Bratislava: Die erste Woche

Hallo,

ich bin Julian, 21, und studiere BWL an der WWU.

Im Moment halte ich mich für ein fünfmonatiges Praktikum in Bratislava auf, der Hauptstadt der Slowakei. Ich bin jetzt seit einer Woche hier und denke, dass ich einen ersten Eindruck vermitteln kann.

Meines Wissens nach bin ich der erste Student aus Münster, der seine Zeit in Bratislava verbringt. Ich werde mich deshalb auf allgemeine Informationen fokussieren.

Zunächst zur Wohnungssuche. Diese gestaltete sich, vorsichtig formuliert, interessant. Das Preisniveau bewegt sich auf einem ähnlich Niveau wie in Münster. Studentenwohnheime stehen nur den an der Komenius Universität eingeschriebenen Studenten zur Verfügung. Man muss also ein privates Angebot finden. Diese sind in der Regel recht teuer und es ist zu beachten, dass Zusagen und sogar unterschriebene Verträge offenbar nicht verbindlich sind. Als ich die Wohnung in Bratislava übernehmen wollte, wurde mir plötzlich ein um 900€ höheres Angebot vorgelegt, dass Appartement wäre zudem erst ab Anfang Dezember und nicht wie vereinbart schon zum 1.10. beziehbar gewesen. Nach einigen ähnlichen Erlebnissen zuvor (jedoch noch in Deutschland) gehe ich davon aus, dass das die übliche Praxis ist, wenn die Vermieter merken, dass die Wohnung dringend benötigt wird. Statt das Wochenende zur Besichtigung der Stadt mit meinen Eltern, die für den Umzug mitgekommen waren, zu nutzen, verbrachte ich die Zeit mit der Suche nach einer Alternativunterkunft, bei der ich schließlich erfolgreich war. Zwar teurer als geplant, dafür wird aber wöchentlich geputzt und Handtücher und Bettwäsche werden gewechselt. Vermutlich wäre es besser gewesen einige Wochen vorher schon hinunter zu fliegen und ein Zimmer bereits früher zu beziehen. Mittlerweile habe ich die Website „bedrooms.sk“ kennengelernt. Diese funktioniert ähnlich wie Aribnb, liefert aber zumindest für Bratislava attraktivere Ergebnisse.

Zu Bratislava selbst: Die Innenstadt ist ziemlich klein und man braucht für die Besichtigung kaum einen halben Tag. Sie ist größtenteils restauriert und sehr westlich. Es gibt die gleichen Einkaufszentren mit den gleichen Geschäften, wie in jeder anderen europäischen Hauptstadt. In der Architektur macht sich das KuK Erbe bemerkbar. Im Zentrum erinnern viele Gebäude an Wien. Da die Slowakei im Moment den Vorsitz der EU Ratspräsidentschaft inne hat, gibt es in der Stadt eine starke Polizeipräsenz und man sieht regelmäßig die Eskorten ausländischer Minister auf dem Weg zu Treffen. Die Auswirkungen des Kommunismus sind jedoch an vielen Stellen immer noch zu sehen.

Während die Innenstadt also sehr einladend ist, versprühen die Vorstädte den Charme Rostock-Lichtenhagens. Hier dominieren Plattenbauten, die meistens auch lange nicht mehr renoviert wurden.

Kulinarisch ist Bratislava recht vielfältig. Zwischen internationalen Gerichten und lokalen Geschäften gibt es alles. Auch beim Essen macht sich ein starkes Gefälle zwischen den Toplagen und den etwas abseits gelegen Restaurants bemerkbar. Allgemein kann man aber sagen, dass Lebensmittel und auswärts Essen gehen günstiger sind als in Deutschland (Brötchen für ca. 10ct, 0,5l Bier für 90ct und auch Markenprodukte (z.B. Oreos für 1€). An Supermärkten dominieren ausländische Ketten (Tesco, Billa). Lokale Anbieter findet man kaum. In der Slowakei ist der Arbeitgeber außerdem verpflichtet, den Mitarbeitern ein Mittagessen zur Verfügung zu stellen. Dies kann entweder durch eine Kantine oder die Ausgabe von Essensgutscheinen erfolgen. Gutscheine können nicht nur in Restaurants, sondern auch in normalen Lebensmittelläden eingelöst werden.

Das öffentliche Verkehrsnetz in Bratislava ist gut ausgebaut. Es verkehren viele Linien in kurzen Zeitintervallen (<10 min werktags), auch wenn manche Busse so wirken, als hätten sie nicht nur das Ende des Kommunismus, sondern auch schon seinen Aufstieg erlebt. Die Preise für Ticket sind sehr günstig. Ein Wochenticket für ganz Bratislava kostet 11,50€ mit ISIC-Karte sogar nur 5,40€. Es ist auch empfehlenswert, dieses Angebot für weitere Strecken zu nutzen. Ich habe mich an das bequeme Fahrradfahren in Münster gewöhnt und auch ein Fahrrad mit genommen. Verkehrsregeln scheinen aber eine eher untergeordnete Wirkung zu haben. Ampeln werden von Fußgängern eigentlich immer und zu jeder Zeit ignoriert und manche Autofahrer scheinen sie für ein Gimmick für eine schönere Stadt zu halten. An Wochenenden sind sie ganz abgeschaltet. Da es auch nur im unmittelbaren Zentrum Radwege gibt und die Schienen der Straßenbahnen die Straßen oft kreuzen, wird Radfahren zu einer gefährlichen Angelegenheit…

Auch andere Dienstleistungen, wie Friseuere sind günstiger als in Deutschland.

Bezahlt wird in der Slowakei in Euro. In der Innenstadt von Bratislava gibt es sehr viele Geldautomaten (zumindest in meiner Wahrnehmung sehr viel mehr als in Deutschland). Allerdings kann man selbst in sehr kleinen Läden bargeldlos mit Karte zahlen und auch das kontaktlose Zahlen ist stärker verbreitet als in Deutschland.

Leider hatte ich keine Zeit, viel Slowakisch zu lernen. Das ist aber auch nicht weiter schlimm. Im Arbeitsalltag wird ohnehin nur Englisch gesprochen und auch viele der Slowaken verfügen über überraschend gute Sprachkenntnisse. Erstaunlich viele Menschen sprechen zudem auch deutsch (die zweithäufigste Fremdsprache in der Schule). Viele der Touristen sprechen ebenfalls deutsch, wobei hier die Österreicher dominieren. Bratislava liegt an der Grenze zu Österreich und es gibt einen regen Pendelverkehr, vor allem am Wochenende, wenn von den auch am Sonntag geöffneten Geschäften in der Slowakei profitiert werden soll. In vielen Geschäften fühlt man sich zwischen all den Deutschsprechenden ein wenig wie auf Mallorca.

Ich werde mir die Stadt in den nächsten Tagen und Wochen mit mehr Zeit angucken und mich dann wieder melden.

 

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