Etwas mehr als ein Monat ist es nun her, dass ich mein Auslandspraktikum bei unseren Nachbarn in Enschede an der Universität Twente angetreten habe. Das kleine holländische Städtchen, das wohl jeder Münsteraner Student kennt, liegt etwas mehr als eine Stunde mit dem Zug oder dem Auto entfernt kurz hinter der Niederländisch-Deutschen Grenze, also quasi ein Katzensprung. Genau dieser Katzensprung war und ist für mich Fluch und Segen zugleich, wie ich nach den ersten Wochen festgestellt habe.
Ein Segen deshalb, weil ich aufgrund der geringen Entfernung zwischen Münster und Enschede jeden Tag (wie viele andere Münsteraner auf dieser Strecke) mit dem Zug pendeln kann. Dadurch spare ich natürlich eine Menge Geld, weil ich mir in Enschede keine teure Wohnung leisten muss (Der Wohnungsmarkt in Enschede ist ähnlich angespannt wie in Münster…). Dieses Pendeln ist natürlich eher unkonventionell für solch eine Auslandserfahrung und deshalb an manchen Tagen auch ein echter Fluch, wenn man erschöpft von der Arbeit noch eine zweistündige Reise antreten muss…Andererseits wäre das Praktikum ohne die Möglichkeit des Pendelns für mich finanziell wohl nicht möglich gewesen – deshalb bin ich umso glücklicher, dass es geklappt hat und werde euch in der nächsten Zeit von meinen Eindrücken und Erfahrungen in Enschede hier berichten!
Heute macht ein kleiner Bericht über Enschede und das Leben in Holland den Anfang – soweit ich als Pendler etwas darüber erzählen kann.
Obwohl Enschede nur gefühlte 300 m hinter der Deutsch-Holländischen Grenze liegt, hat die Stadt ein anderes Flair als deutsche Städte. Die Altstadt von Enschede und besonders der Oude Markt laden zum flanieren ein – besonders zu Beginn meines Praktikums, als das Wetter teilweise noch spätsommerlich warm war, konnte man hier super ein kühles Grolsch genießen! Die kleinen holländischen Häuschen und Gassen haben viel Charme und alles ist schön grün (OK, mittlerweile eher herbstlich bunt). Wer mal einen Kurztrip nach Enschede plant, sollte auch unbedingt den großen Markt besuchen, der immer samstags stattfindet! Hier gibt es nicht nur Obstverkäufer sondern viele, viele Stände mit holländischen Leckereien aber auch eine Art Flohmarkt mit Haushaltsgegenständen und anderen nützlichen Dingen. Besonders witzig fand ich, dass an sehr vielen Ständen unzählige kleine und große Buddha-Figuren verkauft wurden. In der Stadt sind mir die Buddhas später auch aufgefallen, trotzdem sind die meisten Leute, mit denen ich hier gesprochen habe, Protestanten, wenn auch nicht besonders religiös…
Als Münsteraner Student fällt einem auch etwas anderes in Enschede sofort ins Auge: Die Stadt ist wirklich sehr Radfahrer-freundlich und die zahlreichen Fahrradwege werden, ähnlich wie in Münster, sehr stark frequentiert. Fietsen, wie die Holländer ihre Fahrräder nennen, sind überall! Ich habe anfangs auch darüber nachgedacht, mit meinem Fahrrad zu pendeln. Nach der ersten Zugfahrt habe ich diesen Gedanken allerdings schnell wieder verworfen, weil die Wagons in der Rush-Hour einfach zu voll sind. Stehen lassen wollte ich mein Fahrrad in Enschede natürlich auch nicht, dann hätte ich in Münster keins mehr gehabt. Zum Glück ist das Bus-Netz in Enschede zwischen Uni und Bahnhof aber sehr gut ausgebaut, sodass ich mich keinesfalls beklagen kann.
Die Menschen in Enschede, mit denen ich bisher zu tun gehabt habe, waren ausgesprochen offen und freundlich! Das ist mir bereits an meinem ersten Tag hier auf dem Weg zum Campus aufgefallen, als die nette Busfahrerin den gefühlten 30 Fahrgästen beim Einsteigen allen einzeln (!) ein überaus freundliches und gut gelauntes Goedemorgen gewünscht hat. Dazu kommt, dass hier fast alle perfekt Englisch sprechen, was mir den Aufenthalt hier deutlich leichter macht. Holländisch verstehen ist für Deutsche zwar auch ohne Sprachkenntnisse ganz gut möglich, allerdings ist das Leseverstehen in den meisten Fällen natürlich deutlich größer als das Hörverstehen, da die holländische Sprache unheimlich schnell sein kann. Wenig überraschend ist, dass man besonders in der Nähe des Bahnhofs und auf dem Weg zur Uni dann doch recht häufig auch deutsche Stimmen hört – ich habe mir sagen lassen, dass gerade der Studiengang Psychologie an der Uni Twente sehr beliebt unter deutschen Studenten sein soll…
Bis heute wirklich gewöhnungsbedürfig sind für mich die Essgewohnheiten der Holländer. War ich doch bisher gewohnt, jeden Tag um halb 12 eine warme Mahlzeit in der Mensa zu bekommen oder zu Hause etwas Deftiges zu essen, wird hier in Enschede erstmal um halb 11 (!) Kuchen gegessen. Ja ihr habt richtig gelesen, Kuchen! Das kommt natürlich nicht jeden Tag vor, weil es für den Kuchen meistens einen Anlass geben muss, aber daran mangelt es meinen Arbeitskollegen wirklich nicht…Geburtstage, Publikationen, Preise, noch mehr Geburtstage – es gibt häufig was zu feiern 🙂 Die Kuchen sind jedenfalls immer echt lekker, aber nachmittags zur guten, alten Kaffeezeit wären sie mir doch irgendwie lieber gewesen… Zum Mittagessen verdrückt der gemeine Holländer dann gerne ein Sandwich, entweder mit viel Käse aus dem Sandwich-Maker oder eben mit frischem Salat und so weiter. Viele essen oft ein belegtes Brot oder auch einfach nur ein Brot mit Butter und Hagelslag, den holländischen Schokostreuseln, die wohl zurecht als holländisches Nationalgericht bezeichnet werden dürften. Aber gut, wer schon vor dem Mittagessen Kuchen isst, muss sich natürlich dann nicht wundern, dass der Appetit eher klein ausfällt… Eine Mensa gibt es zwar auch, allerdings werden hier hauptsächlich kalte Gerichte wie Sandwiches und Salate etc. angeboten. Es gibt dort nur eine kleine Ausgabe für warme Speisen. Diesen Gegebenheiten habe ich mich mittlerweile angepasst – nachdem ich die ersten drei Wochen Sandwiches gegessen hatte und sie schließlich nicht mehr sehen konnte (Wie machen die das alle bloß??), bin ich dazu übergegangen, zuhause für mehrere Tage zu kochen und das Essen im Pausenraum aufzuwärmen.
Was Getränke angeht, ist den meisten Holländern natürlich ihr Koffie genauso wichtig wie den meisten Deutschen. Er ist nicht nur echt gut, sondern auch meistens günstiger als in Deutschland! Bisher musste ich allerdings noch keinen Kaffee für meine Landsmänner nach Deutschland schmuggeln…noch nicht… 🙂 Außerdem sind die Holländer wie wir Deutschen eher die Biertrinkerfraktion, habe ich das Gefühl. Enschede wird aufgrund der ansässigen Brauerei von der Marke Grolsch beherrscht, trotzdem werden natürlich auch deutsche Biere sehr geschätzt. Grolsch ist gleichzeitig der Sponsor des großen Enscheder Fußball-Clubs FC Twente Enschede, dessen Stadion De Grolsch Veste (übersetzt: Die Grolsch-Festung) nur wenige Minuten zu Fuß vom Campus entfernt ist. Der Verein spielt momentan eher mittelmäßig in der Eredivisie (1. Liga), hat es aber in der Vergangenheit auch unter anderem schon zum niederländischen Meister geschafft.
Damit bin ich erstmal am Ende meines ersten Berichts angekommen. Bis bald – tot ziens!
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