Fast einen Monat, habe ich nun in der englischen Metropole verbracht und stelle immer noch jeden Tag neue – manchmal mehr, manchmal weniger – schockierende kulturelle Unterschiede fest.
Bis Ende Juli verbringe ich noch mein Praktikum an der Langley Park School for Girls in Beckenham, ein Teil Stadtbezirks Bromley im Südosten von London. LPGS ist eine Gesamtschule für Mädchen, die ihren “Gegenpart” direkt nebenan, in einem sichtlich vor kurzem renovierten Gebäude, hat. Aber ich will nicht urteilen. Mädchenschulen in England, so ist es mir zu Ohren gekommen, neigen zum Aussterben, da sie immer weniger gut besucht sind. Zeitgemäß ist diese Unterrichtsform definitiv nicht mehr, außer im traditionellen England natürlich. Ich bin jedoch der Meinung, dass Mädchen davon sehr profitieren können, wenn sich dabei gleichzeitig auch eine Unmenge an Druck auf ihnen aufbaut, den sie auf einer gemischten Schule möglicherweise nicht hätten.
Meine Mädchenschule ist jedoch noch sehr gut besucht, genaue Zahlen kann ich leider nicht wiedergeben, obwohl ich die natürlich schon einmal gehört habe, aber ich bin sehr schlecht darin, mir so etwas zu merken. Das Klima im Allgemeinen wirkt sehr auf das Lernen und den Schulstoff fokussiert, was ich von deutschen gemischten Schulen, die ich bisher nur kennen gelernt habe, nicht behaupten kann. Dort geht es meistens ums Überleben, denn nur der Coolste* überlebt. Dabei bauen sich die Mädchen selbst aber auch diesen Druck auf, von dem ich bereits gesprochen habe, denn der Standard ist sehr hoch. Um dann noch herauszustechen, muss ein massiver Aufwand betrieben werden und das nahezu in jedem Fach.
Wer schon mal einen Schüleraustausch in England oder Frankreich gemacht hat, weiß das bestimmt, für alle anderen jedoch: Schulen sind hier eingezäunt! Morgens, wenn die Schüler zum Unterricht strömen, stehen Lehrer an jedem Eingang und kontrollieren, ob diejenigen, die das Gelände betreten wollen, auch dazu befugt sind. “Einfach so” kommt man hier nicht rein.
An meinem ersten Tag hatte ich keine Ahnung, wo genau ich hin musste, also wollte ich erst mal rein. Auf halbem Weg zum Tor hin, hat mich die Lehrkraft von Weitem schon darauf aufmerksam gemacht, dass ich gar keinen Ausweis um meinen Hals hängen habe, was in England Plicht zu sein scheint, für jede Angestelltenbeziehung. Als ich meinen Weg gefunden hatte, musste ich mich an der Rezeption des Hauses als Besucher in einem Tablet eintragen. Besucher dürfen sich in der Schule nur begleitet bewegen, selbst der Gang zur Toilette ohne Begleitung ist dabei untersagt. Ziemlich nervig, wenn man dabei eigentlich der Lehrkraft als Hilfe dienen möchte und nicht als Klotz am Bein.
Meine Position an der Schule kann man als Sprachassistentin für Deutsch bezeichnen. Neben mir gibt es noch zahlreiche weitere Sprachassistenten, die zum MFL, also sowas wie dem Language Department gehören, dabei eine auch für Deutsch und zwei für Französisch. Die Kolleginnen sind neben dieser Stelle auch an anderen Schulen beschäftigt. Nach einer guten Woche begleitetem Spazierengehen in der Schule wurde mein Führungszeugnis überprüft und ich habe meinen Ausweis als Contractor an der Schule auch erhalten. Ein- und austragen muss ich mich beim Kommen und Gehen immer noch – aus sicherheitstechnischen Gründen, es könnte ja brennen.
Die Schülerinnen werden beim Betreten des Schulgeländes an Ihrer Uniform erkannt, die den Vorgaben entsprechend sitzen muss, ansonsten werden die Schülerinnen zur Uniform Detention geschickt. Was genau da passiert, habe ich noch nicht herausgefunden. Vorgaben der Uniform beinhalten auch das Verbot vom Tragen von Schmuck oder ausgefallenen Frisuren. Als ich das gehört habe, war ich sehr entsetzt. Man stelle sich mal solche Vorgaben an deutschen Schulen vor. Ich glaube, dann hätten die Freitagsproteste viel früher angefangen.
Ich habe mich oft gefragt, warum junge Frauen sich hier so reizvoll kleiden, wenn sie am Wochenende weggehen, und wieso sie sich so stark schminken in ihrer Freizeit. Ich glaube diese Unterdrückung in Schulsystem kann ein elementarer Grund dafür sein, es spielen da wohl aber auch simple kulturelle Hintergründe mit rein. Stark geschminkte, knapp gekleidete junge Frauen sind schließlich auch in Deutschland keine Seltenheit, jedoch habe ich definitiv den Eindruck, dass es in England – vielleicht auch besonders in London – normaler ist.
Nichtsdestotrotz ist es Schülerinnen untersagt, sich zu schminken. Jedoch auch den Lehrern wird ein Dresscode vorgeschrieben. Verständlich natürlich, da Lehrpersonen als Vorbildfunktion dienen und einen kompetenten Eindruck vermitteln sollen – to dress smart ist hier die Devise. Warum Peeptoes zu tragen mittlerweile nicht mehr den Vorgaben entspricht, bleibt mir unklar. Es scheinen sicherheitstechnische Gründe zu sein… Dem zufolge war ich also gezwungen, Schuhe einzukaufen, da meine mitgebrachten Paare entweder Turnschuhe sind oder meine Zehen in voller Pracht entblößen.
*In meinem Beitrag verzichte ich aufgrund von Bequemlichkeit auf die korrekte Anwendung von genderneutralen Termini. Ich bitte darum, sie sich selbst dazu zu denken.
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