9 Wochen bin ich bereits in England. Vor 9 Wochen, am 6. September, war ich ganz schrecklich aufgeregt. Bauchschmerzen, Schweißausbrüche, aber auch Vorfreude.
Nur die Erschöpfung der neuen Eindrücke und der viele Tee konnten mich in der Nacht vor meinem ersten Praktikumstag in den Schlaf bringen. Aber siehe da: an „Miss (Lisa)“ habe ich mich erstaunlich schnell gewöhnt!
Schule in England ist anders als in Deutschland, das kann man sagen. Was als allererstes ins Auge springt, sind – natürlich – die Schuluniformen.
Die Jungs tragen eine Anzughose, Hemd, Blazer, Krawatte und schicke Schuhe (Turnschuhe und Sneakers sind ausgeschlossen). Mädchen tragen einen knielangen Rock, eine Bluse, Blazer, Krawatte und meistens Ballerinas. Die Blazer sind mit dem Schulabzeichen versehen und das Farbspektrum beinhaltet bloß hellblau, dunkelblau, grau und schwarz. Abgesehen von Uhren ist Schmuck nicht erlaubt – außer ein paar schlichte Ohrstecker vielleicht. Sobald die SchülerInnen in die Oberstufe kommen, sind die Regeln lockerer. Nagellack für Mädchen ist erlaubt und auch dürfen sie ihre Kleidung selbst wählen – vorausgesetzt sie ist weiterhin schick. So sind sie nicht mehr dazu verpflichtet, einen Blazer mit Schulabzeichen zu tragen, aber Jeans oder Turnschuhe sind weiterhin nicht erlaubt. Jungs haben bis zum Ende ihrer Schulkarriere darauf zu achten, keinen Bartwuchs im Gesicht zu haben. Viele SchülerInnen, vor allem die jüngeren Klassen, wollten mir nicht glauben, als ich sagte, dass man in Deutschland tragen darf, was man will. Völlig unverständlich, gar unvorstellbar für die SchülerInnen hier. Die Meisten finden die Uniform nämlich ziemlich unbequem, aber das war’s auch. Beschweren tut sich hier niemand – die Mehrheit spricht sich sogar dafür aus. Ich als Lehrperson muss ebenfalls auf mein Äußeres achten. Wir müssen auch schicke Kleidung tragen. Jeans oder Turnschuhe sind für uns ebenso unangebracht wie für SchülerInnen. Aber das ist überhaupt kein Thema: sobald man sieht, dass jeder LehrerIn im Anzug unterrichtet, ist das „Overdressed-Gefühl“ ganz schnell verflogen!
Nun zum Schulalltag. Um 8:35 Uhr beginnt für die SchülerInnen mit der sogenannten Formtime (Klassenzeit) der Tag. Hier werden wichtige (aktuelle) Themen besprochen, oder einfach nur gecheckt, ob alle Kinder anwesend sind. Klassen in dem Sinne wie wir sie kennen, gibt es hier allerdings nicht.
In jedem Fach sind die SchülerInnen in Leistungsklassen aufgeteilt, ähnlich wie Leistungs- und Grundkurse. Sobald die SchülerInnen auf die neue Schule kommen, sind sie dazu verpflichtet, 2 moderne Fremdsprachen zu lernen (gewählt werden kann: Französisch, Spanisch und/ oder Deutsch). Bevor die Kinder allerdings die Sprache wirklich lernen, müssen sie einen sogenannten Aptitude Test („Talent Test“) absolvieren, der einschätzt wie groß ihr Talent ist, neue Sprachen zu erlernen. Die Besten kommen in die sogenannten „top-set“-Klassen und die anderen in die „lower-set“-Klassen. Je nachdem wie viele SchülerInnen in einem Jahrgang sind, gibt es vier verschieden leistungsstarke Klassen oder auch mal weniger.
Ich werde Foreign Language Assistant genannt und helfe den Kindern hauptsächlich dabei, Deutsch zu lernen oder zu verbessern. Ich unterrichte Kleingruppen, gebe Einzelunterricht und helfe auch im Unterricht mit (team teaching). Ich habe einen Einblick in alle Altersklassen und wurde von allen herzlich aufgenommen. Das Lieblingswort der jüngeren Kinder ist Schmierpapier. Noch nie zuvor habe ich dieses Wort mit so viel Enthusiamsus, mit so vielen verschiedenen Intonationen und mit einem so britischen Akzent gehört wie in den jüngsten Klassen. Smirrrpapiiiiiiiierrrrrr – ich werde es nie mehr so sehen wie früher…
Viele, die schon mal schlechte Erfahrungen in Praktika gemacht haben, wissen, dass man sich oft einfach wie ein Klotz am Bein fühlt. Aber hier scheint jeder mehr als glücklich darüber zu sein, einen Muttersprachler im Department of Modern Languages zu haben. Auch wenn die SchülerInnen am Anfang sehr schüchtern und zurückhaltend waren, als sie das erste Mal mit mir sprechen „mussten“, wurde ihnen schnell bewusst, dass ich vielleicht besser Deutsch spreche als sie, sie aber dafür besser Englisch. So glich sich alles ein wenig aus und anfängliche Sorgen (auch meinerseits) waren schnell verflogen. Was ich besonders an meinem Praktikum mag, ist die Wertschätzung, die ich täglich von vielen Seiten zu spüren bekomme.
Wenn ich mal nicht durch das Department of Modern Languages hüpfe, helfe ich vermutlich bei administrativen Aufgaben, korrigiere Essays im Lehrerzimmer oder bin vielleicht in der Werkstatt und helfe den Kindern in Technik (D.T.) ihre eigenen Musikboxen aus Holz zu bauen… aber vielleicht bin ich auch einfach schnell auf meinen Besen gesprungen, um mich im kalten November bei einem Butterbier aufzuwärmen.
Lisa
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