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Der universitäre Alltag in Usbekistan

„Wie viele Doppelstunden unterrichten Sie in unserem Studienjahr?“

Eine Frage, die für die meisten Studierenden in Münster vielleicht seltsam klingen mag, ist an der staatlichen Universität in Buchara, Usbekistan, ganz normal. Die Studierenden werden hier in 80-minütigen „Doppelstunden“ unterrichtet, jeweils mit einer zehnminütigen Pause zwischen den Stunden. Die Studentin, die mich fragt, ist ziemlich enttäuscht, als ich ihr sage, dass ich leider nur für zwei Doppelstunden in ihrem Studienjahr sein werde.

Insgesamt unterrichte ich sechs solcher Doppelstunden in der Woche in den Studienjahren eins bis vier. Die Regelstudienzeit bis zum Bachelorabschluss beträgt in Usbekistan nämlich vier Jahre. Vor allem unterrichte ich Kurse aus dem ersten Studienjahr, jeweils einen Kurs aus dem zweiten und dritten und einen Kurs aus dem vierten Studienjahr. Die Studierenden hier in Buchara sind unglaublich bemüht, sehr aufmerksam und diskussionsfreudig. Ihr Interesse beschränkt sich dabei nicht nur auf die deutsche Sprache; ständig kommen Nachfragen wie es denn in Deutschland sei mit der Hochzeit, mit der Geburtstagsparty, mit der Beziehung zwischen zwei jungen Menschen und der Familie. Besonders freut mich zu beobachten, dass sich in meinen Kursen von Woche zu Woche ein vertrauterer, freundschaftlicherer Ton entwickelt. Die Studierenden sind dabei offen für die verschiedensten didaktischen Methoden: So spielt eine Gruppe im dritten Studienjahr einen Ausschnitt aus dem Märchen Der Froschkönig im Rollenspiel vor dem Kurs (ein Student übernimmt dabei freiwillig die Rolle der Prinzessin), ein Kurs im ersten Studienjahr schreibt eigene Werbungen auf Deutsch für die perfekte Sonnenbrille, einen Tee und eine Creme, nachdem wir deutsche Werbungen besprochen haben. Besonders beliebt sind die Dr.-Oetker-Werbung für den Paula-Schokopudding und die für den Lindt-Schokoweihnachtsmann. Ihre eigenen Werbungen spielen die Studierenden dann vor dem Kurs vor; sogar mit passender musikalischer Untermalung. Im zweiten Studienjahr diskutiere ich im Kurs, ob Fußball nur ein Sport für Männer ist und eine Gruppe im ersten Studienjahr findet, auch Frauen dürften einen Heiratsantrag machen. Selbst wenn es ihnen doch ein wenig komisch vorkommen würde. In der Sitzung, in der wir das Lied Herz über Kopf vom deutschen Sänger Joris besprechen, brainstormen die Studierenden über ‚Liebe‘ und ‚Liebeskummer‘ und kommen zu wirklich schönen Ergebnissen. Im Anschluss spielen sie usbekische Songs ab, die Herzschmerz und Kummer verarbeiten und wir stellen fest, die Probleme sind doch häufig über die unterschiedlichen Kulturen hinweg identisch.

Einen Unterschied, den ich als Praktikantin hier deutlich bemerke, ist die Angst vor Fehlern. Wenn sich jemand falsch äußert, scheint es beinahe ein Weltuntergang für sie oder ihn zu sein. Aus dem Grund versuche ich stets zu ermuntern, zu zeigen, dass (Fremd)sprachen lernen und das Betreiben von Wissenschaft generell immer nur mit und durch Fehler funktioniert. Einige trauen sich im Verlauf meiner drei Wochen Unterricht hier nun etwas mehr zu, bei anderen ist die Hemmung noch nicht ganz gefallen. Doch auch wenn einige Studierende noch immer Angst vor Fehlern haben, sind doch alle hier unglaublich dankbar für die Möglichkeit mit einer Muttersprachlerin zu kommunizieren und so neugierig, dass sie sich meist doch trauen zu fragen – dann eben mit Absicherung durch das Wörterbuch oder Google Translator.

        

 

      

 

Svenja

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