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Como estás, amor?

Die letzten vier Wochen meiner vier Monate Gynäkologie PJ in Montevideo haben begonnen und die Zeit, bis ich ins Flugzeug nach Deutschland steige, scheint zu rasen.

Meine mir zugeteilte Professorin war so freundlich, mir die freie Wahl zu lassen, in welchem Bereich der Gynäkologie ich die letzten Wochen mitarbeiten möchte und ich habe mich für die ‚Policlinica de Ginecologia‘ entschieden, eine Art gynäkologische Ambulanz. Bevor ich anfange von meinem bisherigen Arbeitsalltag hier zu berichten ein paar Grundinformationen zu dem uruguayischen Gesundheits- und Ausbildungssystem:

Das Medizinstudium dauert hier 7 Jahre: 6 davon in der Uni mit regelmäßigen Prüfungen, die vor allem mündlich stattfinden und ein Jahr ‚Internado‘, welches ungefähr unserem PJ entspricht, mit dem Unterschied, dass die Rotationen hier nur drei Monate dauern und so ein Fach mehr im ‚Internado‘ durchlaufen werden kann. Vor dem PJ müssen die uruguayischen MedizinstudentInnen das Staatsexamen bestehen, eine schriftliche Prüfung mit 100 Fragen, die an einem festgelegten Tag stattfindet und die jährlich ungefähr 500 Uruguayer schreiben. Die Bestabschließenden 75% des Staatsexamens werden im PJ dann mit ca. 500 Euro pro Monat bezahlt. Nach dem Internado/PJ gibt es Aufnahmeprüfungen für die ‚Residencia‘, das Äquivalent zu unseren Assistenzarztzeiten, für die einzelnen Fachrichtungen und erst nachdem die drei Jahre ‚Residencia‘ durchlaufen und die regelmäßigen Prüfungen während dieser Zeit bestanden wurden, giltst du als richtige/r Ärztin oder Arzt.

Es gibt ein staatliches Gesundheitssystem, in dem alle Menschen versichert sind und welches jeder in Uruguay lebende Mensch in Anspruch nehmen kann. Das Krankenhaus, in dem ich hier arbeite ‚Hospital Dr Manuel Quintela‘ ist ein staatliches Krankenhaus. Sobald man etwas besser verdient, versichert man sich hier aber in einer privaten Krankenversicherung. Anders als in Deutschland, besuchen privat Versicherte und staatlich Versicherte aber nicht dieselben Krankenhäuser, sondern privat Versicherte jeweils die Krankenhäuser ihrer Versicherung und Menschen ohne private Versicherung eines der staatlichen Krankhäuser.  So kommt es, dass wir im Krankenhaus ‚Hospital Dr Manuel Quintela‘ vor allem mit Menschen aus bildungsferneren Lebensrealitäten zu tun haben, was gerade in den Bereichen Familienplanung, Schwangerschaftsbegleitung und Geburtshilfe besonders zu sehen ist.

Mein normaler Arbeitstag hier sieht so aus, dass ich um 7:20 Uhr die 151 Linie für 50ct von meiner Wohngemeinschaft zum Krankenhaus nehme, um mit der Morgenbesprechung und Übergabe vom Nachtdienst in den Kliniktag zu starten. Die 7 Gynäkologie-PJlerInnen rotieren durch die allgemeine Gynäkologie, die Geburtshilfe, die Neonatologie und die gynäkologische Poliklinik. Die Arbeitszeiten sind von 8:00 Uhr bis ungefähr 13:00 Uhr täglich und jede/r PJlerIn bekommt einen Tag der Woche zugeteilt, an dem er oder sie ‚guardia‘ hat. Das bedeutet, dass der- oder diejenige an diesem Tag nicht den eigentlich zugeteilten Tagesaufgaben nachgeht, sondern im sogenannten ‚Bloque de partos‘, übersetzt wäre das der Geburtenblock, Patientinnen empfängt, die bspw. starke Wehen haben, bereits im Geburtsvorgang sind oder aufgrund anderer Gründe überwacht werden müssen. Die guardia geht von 8:00 Uhr morgens bis 8:00 Uhr morgens des nächsten Tages, wobei die internos dann nicht direkt nach Hause gehen (was nach einem 24h Dienst durchaus verdient wäre, finde ich), sondern dann am nächsten Tag, wenn der nächste interno übernimmt, in ihren jeweiligen Arbeitsbereich gehen, sodass es quasi 29h Dienste sind. Die gleichen Dienstzeiten haben die Assistenzärzte und Oberärzte, nur dass diese meistens länger schlafen können während der Nacht, dafür aber teils auch mehrere solcher Dienste die Woche machen. Wie ihr seht beeindrucken mich diese Dienstzeiten sehr, vor allem auch, weil sich sehr wenig darüber beschwert wird! Tatsächlich ist das auch für uruguayische Verhältnisse sehr lang, in vielen anderen Krankenhäusern gibt es maximal 12-18h Dienste.

Nach der Morgenbesprechung fahren wir mit dem ruckeligen Fahrstuhl runter in die Poliklinik der Gynäkologie. Dort suchen ich und die anderen Internos sich jeder eines der Behandlungszimmer aus, die nach hinten mit einem Vorhang von dem Flur mit den Arbeitsutensilien ist und beginnen Patientinnen aufzurufen. Dann machen wir die Anamnese und Untersuchung so weit, wie wir uns das selber zutrauen und sagen dann zur Patientin, dass wir uns mit dem Residente besprechen. Je nach Komplexität des Falls kommt der oder die Residente, nachdem wir ihm oder ihr die Anamnese und den Fall der Patientin geschildert haben, mit ins Behandlungszimmer und man arbeitet zusammen weiter, oder (bei simpleren Fällen) wird man nach der Fallvorstellung gefragt, was man glaubt, was das richtige Vorgehen wäre und wird eventuell darin noch korrigiert und eines besseren belehrt und erzählt der Patientin dann, dass man in der Besprechung zu folgendem Ergebnis gekommen wäre und erklärt das weitere Vorgehen eigenständig. Ich war von Anfang an, auch als ich nur neben einer anderen PJlerin stand und zugehört habe und in dem was ich sprachlich konnte assistiert habe, sehr begeistert von diesem System des Lehrens und Lernens. Mit jeder Patientin wird man so sicherer im Umgang und muss sich auch jedes Mal wieder selbst einzuschätzen wissen. Auch das Verhältnis zwischen Residentes und Internos ist eines, in dem Fragen seitens der Internos gewünscht sind und Engagement wirklich wertgeschätzt wird. Natürlich kann ich hier nur für die Gynäkologie im Krankenhaus ‚Hospital Dr Manuel Quintela sprechen‘, wahrscheinlich ist das, wie auch in Deutschland, sehr krankenhaus- und stationsabhängig.

Auch das Verhältnis zu den Patientinnen ist anders als in Deutschland. Es beginnt mit der Ansprache: nicht nur, dass Patientinnen nicht gesiezt würden, sondern mit Vornamen und Du oder gar dem noch freundschaftlicheren ‚vos‘ angesprochen werden, auch Kosenamen wie ‚mi amor‘ (meine Liebe) oder ‚cara‘ (Liebe) werden regelmäßig von Ärztinnen und Ärzten genutzt. Insbesondere, wenn es um emotional belastende Nachrichten oder schmerzhafte Untersuchungen/Interventionen geht, habe ich das Gefühl, dass die Ärztinnen und Ärzte hier der Patientin meist sehr viel schneller und direkter Empathie aussprechen und einen fürsorglichen, teils fast freundschaftlichen Ton nutzen.

Teilweise finde ich schwierig, hier für mich die richtige Balance zwischen einerseits Fürsorglichkeit und Nähe und andererseits Bevormundung und Übergriffigkeit (was Kosenamen beispielsweise angeht, wären viele Deutsche, die ich kenne nicht einverstanden damit von jemand eigentlich Fremden so genannt zu werden) zu finden. Ich habe mir aber fest vorgenommen, einen Teil dieser Wärme und das ehrliche Interesse am Leben der Patientin, welches uruguayische Ärztinnen und Ärzte hier täglich und immer wieder ganz selbstverständlich im Patientinnengespräch zeigen auch in Deutschland in meine zukünftigen Anamnesegespräche einzubringen.

Julia

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