Hola aus Mexiko!
Es ist Halbzeit meines Praktikums im öffentlichen Krankenhaus von Pachuca und das wurde gebührend mit ganz viel Essen gefeiert. So wie eigentlich alles in Mexiko – zum Beispiel der Tag der Ärzte und Ärztinnen: dieser wurde eine ganze Woche mit Buffet und Musik in der Mittagspause zelebriert. Vielleicht zur Einstimmung auf das wichtigste Fest der Mexikaner: der Día de los Muertos, immaterielles Kulturerbe der Menschheit. Richtig, hier wird der Tod gefeiert, statt wie in Deutschland ein Trauertag zu sein.
Die Tradition hat nichts mit Halloween oder Allerheiligen zu tun, sondern geht auf indigene Bräuche zurück. Der Tod als fester Bestandteil des Lebenszyklus wird nicht als schlimm angesehen, sondern zur richtigen Zeit begrüßt. Am Día de los Muertos kehren die Toten auf die Erde zurück, was von den Familien ausgiebig gefeiert wird.
Schon bei meiner Ankunft Anfang Oktober waren Vorboten dieser Feiertage, die vom 30.Oktober bis 04.November stattfinden, allgegenwärtig : Cafés, Geschäfte, Restaurants und eigentlich die ganze Stadt war geschmückt mit Girlanden mit Totenmotiven, Bäckereien vekauften das zuckrige Pan de Muertos und Straßenhändler essbare und dekorative Totenköpfe.
Eine Woche vor den Festivitäten tauchten plötzlich überall wohlriechende orangefarbene Blumen auf – ganze Lastwagen voller Flora verwandelten die Straßen in ein Blumengeschäft. Cempasúchil heißen sie, oder auch Flor de Muertos, sie werden verwendet um Gräber, Wegkreuze und Altäre für die Toten zu schmücken. Auch im Krankenhaus wurde ein Altar in der Eingangshalle erbaut: auf den geschmückten Altären stehen Bilder der Toten, die Blumen sollen ihnen den Weg leiten, genauso wie Räucherstäbchen und Kerzen. Empfangen werden die Seelen mit Leckereien: Süßigkeiten, Pan de Muertos, Wein und ganze Gerichte stehen auf dem Altar bereit.
Calaveras werden nicht nur Schädel, sondern auch Gedichte anlässlich des Todes genannt. So fand im Krankenhaus ein Gedichtswettbewerb statt, untermalt von Geigen, Gitarren und Trompeten der Mariachi, traditioneller Musikgruppen.
Die Feiertage verbrachte ich nicht in Pachuca, sondern bei der Familie meiner Zimmernachbarin in Huejutla de Reyes, einer Kleinstadt nahe der Golfküste. Die Familie selbst wohnt in einem Dorf nahe der Stadt. Dort konnte ich eine ganz traditionelle Art der Feierlichkeiten miterleben: Xantolo, wie der Día de los Muertos dort gennnt wird.
Gleich am ersten Abend ging es los mit einer Art Schönheitswettbewerb vor Tausenden Menschen von Nah und Fern zwischen sechs Mädchen aus dem Dorf. Nachdem sie eine Woche zuvor bereits tanzend gegeneinander angetreten waren, ging es jetzt in die zweite Runde. Zur Einstimmung trat zu Mariachimusik eine Cuadrilla-Tanzgruppe auf: Männer, verkleidet als Alte, Frauen, Betrunkener, Pferd usw. repräsentieren eine Dorfgemeinde.
Nun stolzierten die sechs Teilnehmerinnen auf die Bühne unter dem Lärm kreischender und Pyrotechnik in die Menge werfender Fans. In der ersten Runde präsentierten sie sich auf dem Laufsteg und mussten Fragen zu den Bräuchen des Xantolo bentworten. Die Gewinnerin repräsentiert nämlich das gesamte kommende Jahr die Region und muss deshalb nicht nur schön, sondern auch kulturell gebildet sein.
In der zweiten Runde durfte das Publikum augefallene Kostüme bewundern, die die Teilnehmerinnen selber zum Thema Xantolo gebastelt haben. Nun erklärte sich auch, warum Männer auf der ganzen Bühne als Helfer verteilt standen: unter der Last riesiger Kronen und Accessoires bepackt mit brennenden Kerzen und auf High Heels kam die ein oder andere Teilnehmerin ganz schön ins Straucheln. Die Kostüme zeigten Bräuche und Werte des Día de los muertos und wurden nach Kreativität und Individualität bewertet.
Am nächsten Morgen gab es heiße Schokolade und Tamales zum Frühstück. Tamales ist eine Maismasse, die mit Fleisch und grüner Salsa belegt und in Bananenblätter gewickelt gedünstet wird. Auch auf den zwei Altären im Haus gab es natürlich Frühstück. Bei einem Ritual mit Weihrauch aus einem extra dafür gemachten Kelch wurde das Essen geopfert.
Abends ging es dann ins Zentrum von Huejutla : Der zentrale Platz war geschmückt mit Blumen, Kerzen und riesigen Weihrauchgefäßen und man konnte Fotos mit der Gewinnerin des gestrigen Abends schießen. Bei Einbruch der Dunkelheit wurden festlich die tausenden Kerzen auf dem Platz angezündet um einsamen Seelen ohne Familie, die ihnen einen Altar baut, den Weg zur Erde zu erleuchten.
Am Wochenende ging die Fiesta im Dorf weiter: sehr viel fettiges Essen wurde aufgetischt und ab und zu kam eine Parade vorbei. Voran eine Blaskapelle samt Tuba, dahinter Dutzende verkleidete Männer- Mexikaner mit Stiefeln und Sombrero, Maskierte, Pferde, Maiskolben und alles mögliche tanzten vergnügt zwei Tage die Dorfstraßen auf und ab. Am wichtigsten war dabei der Tanz der Comanchen. Zwei als Atzteken vekleidete Männer, die das Leben repräsentieren, kämpfen gegen vermummte Männer, die den Tod repräsentieren, und gewinnen.
Die Frauen verkleiden sich übrigens nicht. Sie bleiben zuhause und kochen, außerdem pflegen sie den Altar. Allerdings gibt es in Huejutla am 30.11. ein Fest, bei dem es umgekehrt ist.
Insgesamt war es eine tolle Erfahrung, den Día de los Muertos bei einer super gastfreundlichen mexikanischen Familie verbringen zu dürfen und mexikanische Traditionen kennenzulernen. Ich hoffe, die Bräuche richtig wiedergegeben zu haben, die mir auf Spanisch erklärt wurden. Und drücke die Daumen, dass diese Kultur nicht von Halloween verdrängt werden wird.
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