Tee, Queen Elizabeth II, Doppeldeckerbusse, Sherlock Holmes, Harry Potter. Viele Dinge werden mit dem Vereinigten Königreich assoziiert, aber ist es dort denn wirklich so anders als in Deutschland? Wenn man sich – wie ich – dazu entschließt, Englisch zu studieren, sollte man sich von Vornherein der Tatsache bewusst sein, im Laufe seines Studiums ein englischsprachiges Land besuchen zu müssen. Nicht „Besuchen“ im Sinne von „ich gehe meine Freundin für ein Wochenende besuchen“, sondern vielmehr ein „Besuchen“, das Wert auf den letzten Teil des Wortes legt.
Aus-suchen, durch-suchen, er-suchen und schlussendlich einfach ver-suchen.
Aus-suchen – „englischsprachige Länder“ umfasst offenkundig nicht nur Großbritannien, sondern auch Australien, die USA, Neuseeland, Kanada und noch viele andere. Die erste Herausforderung ist also das Aussuchen des Landes, in dem man seinen Aufenthalt verbringen möchte.
Durch-suchen – Studium oder Praktikum? Welche Uni? Welches Praktikum? Finanzierung? Anforderungen der Heimathochschule? Einige von vielen Fragen, die sich allmählich zwischen die Alltagsgedanken drängen. Es geht also an’s Durchsuchen von Angeboten.
Er-suchen – Studierendensekretariat, Career Service, Dozenten,… sämtliche Anlaufstellen gilt es zu ersuchen, um den Auslandsaufenthalt zufriedenstellend zu planen.
Nach langer Planung, nervenzerreißenden Minuten, Stunden, Tagen oder sogar Wochen, geht es mit zitternden Knien und flauem Magen los. Und dann hat man nur noch eine Chance: versuchen.
Ich entschied mich vor sehr langer Zeit bereits für Großbritannien. Schon immer wollte ich, dass der britische Lifestyle, mit Pfund bezahlen, tonnenweise Tee trinken, Doppeldeckerbus fahren und Tesco zu einem Teil meines Alltags werden. Da ich Lehrerin werden möchte, entschloss ich mich gegen ein Studium im Ausland und für ein Praktikum an einer britischen Schule. Getan getan, Vitamin B und los geht’s.
Gelandet bin ich in Wymondham, ein kleiner Ort in der Nähe von Norwich in Norfolk. Eins vorneweg: wenn ihr in England seid, schaut bitte nach RECHTS, bevor ihr die Straße überquert. Zum Glück hatte ich bisher eine Begleitung dabei, die mich zurückriss, als ich meinen Fuß nach einem Blick nach links auf die Straße setzte.
Wymondham ist ruhig und beschaulich. Hier gibt es einen Supermarkt, den ich zu Fuß erreichen kann, sowie meine Praktikumsschule und diverse Kleinstadtangebote wie Zahnärzte, Grundschulen, etc. Meine Gastfamilie bestellt Lebensmittel allerdings meistens online (Ja wirklich! Bin ich die Einzige, die das eigenartig findet?) statt in den Supermarkt zu gehen.
In meiner Nachbarschaft leben viele Familien mit Kindern. Auffällig ist es aber, dass viele Menschen eher Katzen als Hunde besitzen. Ich weiß aber nicht, ob das nur auf meinen Ort zutrifft, oder auf ganz England (aber so verhält es sich mit allen Dingen, von denen ich hier berichten werde).
Die Menschen in Wymondham sind sehr freundlich, man wird mehrmals am Tag angelächelt und man ist hier selten auf sich allein gestellt. „Are you okay?“ und „Can I help you?“ gehören zum Standardwortschatz der Briten. Freundlichkeit und Offenheit gehören zu den Dingen, die es für mich leichter machen, sich im fremden Land wohlzufühlen.
Zugegebenermaßen fühlt man sich oft wie in einer anderen Welt, gerade weil man von englischen Muttersprachlern umgeben ist. Manchmal wirkt alles wie ein Trailer für einen neuen Kinofilm. Aber von wegen Trailer, das ist jetzt Alltag – zumindest für den Aufenthalt.
Es gilt sich umzustellen von Mittag- und Abendessen auf lunch und dinner, wobei man hier mittags meist kalt und abends warm isst. Euro adé – hello pound! Man kann es nicht anders sagen: Großbritannien ist teuer. Da findet sich leider keine schöne oder schmuckhafte Umschreibung für. Wer sich hier länger aufhält, der bleibt auf seinem Geld jedenfalls nicht sitzen. Zeit darüber nachzudenken, seine Spendierhosen auszuziehen… oder?
Mit dem Bus kann man Norwich in einer halben Stunde erreichen. Man fährt durch beschauliche kleine Wohngegenden und die ein oder andere Villa will unterwegs auch noch gesehen werden. Norwich ist die Hauptstadt von Norfolk und somit durchaus bevölkerter als Wymondham. Im Internet habe ich vor meinem Aufenthalt gelesen, dass Norwich als Shoppingmetropole gewertet wird – jetzt weiß ich wieso. Hier findet sich alles, was das Shoppingherz begehrt. Das allerdings ist nicht das einzige, wovon die Stadt lebt. Sie ist eine Mischung aus modern und altbacken und das Norwich Castle ist neben dem Disney-Store definitiv ein Besuch wert.
Das sind nur einige der vielen Eindrücke, die seit Tag 1 auf mich einprasseln. Aber was soll ich sagen? Ich warte eigentlich nur noch auf eine Eule, die mir einen verspäteten Brief aus Hogwarts zustellt.
Lisa
Gleis 9 3/4…