Es ist mein erster Besuch in Georgien gewesen, aber mit Sicherheit nicht mein letzter. Ich habe ein wunderschönes und vielfältiges Land kennen lernen dürfen. Vor allem meine freien Wochenenden habe ich dazu genutzt, um möglichst viele Eindrücke zu gewinnen. Neben Kultur, Geschichte und Religion gibt es ganz viel Natur zu bestaunen. Von Wüsten über Berge, Meer, Wälder und Strände ist alles vertreten.
Die georgische Kultur ist sehr davon geprägt das Leben in vollen Zügen zu genießen. Freunde und Familie kommen oft zusammen, um gemeinsam auch ohne feierlichen Anlass zu essen und zu trinken. Wein und Speisen sind immer im Überfluss vorhanden und es werden Toasts auf Gott, Georgien, die Familie und vieles mehr ausgebracht. Das konnte ich auf einer Familienfeier erleben, bei der über 100 Verwandte zusammen kamen, sodass sie ein ganzes Restaurant gemietet wurde. Aber auch auf einer georgischen Hochzeit, bei der es Unmengen von Essen gab und ausgelassen getanzt wurde.
Die Gastfreundlichkeit der Georgier hat mich sehr beeindruckt. Die Menschen sind sehr herzlich, aufrichtig und haben ein enormes Grundvertrauen inne. Oft kam ich zufällig mit Einheimischen ins Gespräch, sofern sie Englisch sprachen. Dabei haben sich Gelegenheiten ergeben, die Kultur aus nächster Nähe zu erfahren, wenn ich zu einem Gastmahl oder Gleitschirmfliegen eingeladen wurde. Diese Gutherzigkeit ist in Deutschland nicht in solcher Weise zu finden. Es könnte daran liegen, dass der christliche Glaube immer noch fest verwurzelt ist und auch die jüngere Generation sehr gläubig ist.
Ich habe mich, ob Tag oder Nacht, immer sicher gefühlt, ganz egal ob ich in der Hauptstadt oder auf dem Land unterwegs war. In Swanetien habe ich den starken Zusammenhalt in der Gemeinschaft erfahren. Nachbarn, Freunde, aber auch Fremde helfen sich ganz selbstverständlich bei alltäglichen Problemen, der Ernte oder mit einfachen Mitfahrgelegenheiten. Es ist überhaupt keine Leistungs- bzw. Ellbogengesellschaft, die von Konkurrenz geprägt ist. Die Menschen sind genügsamer und darauf bedacht ihren Lebensunterhalt zu sichern.
Mein Praktikum habe ich in Batumi, der zweitgrößten Stadt Georgiens, absolviert. Batumi ist direkt am schwarzen Meer gelegen und sowohl die Schule als auch die Wohnung meiner Gastfamilie war nur gute zwei Minuten vom Strand entfernt. Obwohl es erst Frühlingsanfang war, konnte ich somit das schöne Wetter am Meer genießen. Die Stadt wird von riesigen Hotels, Hochhäusern und einer schönen Promenade dominiert. Die im Winter und Frühling so ruhige und leere Stadt verwandelt sich im Sommer in eine Stadt des blühenden Lebens mit vielen Touristen und Partys. Doch Batumi ist überhaupt nicht repräsentativ für Georgien, da vor allem im Zentrum der Stadt großer Wohlstand herrscht und viel Geld investiert wird. Wobei das restliche Georgien oft am Rande des Existenzminimums lebt.
Die Georgier haben sehr traditionelle Ansichten zu den Themen Ehe, Familie und Sexualität. Im Vergleich zur feministischen Entwicklung in Deutschland, ist in Georgien immer noch die klassische Rollenverteilung zu finden. Die Frau ist für den Haushalt und die Betreuung der Kinder zuständig und der Mann geht arbeiten. Aber gerade in den Städten wie Batumi und Tbilisi gehen Frauen zusätzlich einer Arbeit nach, sodass sie einer extremen Doppelbelastung ausgesetzt sind und darüber hinaus oft noch Angehörige pflegen müssen. Auf Hilfe des Mannes können sie meistens nicht zählen. Die Menschen heiraten schon sehr jung und vor allem Frauen haben schon mit Anfang zwanzig eine Familie. Der christliche Glauben erlaubt nämlich weder außerehelichen Sex, noch unverheiratet Kinder zu haben. Das steht ganz im Gegensatz zur Entwicklung in Deutschland. Heiraten wird nicht mehr als notwendig erachtet und die Familienplanung beginnt oft erst in den Dreißigern.
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