Nach acht kalten Wochen in Kramfors, Schweden bin ich nun wieder im frühlingshaften Münster angekommen. Tatsächlich merke ich auch nach diesem Aufenthalt wieder, dass das meiste nach der Reise passiert, wenn man sich wieder in der gewohnten Umgebung mit den gewohnten Menschen befindet und Zeit zur Reflexion findet.
Mit dieser neu gewonnenen Distanz scheinen einige Erlebnisse nun doch anders und ich denke häufig an Dinge, die mir vor Ort eher klein vorgekommen sind. So zum Beispiel die Probleme einzelner Schülerinnen und Schüler, die sie mir in vertrauensvoller Atmosphäre anvertraut haben, und die ich nun mit mir herumtrage. Damit komme ich auch zum ersten Punkt der wichtigsten Dinge, die ich aus dem Praktikum für mich mitgenommen habe: Obwohl es im Lehrberuf eigentlich um das Unterrichten geht, ist das häufig das, was am kürzesten kommt. Tatsächlich hat mir das Auslandspraktikum gezeigt, dass Lehrerin zu sein nicht mehr das Einzige ist, was für mich in Frage kommt. Diese Einsicht ist zugleich aufregend und beängstigend, schließlich war ich mir bisher immer sicher, dass es später für mich an die Schule geht.
Deutsch als Fremdsprache zu unterrichten, kann wirklich hart sein. Es ist wirklich so, dass die Mehrzahl der SchülerInnen keine Lust auf Fremdsprachenunterricht hat, viel schwänzt, und die Eltern den Lehrpersonen Druck machen, ihrem Kind trotz der Reihe nach durchgefallenen Vokabeltests eine Eins zu geben. In Schweden ist der Kontakt zwischen Lehrpersonal und Erziehungsberechtigten stärker als in deutschen Schulen. Das liegt an einem häufigeren Angebot von Sprechstunden und Elternsprechtagen sowie an der Verpflichtung des Erstellens individueller Lernpläne für schwächere SchülerInnen, die zum Teil auch Zuhause weitergeführt werden müssen. Obwohl die Interessen beider Parteien dieselben sind – nämlich die Schülerin oder den Schüler erfolgreich zum Schulabschluss zu begleiten – gibt es sehr häufig Streit, der teilweise auch auf Rechtswegen ausgetragen wird. Das ist natürlich nichts neues, was ich hier erzähle, jedoch hat mich der Umgang von Eltern mit Lehrpersonen sehr erschüttert. Und auch die Beziehungen der SchülerInnen untereinander sind sehr von Konkurrenz und Gemeinheiten geprägt, so sehr, dass ich manchmal wirklich sprachlos war.
Das sind selbstverständlich auch Erfahrungen, die ich in Deutschland an Schulen gemacht habe, jedoch hatte ich hier in Deutschland auch immer ein soziales Netz, das mich aufgefangen hat und mit dem ich mich ablenken konnte. Und genau das ist mir in Kramfors, einem kleinen Ort ohne Gleichaltrige und mit wenig sozialen Aktivitäten, aufgefallen: Ich habe während Schulpraktika in Deutschland das Bedürfnis verspürt, mich abzulenken. In Kramfors gibt es wenig, was man tun kann, um sich abzulenken, man hat keine Wahl, als sich mit den eigenen Gedanken konfrontiert zu sehen. Dadurch wurde die Schulerfahrung auf ein Maximum intensiviert, ich habe sogar das Gefühl, dass mehrere Schulerfahrungen auf eine Erfahrung komprimiert wurden. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich habe mich dieser geballten Erfahrung gestellt und habe davon mitgenommen, dass ich mich auch gerne anderweitig nach alternativen Perspektiven umschauen möchte.
Deshalb kann ich nur jeder und jedem mitgeben und auch die Empfehlung aussprechen, ihren oder seinen Berufswunsch – egal ob Lehrberuf oder etwas anderes – auch mal im Ausland vielleicht im Rahmen eines Praktikums auszuprobieren und sich der komprimierten und intensivierten Erfahrungsmöglichkeit auszusetzen. Entweder man fühlt sich danach in seinem Wunsch bestätigt und kann mit neuer Energie die weitere Ausbildung verfolgen, oder man bekommt vorgeführt, dass dieser Wunsch vielleicht doch nichts auf Dauer ist und man sich vielleicht besser umorientieren sollte. Egal, welches Gefühl man am Ende einer solchen Erfahrung hat, sie war es auf jeden Fall wert und wird vermutlich das Leben prägen. Danke Kramfors und danke Gudmundråskolan!
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