel (mit dem schicken Namen Smartboard) musste richtig bedient werden und ich habe auch viele Dinge vergessen, die ich mir ursprünglich vorgenommen hatte. Doch schon bald habe ich mir Fähigkeiten angeeignet, die ich durch alleiniges Zuschauen niemals erreicht hätte, Didaktisierungen durch Recherchen erarbeitet, auf die ich ohne die alleinige Verantwortung für die ganze Stunde wohl kaum gestoßen wäre. Es hat mir viel Spaß gemacht zu beobachten, ob das Stundenkonzept aufgeht und die Kursteilnehmer neue grammatische Strukturen richtig anwenden können, oder ob ein missverständlicher Ausdruck von mir und ein fehlendes Beispiel gleich zum Chaos führen. Ich bin durch dieses Praktikum als Lehrerpersönlichkeit gewachsen und kann mir gut vorstellen, in diesem Bereich zu arbeiten. Am liebsten wäre ich gleich dort geblieben (dann aber gegen Bezahlung…), doch leider musste ich nach Deutschland zurückkehren um meine letzten Prüfungen abzulegen. Die fehlende Bezahlung ist tatsächlich das einzige Manko eines Praktikums am Goethe-Institut (weltweit), welches zwar durch die Wertschätzung, die man erfährt, und die persönliche Erfahrung wettgemacht wird, doch ohne ein Erasmus-Stipendium und/oder die Unterstützung der Eltern kommt man kaum über die Runden.
Turin als Stadt, um ein Praktikum oder Auslandssemester zu machen, ist absolut empfehlenswert. In etwa 2 Stunden sind Meer oder Berge erreichbar, das Aostatal und die Region Piemont haben ebenfalls viel zu bieten. Die Stadt selbst überzeugt durch ihr grünes Gesicht (Fiat liegt ja etwas außerhalb), den riesigen Valentino-Park und die Flüsse Po und Dora. Es finden ständig Kulturfestivals statt, in deren Rahmen Veranstaltungen umsonst und draußen stattfinden, wie etwa das Classic Music Festival (die Oper Carmen gratis auf der Piazza San Carlo – Wahnsinn!), das Jazz Music Festival, das Interplay Tanzfestival oder eins der zahlreichen Parkfeste. Man kann kaum alles wahrnehmen, was man möchte, so viel Kultur wird einem geboten. Ein Highlight war dann natürlich noch San Giovanni am 24. Juni, ein Feiertag zu Ehren des Stadtheiligen, an dem abends ein riesiges, halbstündiges Feuerwerk über dem Po zu bewundern ist. Musikalisch untermalt bestaunen dann mehrere tausend Menschen vom Piazza Vittorio Veneto aus, einem der größten Plätze Europas, dieses Ereignis. Auch die Architektur Turins ist wunderschön, während im Zentrum die breiten Straßen, die fast je 1 km langen Fußgängerzonen Via Roma und Via Garibaldi und enormen Plätze vorherrschen, auf denen sich stets Menschen tummeln, gibt es auch Stadtteile wie San Salvario oder Quadrilatero, die wie kleine Dörfer innerhalb der Stadt wirken und mit ihrer Masse an Lokalen zum Essen und Trinken einladen. Auch der Markt von Crocetta ist für Modeinteressierte empfehlenswert, während man auf dem größten unüberdachten Marktplatz Porta Palazzo seine 7 Sachen stets im Blick haben sollte – definitiver Diebstahlalarm. Das supergünstige und qualitativ hochwertige Obst und Gemüse oder die Brioche für 50 Cent sind einen Besuch natürlich trotzdem wert, man muss ja nicht gleich eines der geklauten Fahrräder erwerben.
Die italienische Lebensart fehlt mir jetzt schon, das Geplapper und die Musik der alten Menschen auf den Plätzen, das Gerede vor, bei und nach dem Essen über Essen, die Minimum 3 Espressi am Tag und die deutsche Insel “Goethe-Institut” mittendrin. Ich hatte das Glück durch Mitbewohnerinnen, Partner und Freunde außerhalb der Arbeit stets von Italienern umringt zu sein, so dass ich sprachlich und das alltägliche Leben betreffend viel für mich mitnehmen konnte. Wer dagegen auch in seiner Freizeit viel mit Deutschen zu tun hat, sollte sich ein Praktikum am Goethe-Institut zur Verbesserung der Sprachkenntnisse lieber zweimal überlegen, im Unterricht und im Institut spricht man schließlich Deutsch. Die Kursteilnehmer freuen sich natürlich zu sehen, dass auch die Lehrerin nicht perfekt ist, wenn man selbst mal einen Fehler auf Italienisch macht, grundlegende Kenntnisse sollten aber unbedingt vorhanden sein bzw. ausgebaut werden.
Ich freue mich schon jetzt auf meinen nächsten Urlaubsbesuch in Apulien im August und sage Arrivederci Torino – Auf ein (baldiges) Wiedersehen.
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